Von Sahra Barkini – Basel/Stuttgart. Rund 400 Menschen demonstrierten am Samstag, 26. November, in Basel gegen das Schweigen Europas zum Krieg gegen KurdInnen. Die Demonstration zog – ohne die besinnliche Weihnachtsstimmung der Innenstadt zu stören – vom De-Wette-Park über die Wettsteinbrücke ins Kleinbasel und endete an der Kaserne. Auch in Stuttgart und in vielen weiteren Städten gab es Demonstrationen. In Stuttgart beteiligten sich etwa 100 Menschen.
Während im Iran Revolutionsgarden vor allem gegen Menschen in den kurdischen Gebieten vorgehen, startete die Türkei eine Offensive gegen die Menschen in Rojava. Die Menschen in Ost- (Rojhilat) und Westkurdistan (Rojava) werden unter den Augen des Westens ermordet. Weite Teile der europäischen Öffentlichkeit schweigen zu den Angriffen.
Kritik an deutscher Regierung
Mehr noch: Drei Tage nach den erneuten Angriffen auf Rojava besuchte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser ihren türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu und lobte ihn für die gute Zusammenarbeit beim Flüchtlingspakt und die deutsch-türkische Freundschaft. Zu den Angriffen auf die kurdischen Gebiete blieb sie sehr still. Dies wurde von KurdInnen und kurdischen Organisationen auch stark kritisiert. So heißt es in einem Flyer: „Wer die Verurteilung des russischen Angriffskrieges fordert, muss genauso die Verurteilung des türkischen Angriffskrieges fordern!“
Faeser rief lediglich zur Verhältnismäßigkeit der Angriffe auf. Man stelle sich vor, sie wäre zwei Tage nach den Angriffen auf die Ukraine nach Moskau gereist und hätte zur Verhältnismäßigkeit aufgerufen. Der Flüchtlingspakt füllt die türkische Kriegskasse. Europa und auch Deutschland finanzieren mit den Geldern, die in die Abschottung Europas fließen, aktiv eine zentrale Fluchtursache: die Kriegspolitik der Türkei.
Die deutschsprachigen RednerInnen der Kundgebung in Basel thematisierten die türkische Kriegsführung als nationalistische Mobilisierungsstrategie, um von den sozialen Problemen enormer Inflation abzulenken. Über den Besuch Faesers sprach auch die BastA!- Parteisekretärin Franziska Stier. Sie griff in ihrer Rede vor allem die „Dreistigkeit der deutschen Regierung“ auf, kurz nach dem offenen Krieg der Türkei gegen Rojava über einen neuen Flüchtlingspakt zu verhandeln. Es sei bekannt, dass Soylu und seine Regierung in Waffenlieferungen beispielsweise an die djihadistische al-nushra Front verwickelt sind. Dazu Stier: „Die Regierungen Europas, die sich gerade im Pinkwashing übertreffen, leisten einen aktiven Beitrag zur Zerstörung des wichtigsten fortschrittlichen Projekts im Nahen Osten, bei dem Ökologie, Frauenrechte und soziale Sicherheit im Zentrum stehen.“
Die aus dem Iran stammende Rednerin griff auf, wie wichtig es sei, dass KurdInnen in allen Landesteilen zusammen stehen. Die Revolutionsgarden und Basidsch-Milizen greifen vor allem die kurdischen Dörfer im Westen des Landes an. Mehr als 500 Menschen wurden dabei ermordet. Sie sagte sehr eindrücklich: „Minderjährige werden getötet, weil sie für ihre Freiheit auf die Straße gehen.“
In den verteilten Flugblättern war unter anderem zu lesen: „Der türkische Präsident Erdogan hat bereits am 21. November angekündigt, dass es nicht nur bei Luftangriffen und den Kämpfen in Südkurdistan/Nordirak bleiben werde, sondern eine Bodeninvasion gegen Nordsyrien und Rojava bevorstehe. (…) Das Vorgehen der Türkei ist ein ganz offensichtlicher Bruch völkerrechtlicher Grundsätze, wie auch schon einzelne Mitglieder Ihrer Regierung richtig feststellten. (…) es ist offensichtlich, dass es der Türkei um die Vernichtung der demokratischen, feministischen und ökologischen Kräfte in Nord- und Ostsyrien und in Südkurdistan/Nordirak geht.“
Und weiter: „Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), die in einem jahrelangen und blutigen Kampf den sogenannten ,lslamischen Staat‘ (IS) besiegten, werden nun erneut von der Türkei angegriffen. Sollte die angekündigte Bodeninvasion durchgeführt werden, so ist damit zu rechnen, dass erneut Islamisten – unter anderem ehemalige IS-Mitglieder – als Teil des türkischen Angriffs zum Einsatz kommen werden. Zeitgleich mit der türkischen Eskalation in Syrien und im Irak sehen wir auch im Iran ein Zuspitzen der Situation. Nach den nun mehr als zweimonatigen Protesten, die auf die Ermordung der Kurdin Jina (Mahsa) Amini folgten, rückt das iranische Regime seit einigen Tagen in Ostkurdistan mit Panzern, Hubschraubern, Drohnen und Artillerie vor und versucht, die Frauenrevolution dort blutig niederzuschlagen. Der Iran geht dabei gegen die gleiche demokratische und feministische kurdische Bewegung vor, die von der Türkei bombardiert wird.“
„Ein Fortschrittliches Projekt wird zerstört“
An der Demonstration in Stuttgart mit etwa 100 Menschen war auf Plakaten und Transparenten zu lesen: „Defend Kurdistan – Gegen türkische Besatzung und Einsatz von chemischen Waffen“, „Widerstand vergrößern! Solidarität mit dem kurdischen Freiheitskampf in Sengal und Rojava“, „Nato-Staat Türkei bombadiert Kurdistan. Und der Rest der Welt schweigt“, „Erdoğans Giftgasangriff stoppen“, „OPCW-Break your Silence – investigate and stop Turkeys use of chemical weapons“. In einem Redebeitrag hieß es, Rojava stehe für die Frauenbefreiung und für den Frauenkampf. Aktuell bombadiere Erdoğan die Region mit massiven Luftangriffen. Ein basisdemokratisches, feministische System, in dem Frauen- und Menschenrechte gelten, sei der türkischen Regierung ein Dorn im Auge. Erdoğan wolle die Türkei von Grund auf islamisieren. Da sei für Menschen- und Frauenrechte kein Platz.
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