Reutlingen. „Reclaim your City“ war das Motto, unter dem am Samstag, 25. Juli, mehr als 500 Menschen tanzend und feiernd dreieinhalb Stunden durch Reutlingen zogen. Musik und kreativ gestaltete Lautsprecherwagen sorgten für eine ausgelassene Stimmung. An dem so friedlichen Abend gab aber auch Misstöne. Die Polizei klagte über einen Böller, Rauchfackeln und Rauchpulver. Außerdem wurden sieben Fahrzeuge beschädigt, wovon sich die Organisatoren der zweiten Nachttanzdemo verärgert distanzierten.
Ihre Befürchtung, Presseberichte könnten eher von diesem Vorfall als von den Inhalten der Demo geprägt sein, bewahrheiteten sich zumindest zum Teil. Zunächst dominierte aber die ausgelassene Stimmung. PassantInnen schlossen sich teilweise spontan der Demonstration an, heißt es in einer Mitteilung der Veranstalter. Um 18 Uhr fuhren am Samstag die ersten Lautsprecherwagen vor dem Hauptbahnhof vor, und der Listplatz füllte sich zunehmend mit gut gelaunten Menschen.
Nach der Auftaktkundgebung ging es weiter zur Pomologie. Dort forderte die Stadträtin der Linken Jessica Tatti die Aufhebung des Aufenthaltsverbots nach 23 Uhr in der Pomologie und im Volkspark. Weitere Zwischenstopps gab es auf dem Marktplatz und vor dem Polizeipräsidium Reutlingen. Die RednerInnen thematisierten sexualisierte Gewalt und kritisierten die Unverhältnismäßigkeit der Reutlinger Polizeiarbeit. Gegen 22.15 Uhr zog die mittlerweile stark angewachsene Demonstration euphorisch in Richtung Zelle. Dort folgte dann noch eine ausgelassene Aftershow-Party.
Trotz Zwischenfall gelungene Veranstaltung
Erst im Nachhinein hätten sie erfahren, dass es während der Versammlung einen Zwischenfall mit einem betrunkenen Teilnehmer gab, so die Organisatoren. Er soll an der Route parkende Fahrzeuge beschädigt haben. Die Polizei, die mit achtzig BeamtInnen im Einsatz war, berichtet von fünf zerkratzten Fahrzeugen, und zwei weiteren, an denen ein Nummernschild und der Seitenspiegel abgetreten wurden. Der Schaden liege nach ersten Schätzungen bei mindestens 5000 Euro.
„Die Nachttanzdemo Reutlingen distanziert sich entschieden von dieser sinnlosen Sachbeschädigung“, erklärte die OrganisatorInnen. Sie seien aber zuversichtlich, „dass dieser Vorfall die Inhalte einer ansonsten rundum gelungenen Veranstaltung nicht in den Hintergrund rücken wird.“ Alles in allem betrachteten sie die Organisatoren die Demonstration als einen vollen Erfolg. Mehrere hundert Menschen hätten sich „den öffentlichen Raum für ihre Vorstellung von alternativer und unkommerzieller Freizeitgestaltung angeeignet und gezeigt, dass derartige Aktionen durchaus auch von AnwohnerInnen und Passanten positiv aufgenommen werden“.
Protest gegen betonierte Einkaufsstraßen
Es sei gelebte Demokratie, wenn junge Menschen Teil der politischen Auseinandersetzung werden, „anstatt dass man sie lediglich in zugeschnittenen Veranstaltungen ein bisschen mitreden lässt“. „Wir wollen nicht, dass man mit uns in einem vorgefertigten Rahmen diskutiert, wir wollen die die Deutungshoheit über diese Debatte, denn es sind unsere Forderungen und wir sind diese jungen Menschen, über die man in diesem Gemeinderat regelmäßig spekuliert“, heißt es in der Erklärung weiter.
Die Städte würden immer stärker darauf ausgerichtet, möglichst viel Profit abzuwerfen, was alternative, unkommerzielle Kultur und Lebensentwürfe zunehmend verdränge. Das Ergebnis seien „betonierte Einkaufsstraßen, aus denen das Ordnungsamt und die Polizei jeden Ansatz von selbstbestimmter Freizeitgestaltung sofort wieder vergrault.“ Der Tag bleibe „trotz vereinzelten, unschönen Aktionen“ bei allen Beteiligten und zuständigen Behörden positiv in Erinnerung.
Fotos: Patrick Abend paddyfotography.de
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