Bei Sonnenschein und Regen kamen am 13. Mai 2014 zirka 450 Personen zur zentralen Wahlkampfveranstaltung der Linken auf den Stuttgarter Schlossplatz. Hauprednerin war Sahra Wagenknecht. Sie forderte einen sofortigen Stopp der Truppenbewegungen und Drohgebärden Deutschlands gegenüber Russland. Partei-Chef Bernd Riexinger kritisierte unter anderem die ungerechte Vermögensverteilung in Deutschland.
Das Publikum harrte trotz heftiger Regenschauer aus, um die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken als letzte Kundgebungs-Rednerin zu hören. Wenn ihrer Partei unterstellt werde, sie gehöre zu den „Russland-Verstehern“, könne sie darin nichts Kritikwürdiges erkennen, sagte Sahra Wagenknecht. Es sei selbstverständlich für Linke, sich für die Belange anderer Länder zu interessieren.
Frieden sei in Europa das wichtigste Ziel. Menschenrechte dürften nicht mit Waffengewalt verteidigt werden. Die Bundesregierung begegne der Situation in der Ukraine mit Sanktionen und Säbelrasseln gegenüber Russland statt mit Dialog und Diplomatie. Die Linke werde dafür kämpfen, dass es kein weiteres Blutvergießen in der Ukraine gibt.
Löhne müssen steigen
Wagenknecht kritisierte auch die Grünen. Sie vergäßen vor lauter Eifrigkeit ihre Aufgaben als Oppositionspartei. Die Grünen sähen sich als zukünftiger Koalitionspartner und packten deshalb die jetzige große Koalition in Watte.
Anders als es Bundeskanzlerin Angela Merkel verlauten lasse, sei die Krise in Europa nicht überwunden. Das könne nur solidarisch und gemeinsam gelingen. Wagenknecht wandte sich gegen kein Europa der Bankenmacht und der Multimillionärsmacht. Sie forderte gute Arbeit, und die Löhne müssten steigen. Es sei Heuchelei, dass die Koalitionspartner CDU und SPD Wahlversprechen gaben, sie bis jetzt jedoch nicht umsetzten. Gerade die große Koalition sei für die schlechte Lohnentwicklung in Deutschland verantwortlich. Die Bundesregierung zerre den Gewerkschaften förmlich den Boden unter den Füßen weg und ändere nichts an der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Es dürfe keine weiteren Kürzungen für Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose geben.
Gabi Zimmer wirbt für hohe Wahlbeteiligung
Wagenknecht bekam für ihre kämpferische Rede großen Beifall. Zum Auftakt der von Verdi-Bezirksgeschäftsführer Cuno Hägele moderierten Kundgebung hatte Gabi Zimmer gesprochen, Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl. Sie forderte, soziale Rechte zu stärken, ob in Ost- oder Westeuropa. Die Europapolitik werde sich nur ändern, wenn sich möglichst viele an der Wahl am kommenden Sonntag beteiligen. In der Ukraine solle die Bevölkerung selbst demokratisch über ihr Land bestimmen können. Die EU spiele bei der Lösung der Krise eine wichtige Rolle. Zimmer forderte, dass sich alle beteiligten Staaten schnell an einen Tisch setzen.
Sie bat den baden-württembergischen Europakandidaten Gotthilf Lorch aus Tübingen auf die Bühne und interviewte ihn. Lorch, selbst Contergan-geschädigt, setzt sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein. Er forderte, dass die fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie endlich in Kraft gesetzt wird. Sie werde hauptsächlich von den konservativen Kräften in der EU, aber vor allem in Deutschland blockiert. Die Richtlinie sei nötig, damit Menschen mit Behinderungen oder Migranten nicht weiter diskriminiert und besser geschützt werden. Lorch tritt auch für Verbesserungen in der Pflege ein. Die Situation in vielen Einrichtungen sei unerträglich. Der Sparzwang führe zu prekären Arbeitsverhältnissen. Deshalb fordert Lorch ein Europa weites Verbot der Privatisierung von Pflegeheimen.
Riexinger: Aufschwung geht an den Schwächsten vorbei
Der Parteivorsitzenden Bernd Riexinger stellte die Stuttgarter Kommunalwahlkandidaten Thomas Adler, Laura Halding-Hoppenheit, Christoph Ozasek, Dagmar Uhlig, Paul Russman und Siegried Bassler vor. Schwerpunktthemen ihres Wahlkampfs sind Stuttgart 21, die Stuttgarter Mietsituation, Diskriminierung, das Sozialticket, Bundeswehr an Schulen, Friedenspolitik und Ökologie.
Riexinger zitierte aus dem OECD Bericht, nach dem der Aufschwung in Deutschland an den sozial Schwächsten vorbei geht. Der Generalsekretär der OECD Angel Gurria hat Deutschland zu sofortigen Reformen aufgefordert. Er riet dazu, die Mehrwertsteuer und Sozialabgaben für Geringverdiener zu senken. Immobilienbesitzer und Reiche müssten dagegen stärker besteuert werden.
Erstaunlicherweise kein Volkaufstand
Alle Menschen müssten freien Zugang zu kulturellen und sozialen Projekten haben, forderte Riexinger. Wichtig sei auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Er sei stark verärgert, dass Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn ausgenommen werden sollen. Löcher gehörten in einen Schweizer Käse, aber nicht in einen Mindestlohn. 8.50 Euro seien schon jetzt schon zu wenig, 10 Euro sei das Mindeste. Überdies dürfte es keine Werkverträge und befristete Arbeitsverträge in der jetzigen Form mehr geben.
„Deutschland hat die ungerechteste Vermögensverteilung in Europa“, sagte Bernd Riexinger. Die Hälfte der Bevölkerung habe überhaupt kein Vermögen. Er wunderte sich, dass es deshalb keinen Volksaufstand gibt.
Die Veranstaltung wurde musikalischer unterstützt von Skazka-Orchestra aus Berlin.
Folge uns!