Von Sandy Uhl – Radolfzell. Knapp 70 Linke verschiedener Richtungen demonstrierten am Samstag, 21. April, in Radolfzell gegen Nazistrukturen und Behördenwillkür. Ihre Kritik richtete sich gegen das Ordnungsamt, die Polizei und die Bürgermeisterin Monika Laule. Die Demonstration konnte erst so stattfinden, nachdem die OrganisatorInnen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Freiburg eingereicht und Recht bekommen hatten.
Unverhältnismäßig strikte Auflagen, die nach Angaben der OrganisatorInnen zudem schlecht begründet waren, hätten die geplante Demonstration in der Stadt am Bodensee erneut beeinträchtigt. Der Auflagenbescheid enthielt mitunter eine komplette Änderung der Demonstrationsroute einschließlich des Verbots aller symbolisch wichtigen Kundgebungsorte. Zudem hätten sich die TeilnehmerInnen verpflichten müssen, Straßensperren und Gitter eigenständig auf- und abzubauen.
Die OrganisatorInnen ließen die Auflagen von einem Anwalt prüfen. Er wertete die Vorgaben als rechtswidrig und legte beim Verwaltungsgericht Freiburg Einspruch ein. Das Gericht gab den AnmelderInnen der Demonstration in allen Punkten recht. Schon in der Vergangenheit, so die OrganisatorInnen, habe die Stadt Radolfzell immer wieder antifaschistischen Protest kriminalisiert, eingeschränkt und verboten. Das Urteil sei ein Beweis, dass die Stadt mit ihrem Kurs klar rechtswidrig gehandelt und sich über die Versammlungs- und Meinungsfreiheit hinweggesetzt habe.
Umstrittenes Kriegerdenkmal
Zu der Demonstration am Samstag hatten das „Offene Antifa Treffen Konstanz“ (OAT Konstanz), die VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz und das OAT Freiburg und Region aufgerufen. Die Demonstration startete am Bahnhof und bewegte sich durch die Innenstadt in Richtung Luisenplatz zum Kriegerdenkmal. Dort steht eine Statue mit zwei bewaffneten Soldaten, die eine Fahne hochhalten. Darunter ist die Inschrift „Die Stadt Radolfzell ihren in den Weltkriegen 1914-1928 und 1939-1945 gefallenen Söhnen“ zu lesen. Seit mehreren Jahren nehmen „Der Dritte Weg“ und Neonazis den 8. Mai zum Anlass für einen sogenannten „Ehrendienst“ an dem Denkmal. Dabei legen sie unter anderem einen Kranz für die gefallenen Soldaten neben einer Reichskriegsfahne am Denkmal ab.
Bei der Schlusskundgebung am Samstag auf dem Luisenplatz forderten Antifaschistinnen ein Denkmal, das sich nicht von Neonazis für ihre Propaganda missbrauchen lasse, sondern aller Opfer von Krieg und Gewalt gedenkt und nicht nur einiger Soldaten. Das Mahnmal solle so weitgehend verändert werden, dass eine Glorifizierung des Krieges nicht mehr möglich sei.
Kritik an Behördenwillkür und Repression
Weitere neuralgische Punkte bei der Demonstration waren die Stadtverwaltung am Marktplatz, das Dienstgebäude der Polizei und das Ordnungsamt. Die AntifaschistInnen machten bei der Zwischenkundgebung am Marktplatz der Bürgermeisterin Monika Laule Vorwürfe.
Laule habe wohl in einer E-Mail die rechtsextremistische bis neonazistische Kleinpartei „Der Dritte Weg“ darüber informiert, dass das Kriegerdenkmal, nachdem es eingefärbt worden war, frisch geputzt sei. Zuvor hatte der „Dritte Weg“ die Stadt Radolfzell aufgefordert, das Denkmal reinigen zu lassen. Andernfalls wolle sie es selbst säubern, berichtete der Redner.
Vorwürfe gegen Polizei und Ordnungsamt
Beim Dienstgebäude der Polizei kritisierte eine Rednerin die BeamtInnen. Sie kesselten DemonstranInnen ein, verhafteten Menschen und durchsuchten sie, um Neonazis den Weg für ihre Propaganda zu ebnen. Man stehe heute in Radolfzell, um jeder Polizistin und jedem Polizisten ins Bewusstsein zu rufen, dass sie nicht die Freunde und Helfer seien, als die sie sich so gerne ausgäben. Sie spreche mit Verachtung, sagte die Rednerin, da Polizistinnen nachts mit ruhigem Gewissen schliefen, obwohl sie Abschiebungen durchführten.
Scharfe Worte gingen auch an das Ordnungsamt. Eine Rednerin berichtete, dass ein Landwirt, der sich solidarisch gegen Vertreibungen von Sinti und Roma aus Radolfzell zeigte, fast in Beugehaft gelandet sei. Er habe sich juristisch mit existenzbedrohenden Bußgeldern herumschlagen müssen. Auch AntifaschistInnen seien beim Ordnungsamt nicht gerne gesehen, so die Rednerin weiter. Man lege ihnen mit Auflagen und dem Verlegen von Kundgebungen an den Rand der Stadt Steine in den Weg.
Treffen von Mitgliedern des „Dritten Wegs“
Der Demonstrationszug hielt kurz in der Wiesengasse vor einem Haus, in dem vermutlich eine Aktivistin des „Dritten Wegs“ wohnt. Sie soll auch Kontakte zu dem verurteilten Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger pflegen. Ein Anwohner berichtete, dass sich auf dem Grundstück der Aktivistin regelmäßig Mitglieder des „Dritten Wegs“ aus ganz Deutschland und der Schweiz träfen.
Dabei würden wohl auch Aktionen vorbereitet, so der Anwohner. An einem Wochenende im Januar 2017, an dem das Kriegerdenkmal in Radolfzell mit Farbbeuteln beworfen wurde, hätten sich wohl ebenfalls Mitglieder auf dem Grundstück der Aktivistin aufgehalten.
Den Nationalsozialismus aufarbeiten
Die OrganisatorInnen der Demonstration in Radolfzell sehen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg als großen Erfolg. Nur so sei es ihnen möglich gewesen, ein antifaschistisches Zeichen zu setzen. Man wolle auch künftig in Radolfzell demonstrieren, sich Neonazis entgegenstellen und für die geschichtliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus einstehen – besonders des Kriegerdenkmals.
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