Von Sahra Barkini – Stuttgart. Zur inzwischen vierten Trans*Pride am 3. September in Stuttgart hatte unter anderem Mission Trans* aufgerufen. An der Demonstration mit anschließender Kundgebung für Gleichstellung und das Recht auf Selbstbestimmung nahmen etwa 500 Menschen teil.
Auf dem Schlossplatz waren Infostände des Sportvereins Abseitz Stuttgart, Mission Trans* und der Linken queer aufgebaut. Dort konnte man sich mit Flyern, Fähnchen oder Aufklebern eindecken. Und vom Verein Queerdenker gab es eine Spray-Ecke, wo man Beutel besprühen konnte. Schirmfrau der diesjährigen Trans*Pride war Tessa Ganserer von den Grünen, eine von zwei Transfrauen im Bundestag.
Der Demonstrationszug mit dem Frontbanner „My, Life, My choice. Selbstbestimmung jetzt!“, angeführt von Ganserer und einer Schmetterlingsformation, zog über den Karlsplatz, über die Eberhardstraße, den Rotebühlplatz, die Theodor-Heuss-und Bolzstraße vorbei am Neuen Schloss und zurück zum Schlossplatz.
In der Eberhardstraße bekamen die Demonstrant*innen Applaus von einem Brautpaar, und auch sonst sah man Zustimmung. Dies ist nicht immer so, sagte Alexander Häfner bei der Zwischenkundgebung.
Hass gegen Transfrauen
Leider schlage Transfrauen oft Hass entgegen. Oftmals orchestriert von sogenannten TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminists). Zu diesen Feministinnen zählt auch Alice Schwarzer. Häfner zufolge sprechen TERFs Transfrauen das Frausein ab, denn sie menstruierten nicht und könnten keine Kinder bekommen. Die TERFs zeichneten Horrorszenarien, wie gefährlich Transfrauen für „echte“ Frauen seien. Früher war ein feministischer Schlachtruf „My body, my choice“. Dies scheine für Feministinnen wie Schwarzer nicht für Transfrauen zu gelten.
Auf Plakaten sah man die Forderung, das TSG (Transsexuellen Gesetz) abzuschaffen. Aber auch: „Trans Healthcare is suicide Prevention“, „Protect Trans Kids“, „Support Our Sisters, not just your cisters“, „Queer sein ist keine Phase, Kapitalismus schon“, „Protect trans lives“. Und immer wieder wurde an Malte erinnert: „R.I.P Malte“, oder „R.I.P Malte – Du bist ein Held“, war zu lesen. Aber auch: „Was muss noch passieren?? Damit ihr endlich handelt“.
Der Transmann Malte wollte nach dem CSD in Münster zwei lesbischen Frauen helfen, die sexistisch und homophob beleidigt wurden. Er bekam Faustschläge gegen den Kopf und fiel rückwärts zu Boden. Nach einer Woche im Koma erlag er seinen schweren Verletzungen. Inzwischen hat die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Auf der Kundgebung am Schlossplatz wurde in einer Schweigeminute seiner gedacht.
Trauer um Malte
Auch Janka Kluge (Mitglied im Vorstand des dgti), die eine Grußbotschaft gesendet hatte, ging auf Malte ein. „Gestern erreichte uns alle die traurige Nachricht, dass Malte an den Folgen seiner Verletzung verstorben ist. Malte war ein mutiger junger Mann. Er ist am Rande des CSDs in Münster zwei jungen lesbischen Frauen zur Hilfe geeilt, als sie sexistisch und lesbenfeindlich von einem Mann angepöbelt wurden“, hieß es darin. Und weiter: „Daraufhin ist Malte von ihm mehrfach ins Gesicht geschlagen worden. Er wurde durch die Schläge auf den Kopf ohnmächtig und stürzte unglücklich auf eine Bordsteinkante. Malte war aber nicht nur ein junger mutiger Mann, er war ein Transmann. Wir wissen nicht, ob der Täter in Malte einen Mann oder eine wie ein Mann wirkende Frau gesehen hat. Wir wissen aber, dass Malte jetzt tot ist. Erschlagen von einem Mann, dem Queers, egal ob mit oder ohne geschlechtliche Identität und egal welcher Sexualität, verhasst sind. Es war für mich gestern schwierig zu meinem Alltag zu kommen. Die Wut und die Trauer hatten zu stark von mir Besitz ergriffen.“
Und weiter: „Auf Twitter hatte ich schon vor dem Tod Maltes gefragt, ob es der Szene der Anhänger der „es gibt nur zwei Geschlechter“-Ideologie völlig egal ist, wenn Transmenschen fast zu Tode geprügelt werden. Da ich weiß, dass meinem Account auch TERFs und Radfems folgen, habe ich sie aufgefordert, ihre Meinung dazu zu sagen. Ich hatte bei dem Post an Malte gedacht, aber auch an Jess. Sie ist ein 14-jähriges Mädchen, das von Gleichaltrigen so zusammengeschlagen und getreten wurde, dass es fast ein Wunder war, dass sie noch lebte, als sie nach Stunden zufällig gefunden wurde. Jess hat so schwere Verletzungen davongetragen, dass sie ihr Leben lang dadurch gehandicapt ist.“
Zum Abschluss hieß es im Grußwort: „Wir stehen mit Euch zusammen, und gemeinsam werden wir die transfeindliche Hetze bekämpfen, damit wir nächstes Jahr zum nächsten Trans* Pride ein großes Fest machen können und das Selbsbestimmungsgesetz feiern.“ Die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer machte in ihrer Rede deutlich: Es sei höchste Zeit, für einen bundesweiten Aktionsplan für die Akzeptanz und den Schutz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. Queerfeindliche Hass-Kriminalität müsse wirksam bekämpft werden.
Der Schweizer Sänger Msoke verscheuchte dann mit seinen Reggae-Beats die grauen Regenwolken. Auf der Bühne gab es noch Podiumsdiskussionen unter anderem über „Non-Binarität“.
Fragwürdige Technik
Die Veranstaltungstechnik machte die Firma V.T.S. Die Firma war auch bei den Coronaprotesten für die Technik zuständig, und laut einer Recherche von T-online war der Geschäftsführer für die Einweisung der OrdnerInnen zeitweise verantwortlich. In einer umfangreichen Recherche von AntifaschistInnen heißt es zudem: „Wir wollen hier also dieses Bild vom eher linken Unternehmer, der „immer korrekte Preise macht, weil er unsere Inhalte auch ganz gut findet“, entzaubern. Wir können nicht in seinen Kopf sehen, was wir allerdings sehen und nachweisen können ist, dass er schon seit Jahren (nachweislich seit mindestens 2009) mit der Nazi-Szene (vor allem aus dem rechten Hooligan-Milieu rund um „Neckar-Fils“) gemeinsame Sache macht. Ob er das aus tiefer Überzeugung macht, können wir nicht beurteilen. Auf jeden Fall scheinen ihm die Euros wichtiger, als eine klare Distanzierung von Nazis und Faschisten.“
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