Von Sahra Barkini – Stuttgart. Zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bisexuellen-, und Trans*-, Inter*feindlichkeit IDAHOBIT gab es am Mittwoch, 17. Mai, in Stuttgart eine Kundgebung, organisiert unter anderem von 100% Mensch. Am Samstag, 20. Mai, fand eine Kundgebung zum Selbstbestimmungsgesetz statt. Die Stuttgarter queere Gemeinschaft forderte an beiden Tagen Aufklärung und andere Gesetze.
Am Mittwoch fanden sich am Marktplatz etwa 100 Menschen ein. Sie informierten sich an Infoständen. Es gab Reden und Musik von Nicole Vielhauer und Linda Wirth. In den Reden wurde angesprochen, dass queerfeindliche Gewalt zunehme. Es gab so gut wie keinen CSD im vergangenen Jahr ohne Gewaltdelikt. Besonders schlimm endete es in Münster, als Malte C. zwei lesbischen Frauen helfen wollte und nach einer Prügelattacke seinen schweren Verletzungen erlag. Aber auch in Fellbach wurden zwei Personen Opfer von Gewalt nach dem CSD. In beiden Fällen wurden die TäterInnen ermittelt und verurteilt. Für das Verbrechen in Münster erhielt ein 20-Jähriger im März wegen Körperverletzung mit Todesfolge fünf Jahre Freiheitsentzug. Das Gericht ordnete zudem seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Im Aufruf zur Kundgebung in Stuttgart war zu lesen: „Wir protestieren! Wir protestieren gegen die Gewalt, die wir jeden Tag erfahren. Wir protestieren gegen Kräfte, die unsere Freiheit einschränken wollen, uns beleidigen und angreifen. Wir protestieren gegen ein System der Unterdrückung und Normierung, gegen Ungleichheit und Ausgrenzung. Wir protestieren für die Anerkennung von LSBTIQA-Geflüchteten! Wir protestieren aber auch FÜR ein Selbstbestimmungsgesetz und die Erweiterung des Grundgesetzes Artikel 3, Absatz 3! Wir protestieren FÜR Sichtbarkeit und Sicherheit! Wir protestieren FÜR bessere Bildung und besseren Schutz!
Kommt und werdet an diesem wichtigen internationalen Protesttag mit uns laut! Schweigen zur Gewalt gegen LSBTIQA? Nicht mit uns!“
Die RednerInnen waren sich einig: Jeder und jede hat ein Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben. Daher sei es wichtig, dass das TSG (Transsexuellengesetz) durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wird. Dazu sprach die Journalistin und trans-Aktivistin Janka Kluge. Sie gab Einblicke in ihr Leben und ihre Kindheit und sprach über die aktuellen Auseinandersetzungen, die sie mit rechten Medien führt (siehe „Eine Galionsfigur der Trans-Bewegung“ und „Transphobe Beleidigungen sind kein Kavaliersdelikt„). Hinzu kommen Angriffe durch radfems und terfs (Trans-Exclusionary Radical Feminism – Trans-ausschließender Radikalfeminismus). Sie berichtete auch, wie schwer es ist, gegen diese Angriffe anzukommen. Auch wehrt sie sich gegen das Misgendern ihrer Person durch rechte JournalistInnen. In diesem Zusammenhang steht Mitte Juni ein weiterer Prozesstermin an.
„Demo für Alle“ erneut aktiv
Weiter sprach Kluge über die zurückliegenden sogenannte „Demo für Alle“, einen Zusammenschluss evangelikaler und rechter homophober Akteure. Sie organisierten vor zehn Jahren regelmäßig Demonstrationen in Stuttgart und trugen so zum Einzug der AfD in den baden-württembergischen Landtag bei. Aus dem Umfeld der „Demo für Alle“ wurde eine Petition gegen den „IDAHOBIT Tag“ an Schulen in Baden-Württemberg gestartet – mit kruden Argumenten, wie man sie vor zehn Jahren von den sogenannten Bildungsplangegnern hörte, allerdings nun mit verstärktem Augenmerk auf trans-Personen. Die Petition wurde an Kultusministerin Theresa Schopper gerichtet. Darin heißt es: „Die Queer-Lobby übernimmt Baden-Württembergs Schulen: Am 17. Mai soll in allen Schulen in BaWü ein ‚Aktionstag zu LSBTTIQ+‘ stattfinden.“ Sie räumten zwar ein, keine Unterrichtsmaterialien vorliegen zu haben, wussten aber offenbar ganz genau, dass es um Sex gehe. Das kennt man schon von der „Demo für Alle“. Da war einer ihrer Slogans: „Kein Porno-Unterricht an unseren Schulen“. Darum ging es freilich nie, aber das interessiert diese Akteure offensichtlich nicht.
Weiter heißt es: „Wenn die Queer-Propaganda bis in die Schulen kommt, haben Eltern keine Chance mehr, ihre Kinder fernzuhalten von sexuell aufgeladenen Subkulturen. Mit dem Aktionstag zielen Queer-Verbände darauf ab, Kinder und ganze Familien als Mitglieder zu rekrutieren.“ Ob dieser Aktionstag überhaupt stattgefunden hat, ist der Redaktion nicht bekannt. Sollten die rechten, evangelikalen Trans-und queerfeinde wieder auf die Straße gehen, hofft Janka Kluge, dass Stuttgart und Baden-Württemberg zeigen, dass das Land bunt und queer ist und dass es mit diesem „braunen Mist“ nichts zu tun hat.
Hoffnung auf Selbstbestimmungsgesetz
Am darauffolgende Samstag gab es am Schlossplatz eine Kundgebung zum Selbstbestimmungsgesetz. Organisiert von Mission Trans nahmen etwa 50 Menschen teil. In Reden wurde über die Erwartungen an das Selbstbestimmungsgesetz gesprochen und auch Kritik an einigen Punkten geübt. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Oliver Hildenbrand solidarisierte sich ebenso wie Detlef Raasch vom CSD Stuttgart mit der trans-Community. Hildebrand sagte, man sehe schon daran, dass das TSG mehrfach für verfassungswidrig erklärt wurde, dass man ein neues Gesetz brauche, auch wenn der Entwurf jetzt noch nicht perfekt ist und Nachbesserungen wichtig seien. Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt. Als Gesellschaft und Politik müsse man Druck machen.
Janka Kluge sprach über ihren Optimismus und ihre Hoffnung auf das neue SBG – und über ihre Enttäuschung nach seiner Veröffentlichung. Denn vieles, was in diesem Gesetz steht, sei verwässert. Bei vielen Punkten gebe Justizminister Marco Buschmann die Terfs wieder. Buschmann folge deren Erzählung über die Gefährlichkeit der trans-Menschen eins zu eins und gebe das im Gesetz wieder, so Kluges Eindruck. Die Rednerin weiter: „Dabei sind es nicht wir die gefährlich sind, es ist die Gesellschaft, die trans-Menschen ausgrenzt.“ Und weiter: „Was wir brauchen ist ein Gesetz, das uns würdigt, was wir nicht brauchen ist ein Gesetz, das uns runtermacht. Das uns noch viel mehr Steine in den Weg legt als davor das TSG“ (Transsexuellengesetz).
Die Hetze der christlichen Fundamentalisten verfängt aktuell. Das wurde deutlich in München bei der Auseinandersetzung um eine Lesung von Drag Queens und Kings in der Stadtbibliothek. Da war von Frühsexualisierung die Rede und davon, dass trans-Menschen und Drag Queens pädophil seien. Auch wenn dies völliger Blödsinn sei, würden solche Pseudo-Argumente vorgebracht und verbreitet. Im Sommer wird die Auseinandersetzung um das SBG anstehen. Janka Kluge hofft auf den Zusammenhalt. Denn bei aller Kritik am neuen Gesetz hoffte sie darauf, endlich von Fremdbestimmung wegzukommen.
Folge uns!