Von Meide Wolt – Stuttgart. Mit einem Flashmob auf dem Schlossplatz begann am Donnerstag, 21. April, in Stuttgart eine Aktion für ein gutes Bundesteilhabegesetz. Bundesweit gab es an diesem Tag in acht Städten ähnliche Aktionen.
Unter dem Motto „Bis zur vollen Teilhabe gehen wir euch auf den Wecker!“ begann um 11.55 Uhr der Flashmob. Zu ihm hatte das Zentrum selbstbestimmt Leben – Aktive Behinderte in Stuttgart zusammen mit der Linksjugend Solid aufgerufen hatten.
Die DemonstrantInnen zogen um 12 Uhr weiter über die Bolzstraße auf den Börsenplatz. Stephanie Aeffner, Sprecherin des Zentrums selbstbestimmt Leben, verglich bei der Abschlusskundgebung die so genannte Eingliederungshilfe, die Menschen mit Behinderung zusteht, mit der insgesamt restriktiven Sozial-Gesetzgebung. „Sozialhilfe ist etwas vorübergehendes, aber nicht eine Behinderung. Die haben wir noch ein ganzes Leben“, begründete sie die Forderung nach einem umfassenden Bundesteilhabegesetz.
Anlass für die Demonstration war die Verzögerung von dessen Einführung. Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag das Gesetzt angekündigt, die Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs jedoch immer wieder verschoben. Nach einem Beteiligungsprozess im letzten Jahr verzögerte sich die Einfügung des Gesetztes weiter.
Inhaltlich sei das Ergebnis des Gesetzentwurfs weit hinter den durch den Beteiligungsprozess gemachten Hoffnungen zurückgeblieben, kritisierte Aeffner. So sei nun etwa die Wahlfreiheit für Assistenzleistungen bedroht, weil diese nur noch an den günstigsten Anbieter gegeben werden sollen.
Einer der Teilnehmenden beschrieb, wie wichtig eine Assistenz für ihn sei, um in der Stadt leben zu können. Sieben Stunden pro Woche stünden ihm nur zu, und auch um die müsse man kämpfen. Oft müssten Menschen mit Behinderungen elementare Rechte erst auf dem Rechtsweg erstreiten, wodurch sie zum Teil Jahre verlören. Im Aufruf zur Demonstration wurde kritisiert, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, einer Menschenrechtskonvention, halbherzig verfahre.
„Wir werden arm gemacht, wir können nicht für unser Alter vorsorgen“, so Stephanie Aeffner vom Zentrum selbstbestimmt Leben. Nur 2600 Euro dürfen Menschen mit Behinderung ansparen. Gleichzeitig müssen die Partner für anfallende Kosten aufkommen. „Damit wird Partnerschaft aktiv verhindert“, erklärte ein Demo-Teilnehmer bitter.
Menschen mit Behinderungen würden auch an ihrer politischen Partizipation durch zahlreiche Barrieren gehindert so die Sprecherin weiter. Viele würden von klein auf in Heime gesteckt und dort entmündigt: „Wir brauchen keine Musterkrüppelchen, sondern müssen auf der Straße unsere Rechte einfordern.“
Aeffner rief am Börsenplatz dazu auf die Petition Für ein Recht auf Sparen und für ein gutes #Teilhabegesetz zu unterzeichnen.
Am 4. Mai – einen Tag vor dem europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung – wird es in Berlin eine bundesweite Demonstration für ein gutes Bundesteilhabegesetz geben.
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