Leutenbach. „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ heißt eine neue CD von NoRMAhl, die am 10. April erschien. Die Band versteht das jetzt vorgestellte Album auch als Antwort auf „unfassbare Polizeiwillkür und geradezu lachhafte Indizierungen“ mehr als dreißig Jahre alter Songs und eines Albums im vorigen Jahr. Sie hätten den „Punkvierer aus Winnenden noch stärker zusammengeschweißt“.
Der Band gehören der Sänger Lars Besa, Mick Scheuerle (Gitarre), Manny Rutzen (Bass) und Scobo Skobowski (Schlagzeug) an. Sie sehen das neue Album als ihr „wohl stärkstes musikalisches Manifest“. „Es ist mehr als nur eine Platte“, sagt Lars Besa. Das Album sei „ein raues gesellschaftspolitisches Statement zur Zeit“.
„Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ vereint sechs eigene Songs wie „Freiheit“, „Spaß“ oder „Sommer“ und sechs Neubearbeitungen von Liedern wie „Narrenschiff“ von Reinhard Mey, dem „Kapitalistenlied“ von Georg Kreisler oder „Es ist an der Zeit“ von Hannes Wader.
Als Teenager Wegbereiter des Deutschpunks
Ein Jahr lang hat die Band an dem Album gearbeitet. Es wurde in den Atlantis Studios von James Herter aufgenommen und von „Samson“ gemastert. Die Musiker sehen es schlicht als „ein Meisterwerk. Provokant, prägnant, hart“. Es sei ein „satter Linkschuss ins Herz aller konservativen Pegida-Verharmloser und dumpfer Rechtspopulisten“.
Die Mitglieder von NoRMAhl hatten ihr erstes Demoband 35 Jahre zuvor noch als Teenager auf Kassette eingespielt. Damals galten sie als die Wegbereiter des Deutschpunks. Sie verstehen sich als die „First Mover“: „NoRMAhl waren immer die ersten, richtig abgesahnt und kommerzialisiert haben stets andere. Na und!“ 1992 erschien „Kein Hass im Wilden Süden“, eine Mahnung vor Ausländerfeindlichkeit.
Welle der Solidarität für die Band
„Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ sei 2015 das richtige Motto in schwieriger Zeit, so die Band. Wie viele Fans sie hat, habe sich im vorigen Jahr gezeigt. Da habe die Indizierung eines 32 Jahre alten Songs eine Welle der Solidarität ausgelöst. Anhänger hätten eine Facebookseite namens „Bullenschweine in die Charts“ gegründet und den Track zwischenzeitlich auf Position 1 der Amazon-Rock-Charts und bis auf Position 3 in den „I-Tunes-Charts“ gehievt.
Auch viele Zeitungen berichteten über die „überflüssige Aktion eines übereifrigen Staatsanwalts“. Sie habe in Hausdurchsuchungen bei den Bandmitgliedern gemündet (Kommentar von Ferry Ungar). Die Polizeiaktion sei nachträglich als „absolut rechtswidrig“ eingestuft worden. Dafür kam drei Monate später die Retourkutsche: 2014 wurden neben „Bullenschweine“ noch drei weitere über 30 Jahre alte NoRMAhl-Songs indiziert, ebenso die Alben „Ein Volk steht hinter uns“ und „Verarschung Total“.
Indizierung verhindert geplante Werkschau
Anfang 2015 indizierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auch das ebenfalls ungefähr dreißig Jahre alte Album „Live in Switzerland“. Damit sei „auch ein Stück kultureller Zeitgeschichte auf dem Index“ gelandet. Denn die Indizierungsstelle habe damit auch dafür gesorgt, dass NoRMAhl eine gleichzeitig geplante Werkschau nicht veröffentlichen konnte.
„Die komplette Kollektion 1980–2015″ sollte eine Box mit 15 CDs inklusive einer DVD mit abendfüllendem Spielfilm, EPK, bislang noch nie veröffentlichten Tondokumenten und einer kompletten Biografie werden. „Auch diese Alben gehören zu uns und unserer Biografie“, begründet Sänger Lars Besa, warum die Band das Vorhaben nun verwarf .
Die Gefühlslage der Band sei „angesichts dieses unverständlichen Skandals“ ambivalent gewesen. Verarbeitet ist sie in einem der wichtigsten Stücke des neuen Albums: „Freiheit“. Darin heißt es:
Ich will nicht jubeln ich will nicht schrein, für ein Land das mich nicht liebt – Denn ein Vaterland kann mir nur sein: ein Land wo es Freiheit gibt.
Die offizielle Album-Release-Show
Am 24. April 2015 stellte NoRMAhl ihre neue CD erstmals der Öffentlichkeit vor. Die Fans zeigten sich im gut gefüllten Stuttgarter „Universum“ begeistert und feierten ausgelassen mit der Band. Die Live-Show war ein voller Erfolg.
LARS BESA – Sänger
Dichter, Denker und Songwriter, Kopf und Gründungsmitglied der Band – Soloprojekt mit L.A.R.S –
Amateurboxer – hört gerne linksrevolutionäre Liedermacher und Hazy Osterwald.
MICK SCHEUERLE – Gitarren-Künstler
Vollblutmusiker und Musikalienhändler – musikalischer Motor der Band mit dunkler Heavy-Metal-Vergangenheit – spielt in diversen anderen Bands alles von Blues über Country bis Jazz.
MANNY RUTZEN – Mann am Bass
Rockstar von Kopf bis Fuß – spielte bei Bad Habits und Beast of Prey – verehrt Glamrock-Altstars wie Kiss, Sweet und Alice Cooper.
SCOBO SKOBOWSKI – Trommler
Spassvogel mit speziellem Humor – hat immer und für jeden einen dummen Spruch auf Lager – kommt auch mal zu spät zum Gig, wenn ihn der Hunger treibt.
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NoRMAhl – Der Rückblick der Band auf ihre Geschichte:
London, 1977. Die Sex Pistols revolutionieren mit „God Save The Queen“ den musikalischen Zeitgeist. Zusammen mit Bands wie The Exploited oder den UK Subs setzen sie eine Bewegung in Gang, die ihren ersten Slogan „No Future“ längst überlebt und ad absurdum geführt hat: Punk.
Stuttgart, 1980. Nachdem im Stuttgarter Karls-Gymnasium fünf 14-jährige erstmals öffentlich die Grenzen das damals gängigen musikalischen Anstands überschritten haben, und ohne Grundausbildung, aber mit der Fähigkeit, Wut und Frustration in Worte und Töne zu transformieren, missionieren sie auf ihrem ersten Tonträger die ersten Fans für „ihre“ Religion: Deutsch-Punk. “Stuttgart über alles “ enthält 7 Titel.
Winnenden, 2015. 35 Jahre, 5000 Auftritte 50 000 Biere und weit über 800 000 verkaufte Tonträger später zeigt Deutschlands einzige Punkband der ersten Stunde allen Plastik-Poppern den Stinkefinger – mit einem aggressiven authentischen Querschnitt erlebter Popkultur.
1980 rotzen sie die erste EP aufs Band: „Stuttgart über alles“, deren Cover an das der Dead-Kennedys-Single „California über alles“ angelehnt war. Das Label: Mülleimer Records. Die Band um den charismatischen Sänger und Songwriter Lars Besa sorgte vor allem mit provokativen politischen Texten für Aufsehen. 1981 erschien das erste Album „Verarschung total, das 34 Jahre später indiziert wurde!
Im Laufe der 1980er Jahre näherte sich die Band immer mehr dem Fun-Punk an – und wurde sogar von einer Major-Company gesignt. Es entstanden Kultsongs wie “Fraggles”, “Kein Bier vor vier“, „Harte Nächte“ und „Biervampir“.
1992 initiierte die Gruppe mit ihrem Lied “Niemals vergessen” und Gruppen wie Die Fantastischen Vier oder Pur die Aktion “Kein Hass im Wilden Süden” gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Mit rauen Songs a la “Geh wie ein Tiger”, “Trümmertango” oder “Diplomatenjagd” und Alben wie “Blumen im Müll” und “Auszeit” erlangten sie Kultstatus.
1996 löste sich die Band auf – und Lars Besa startete ein Soloprojekt namens L.A.R.S.
Erst 2002 meldete sich die Band zurück – mit neuen Elan und einem hochgelobten Album „INRI 21“. Seither geht es auch wieder auf Tour. 2003 erschien, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums die Best-Of-CD „Das ist Punk“, mit Re-Recordings sämtlicher Songs.
2005 folgte mit „Voll Assi“ ein weiteres Album.
2010 setzte sich NoRMAhl nach über 30 Jahren Punk, mit dem Film und Soundtrack “Jong`r” ihr eigenes künstlerisches Vermächtnis.
2013 wurde der Titel “Bullenschweine” indiziert, die Band Opfer von unglaublicher Polizeiwillkür: Es wurde Hausdurchsuchungen durchgeführt, Comuter beschlagnahmt – ein Staatsakt,der inzwischen höchstrichterlich als “rechtswidrig und illegal” anerkannt wurde. Der Verdacht “Verbreitung volksverhetzender Tonträger” wurde nicht bestätigt.
Dennoch wurde das staatsanwaltliche Kesseltreiben auf kulturhisotrische Dokumente nicht beendet: Und statt einer Entschuldigung wurde 2014 die aus dem Jahre 1981 und 1982 stammenden NoRMAhl-Titel “Bullenschweine”, “Ich entführ ein Kind” sowie die CDs “Ein Volk steht hinter uns” und “Verarschung Total” indiziert. 33 Jahre nach ihrem Entstehen.
2015, Jahre nach ihrer Debüt – CD schlagen NoRMAhl zurück. Ihr mit Spannung erwartetes Album ein agressives Statement zur Zeit: “Friede den Hütten – Krieg den Palästen” enthält eine gelungene Mischung aus sechs eigenen Songs, und Neuinterpretationen von Titeln aus der Feder Reinhard Meys, Hannes Wader, Joe Dassin oder Georg Kreisler. Ein satter Linksschuss ins Herz aller Gleichgültigkeit.
Alle abgebildeten Fotos entstanden bei der offiziellen Album-Release-Show in Stuttgart.
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