Von Simon Lange – Karlsruhe. Zum Tag gegen Gewalt an Frauen am Mittwoch, 25. November, veranstaltete das Offene Frauen* Treffen (OF*T) Karlsruhe eine Kundgebung auf dem Karlsruher Marktplatz. Tagsüber hatten bereits verschiedene Aktionen in der Karlsruher Innenstadt stattgefunden. Etwa 120 Menschen beteiligten sich, und viele PassantInnen hörten zu.
AktivistInnen des Offenen Frauen* Treffens hatten schon am Mittag mit Aktionen auf Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht. Am Platz der Grundrechte vor dem Karlsruher Schloss hängten sie mit roter Farbe beschmierte Kleidung auf und verklebten Plakate in der Innenstadt mit feministischen Parolen und Informationen über die individuelle und strukturelle Unterdrückung von Frauen.
Abends hatten sich trotz der Kälte schon zu Kundgebungsbeginn um 18 Uhr fast 60 Menschen auf dem Marktplatz eingefunden. Zum Ende der Kundgebung waren es zirka 120 TeilnehmerInnen. Hinzu kamen noch viele BesucherInnen des Weihnachtsmarkts, der zur Zeit ebenfalls auf dem Marktplatz stattfindet und die den verschiedenen Redebeiträgen interessiert zuhörten. Die verschiedenen RednerInnen, unter anderem vom Offenen Frauen* Treffen und vom Feministischen Kollektiv Karlsruhe, machten in ihren Reden auf die Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, aufmerksam. Dabei wurde neben alltäglicher verbaler und körperlicher Gewalt insbesondere auf die gestiegene häusliche Gewalt während der Corona-Krise und dem Lockdown eingegangen.
Auch die täglichen Morde an Frauen waren Thema. Eine Vertreterin des OF*T sagte in ihrer Rede, dass „alleine in diesen zwei Stunden unserer Kundgebung also zwölf Frauen umgebracht“ würden. Neben den Reden verteilten die AktivistIinnen auch Flyer auf dem Marktplatz und machten auf das Hilfetelefon für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, aufmerksam. Die Anmelderin der Kundgebung zeigte sich erfreut darüber, das so viele Menschen gekommen waren und sich für das Thema interessierten. Sie sprach davon, dass die Kundgebung ein „voller Erfolg“ gewesen sei.
Die Rede des Offenen Frauen* Treffen Karlsruhe im Wortlaut:
„Catcalling, Stalking, Vergewaltigung – Gewalt gegen Frauen* hat viele Facetten.
Jedes Jahr wird am 25. November weltweit im Rahmen des „Internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“ auf das Schicksal von Frauen auf der ganzen Welt aufmerksam gemacht. Und auch wir sind heute hier um für eine Gesellschaft zu kämpfen in der Gewalt gegen Frauen nicht mehr zum Alltag gehört!
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“
Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Die Realität ist auch im Jahr 2020 eine andere.
Gewalt gegen Frauen* ist auch heute noch ein universelles, meistens jedoch unbestraftes Verbrechen mit vielen Gesichtern.
Jede dritte Frau* erfährt mindestens einmal in ihrem Leben psychische, physische oder sexualisierte Gewalt.
Häufiger als jeden zweiten Tag wird eine Frau* in Deutschland durch ihren Partner oder Ex-Partner ermordet.
Weltweit wird alle zehn Minuten eine Frau ermordet. Allein in diesen zwei Stunden unserer Kundgebung werden also zwölf Frauen* umgebracht.
Die Zurückweisung einer Frau* ist nie Motiv eines Mordes, es ist der Frauen*hass des Täters.
Männliche Besitzansprüche sind es, die zu Gewalt gegenüber Frauen führen. In den Medien wird diese Gewalt systematisch verharmlost.
Es handelt sich nicht um Familiendramen oder Beziehungstaten und hat auch nichts mit versehentlichem Überreagieren zu tun.
Lasst es uns als das benennen was es ist: Femizid!
Die Tötung von Frauen* und Mädchen wegen ihres Geschlechts!
Es sind nicht nur die einzelnen Männer, die Gewalt an Frauen* ausüben, sondern auch der Staat, die Medien und die Öffentlichkeit.
Grund dafür ist die kapitalistische und patriarchale Gesellschaft.
Lasst uns nicht länger schweigen und unsere Stimme für mehr Gerechtigkeit erheben!
Seit dem Beginn der Covid-19 Pandemie sind Frauen* auf der ganzen Welt vermehrt zurück in die patriarchalen Strukturen gedrängt worden.
Sei es die zusätzliche Belastung der Kinderbetreuung Zuhause oder weil Frauen* verhältnismäßig oft in unterbezahlten, systemrelevanten Jobs arbeiten.
Die Krise wird auf dem Rücken der Frauen* ausgetragen.
Eine Studie der TU München zeigt, dass Frauen* während des ersten Lockdowns überproportional häufiger ihr Einkommen verloren als Männer. Wo ist das gerecht?
Die prekäre Situationen von Frauen*, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind hat sich mit dem Lockdown nur noch verschlimmert, während die Berichterstattung in den öffentlichen Medien darüber nachgelassen hat.
Waren Frauen* in Quarantäne oder hatte die Familie finanzielle Sorgen, lagen die Zahlen häuslicher Gewalt deutlich höher. In Haushalten, in denen eine der beiden Personen in Kurzarbeit war oder den Arbeitsplatz aufgrund von Corona verloren hatte, ist das Konflikt- und Gewaltpotiental ebenfalls erhöht.
Dies zeigte sich auch beim Hilfeton „Gewalt gegen Frauen*“. Denn nur 48% der Betroffenen, der während Corona gemeldeten Gewalttaten, kannten das Hilfetelefon, unter 4% haben dort auch angerufen und trotzdem waren die Hilfetelefone häufig überfordert, da auch sie personell unterbesetzt sind.
Während des Lockdowns waren Frauen*häuser, der oft letzte Rückzugsort für Frauen*, geschlossen!
Und die Situation ist auch jetzt noch schlimm. Allein in Baden-Württemberg fehlen über 630 Plätze in Frauen*häusern.
Was bleibt diesen Frauen* wenn sie dort nicht unterkommen können?
Der Weg in die Wohnungslosigkeit?
Oder zurück zu den Ehemännern vor denen sie geflohen sind?
Lasst uns das Schweigen brechen und uns gegenseitig unterstützen!
Fragt eure Nachbarin einmal öfter ob es ihr gut geht.
Helft, wenn ihr könnt, der Freundin mit zwei Kindern, indem sie sich vor dem Mann in eurer Wohnung zurückziehen kann.
Verteilt die Flyer und die Sticker vom Hilfetelefon die wir am Infotisch zum Mitnehmen bereitgelegt haben.
Seid aufmerksam und solidarisch!
So demotivierend die Verhältnisse auch sein mögen, wir dürfen uns nicht davon zurückhalten lassen!
Wenn uns diese Gesellschaft die Freiheit nimmt, unser Leben selbstbestimmt und angstfrei zuführen, dann müssen wir uns diese Freiheit zurück erkämpfen!
Ob polnische Frauen* die für ihr Recht auf legale Schwangerschaftsabbrüche kämpfen oder der Widerstand von lateinamerikanischen Frauen*, überall gehen Frauen* auf die Straße und stellen sich gegen die herrschenden Strukturen!
Auch wir können kämpfen! Lasst uns damit anfangen!
Denn Frauen* die kämpfen, sind Frauen* die leben!“
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