Von Daniela Gschweng – Die anarchistischen Bäcker von Monteuil liefern Brot an streikende Arbeiter, sind als Kollektiv organisiert und wollen obendrein gutes Brot backen. An der Theke gibt es, wie in jeder Bäckerei, Brot, Brötchen und Süsses. Es riecht nach Gebackenem. Aber die belegten Brote tragen Namen wie „Marx“, „Louise Michel“ oder „Bakunin“. Für die Kunden liegen Flugblätter und anderer Lesestoff aus, den Kaffee gibt es gratis.
Etwas ist anders in der kleinen Bäckerei «La Conquete du Pain», zu Deutsch «Die Eroberung des Brotes». Das ist der Titel eines 1892 veröffentlichten Buches von Peter Kropotkin. Das Thema der Schrift: die Organisation einer Gesellschaft ohne Staat auf Basis des Gemeineigentums. Was bitte hat ein anarchistischer Theoretiker mit Brot zu tun?
Pain au Anticapitalisme
Pierre Pawin und Thomas Amestoy, die die Bäckerei im Städtchen Monteuil in der Nähe von Paris in 2010 gegründet haben, bezeichnen sich als Antikapitalisten und Antifaschisten. „Bio, selbstverwaltet, anarchistisch“, steht auch im Schaufenster. „La Conquete“ ist keine normale Bäckerei, sondern eine kooperative Produktionsgemeinschaft.
Der Anfang war hart: der Bäcker Pawin kannte das Handwerk bereits, Amestoy musste sich erst einarbeiten. Das Eckhaus, in dem sich die Bäckerei befindet, war eine heruntergekommene Bruchbude. Mit Hilfe von Freunden und Familie konnte der Laden instandgesetzt und die ersten Angestellten eingestellt werden. Die Gründer arbeiteten Tag und Nacht.
Inzwischen läuft die Bäckerei. Auch deshalb, weil die Bäcker viel Wert auf Qualität wie hochwertige Zutaten und eine langsame Teigführung legen.
„Wirklich antikapitalistisch können wir gar nicht sein“, gibt Amestoy in einem Interview mit dem französischen Sender AJ+ zu. „Wir sind ja innerhalb des kapitalistischen Systems, bezahlen Löhne, Steuern und Sozialabgaben“. Die Bäckerei bilde zwar Ausländer und arbeitslose Jugendliche aus, dennoch befände man sich in einem rassistischen System, erklären die Gründer.
Trotzdem versuchen sie so gemeinschaftlich und solidarisch zu wirtschaften, wie möglich. Alle Angestellten haben gleiche Rechte und bekommen dasselbe Gehalt von 1500 Euro im Monat. Entscheidungen werden gemeinsam gefällt, zweimal im Monat ist Vollversammlung.
Bedürftige zahlen den «Tarif de Crise»
Das Bio-Baguette, das normalerweise einen Euro kostet, können Bedürftige zum „Tarif de Crise“ kaufen, es kostet dann 75 Cent. Nachgefragt oder kontrolliert wird nicht. Nach Ladenschluss gehen alle Überschüsse an karitative Organisationen.
Über die Kundschaft macht sich Pierre Pawin keine Illusionen. „Die Leute kaufen unser Brot nicht, weil wir selbstverwaltet und anarchistisch sind, sondern weil wir gutes Brot backen“, stellt er fest. Oder vielleicht doch nicht ganz: „Ich fühle mich hier wohl. Das Café hat eine Seele“, sagt eine Besucherin, die von einem Fernsehsender dazu befragt wird.
Alle Fotos: La Conquete du Pain
Weitere Infos gibt´s hier:
Homepage von La Conquete du Pain, Facebookseite, „Das Brot der Anarchisten“ und das Video von AJ+
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