Von Tape Lago – Hamburg. In der Hamburger Innenstadt gingen am Samstag, 29. September, rund 35 000 Menschen auf die Straße, um gegen den Rechtsruck, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Abschiebungen zu demonstrieren. Sie forderten ein Ende der Kriminalisierung der Seenotrettung, eine solidarische Gesellschaft für alle und den Rücktritt von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Zur Demonstration hatte das Netzwerk „We’ll Come United“ unterstützt von mehr als 450 Initiativen und Organisationen aufgerufen.
Die Polizei war vor Ort mit einer starken Mannschaft und löste nach Beginn der antirassistischen Parade mit „falschen und verwirrenden“ Teilnehmerzahlen Empörung bei den Demonstrantinnen aus.
Das Netzwerk „We’ll Come United“ wollte bei der Großdemonstration und antirassistischen Parade unter dem Motto „United against Racism“ (vereint gegen Rassismus) ein starkes Zeichnen setzen. Erwartet wurden 25 000 Menschen. Doch es kamen rund 35 000 TeilnehmerInnen mit einer klaren Botschaft: „Seenotrettung ist kein Verbrechen – Refugees Wellcome – Kein Platz für Rassismus und rassistische Hetze gegen MigrantInnen und Geflüchtete“.
Jörn Menge: „Nazis und rechte Hetzer raus aus den Parlamenten“
„Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, hier in unserer Stadt dabei zu sein, wenn ganz viele Menschen gegen Rassismus und Menschenverachtung demonstrieren“, sagte Jörn Menge, Sprecher von „Laut gegen Nazis“. Es sei „einfach wichtig zu zeigen, dass wir mehr sind“, so der bekannte Nazigegner weiter: „Wir fordern ‚Nazis und rechte Hetzer raus aus den Parlamenten‘ und wir fordern die Zivilgesellschaft auf, jede Initiative vor Ort und überall, die sich den Nazis und Rechten entgegenstellt, zu unterstützen.
Auch das Sterben im Mittelmeer und an den europäischen Außengrenzen müsse aufhören, so Menge. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass die Kriminalisierung der Seenotrettung endlich beendet wird. „Moin Liebe – Tschüss Hass“, war seine Botschaft für eine solidarische Gesellschaft, in der alle willkommen sind und leben können.
Tausende Menschen und 44 Themenwagen (Trucks)
Bereits um die Mittagszeit war der Rathausmarkt, Ort der Auftaktkundgebung, voller Menschen. Auch in den umliegenden Straßen und auf den Plätzen versammelten sich tausenden TeilnehmerInnen mit Schildern, Plakaten und Transparenten. Mehrere Themenwagen (Trucks) warteten auf den Start der Parade gegen den Rechtsruck und Rassismus.
Angemeldet waren 44 Trucks wie „Erdogan not Welcome – Kein Deal mit der Türkei“, „Laut gegen Nazis“, „Stoppt das Massensterben im Mittelmeer – Seenotrettung ist kein Verbrechen“, „Seebrücke – Schafft sichere Häfen“, „AfD wegbassen – Reclaim Club Culture gegen die Festung Europa“, „Kein Schlussstrich – Tribunal NSU-Komplex auflösen!“ und „Lampedusa in Hamburg – 5 years of resistance!“. „City Plaza Hotel Athen“, ein Themenwagen aus Griechenland, war auch dabei.
Das Problem heißt nicht Migration, sondern Rassismus
Bei der Auftaktkundgebung die wie geplant um 12 Uhr begann, kritisierte Siri Keil, Pressesprecherin von „We’ll Come United“, die CSU und Innenminister Horst Seehofer für ihre rassistische Hetze gegen MigrantInnen und Geflüchtete aufs Schärfste. „Das Problem heißt nicht Migration, sondern Rassismus“, sagte sie und lobte die Arbeit und das Engagement der SeenotretterInnen und Flüchtlingsorganisationen.
„Was wir wollen ist ein Aufstand der Solidarität gegen Rassismus“, betonte Keil. Im Anschluss stellte sie alle Organisationen und Trucks der Parade vor und bedankte sich bei allen für ihr Kommen.
„Europa mordet auf dem Mittelmeer“
„Es ist ein Aufstand der Solidarität und ein Tag des Widerstands“, sagte Newroz Duman, Sprecherin von „We’ll Come United“. Sie übte scharfe Kritik am „brutalen Abschiebesystem“ der Bundesregierung. Die AfD, die Neonazis, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Horst Seehofer könnten sich warm anziehen, betonte sie.
Sie forderte einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp für Roma, AfghanInnen und alle andere Geflüchtete. Auch das Bleiberecht und den Familiennachzug für alle wurden verlangt. Duman rief alle Länder, Kommunen und Einwohner zum solidarischen Widerstand gegen Abschiebungen auf. Mit Blick auf die Kriminalisierung der Seenotrettung sagte Duman „Europa mordet auf dem Mittelmeer und kriminalisiert die Solidarität“. Sie forderte ein Ende des Sterbens im Mittelmeer.
“Oury Jalloh, das war Mord“
- Tom und Mouctar Bah
- „Oury Jalloh, das war Mord“
Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ nutzte die Gelegenheit, um über den Feuertod des Asylbewerbers aus Sierra Leone aufzuklären. Mouctar Bah und Tom, Sprecher der Initiative, machten deutlich, dass Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau ermordet worden sei.
Er habe sich nicht selbst angezündet, sondern sei von PolizistInnen ermordet worden. Sie kritisierten Polizei und Justizbehörden für die Vertuschung des Verbrechens an Oury Jalloh. Sie riefen die Zivilgesellschaft auf, sich dem Rassismus gegen MigrantInnen und Geflüchtete stets entgegen zu stellen. „Oury Jalloh, das war Mord“, erklärt die Initiative.
Lautstarke und bunte antirassistische Parade
Nach den zahlreichen Redebeiträgen auf dem Rathausmarkt setzte sich der endlose Demonstrationszug mit zehntausenden Teilnehmerinnen am früheren Nachmittag in Bewegung. Es war eine lautstarke, bunte und entschlossenen Parade gegen Rassismus. Auszumachen waren viele Initiative gegen Rechts und AntifaschistInnen. Auch die „Omas gegen Rechts“ zeigten Präsenz und machten deutlich, dass Rassismus in dieser Gesellschaft keinen Platz hat.
Entlang der Demoroute zeigen viele BürgerInnen und Schaulustige ihre Solidarität mit den Demonstrierenden, indem sie sich dem Zug anschlossen oder auf andere Weise ihre Zustimmung den TeilnehmerInnen gegenüber kundtaten. Um mehr Menschen in der Bevölkerung zu erreichen, trennte sich der Demonstrationszug wie geplant an der Reeperbahn und Helgoländer Allee. Beide Züge erreichten im Anschluss die Hafenstraße, wo eine Promenade der Solidarität stattfand.
Hamburg muss für Seenotrettung einstehen
Dort erklärte David Roop, Landessprecher der Hamburger Linken, weshalb sich seine Partei an der antirassistischen Parade beteiligte. Die Linke wolle durch ihre Präsenz bei der „We’ll Come United“-Demo, ein klares Zeichen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft setzen, sagte Roop. Die Linke habe sich für die Seenotrettung stark gemacht und sei ganz klar für offene Grenze für Menschen in Not.
Nachdem Hamburg sich zum sicheren Hafen erklärt habe, müsse sich jetzt die Hafenstadt dafür einsetzen, dass die Seenotrettung im Mittelmeer tatsächlich stattfinden kann, betonte Roop. Auch Hamburg müsse Geflüchteten und Menschen ohne deutschen Pass das Wahlrecht gewähren, damit sie sich an Wahlen beteiligen können.
SeenotretterInnen machen trotz Kriminalisierung weiter
- Margarita Tsomou
- Kathrin Schmidt und Ruben Neugebauer
Bei der Abschlusskundgebung am Spätnachmittag in der Hafenstraße prangerte Moderatorin Margarita Tsomou (Missy Magazine) die rassistische Hetze der CSU, AfD und von Neonazis gegen Geflüchtete und MigrantInnen an. Sie forderte ebenfalls das Bleiberecht für alle Geflüchtete und betonte, dass kein Mensch illegal sei.
Ruben Neugebauer, Mitgründer und Sprecher der Hilfsorganisation Sea-Watch, und Kathrin Schmidt, Einsatzleiterin auf der „Iuventa“, kritisierten die Kriminalisierung der Seenotrettung. Die Würde des Menschen sei im Mittelmeer antastbar geworden, und der Grund dafür sei Rassismus, sagte Neugebauer. Trotz der Repression gegen sie wollten sich die SeenotretterInnen nicht einschüchtern lassen und weiterhin Menschen im Mittelmeer retten, erklärte Schmidt
In der Wüste Afrikas sterben Menschen
- Wesam Alfarawati
- Ignasi Calbó
- Olga Lafazani
- Ibrahim Manzo
Wesam Alfarawati vom „Netzwerk Konkrete Solidarität“ schilderte seine Erfahrung als Geflüchteter der selbst in Seenot geriet. Er forderte mehr Engagement und Solidarität für die Seenotrettung. Weitere Redebeiträge wurden von Ignasi Calbó aus Barcelona, Olga Lafazani von City Plaza Athen und weiteren SprecherInnen von Flüchtlingsorganisationen gehalten.
Der Menschenrechtsaktivist Ibrahim Manzo von „Alarmphone Sahara, Agadez“ war extra aus Niger zu der „Well Come United“-Demo angereist. Er lenkte den Blick auf das Sterben von Geflüchteten und MigrantInnen in der Wüste Afrikas und kritisierte scharf die Flüchtlings- und Abschottungspolitik der EU. Das Sterben in der Wüste Afrikas sei ein nur wenigen bekanntes Phänomen. Es müsse sichtbar gemacht und gestoppt werden, erklärte Manzo.
Nur der Beginn des Widerstands
Nach der Abschlusskundgebung fand das Internationale Abschlusskonzert gegen Rassismus an der Hafenpromenade statt. Dort traten KünstlerInnen und Bands wie Mal Élevé (Irie Révoltés), Neonschwarz, Das Bo und Rapfugees auf. Die OrganisatorInnen werteten am Ende ihre Veranstaltung als Riesenerfolg. Diese Großdemonstration soll der Beginn des Widerstands gegen Rassismus, Abschiebungen und die Kriminalisierung der Seenotrettung gewesen sein.
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