Von unseren ReporterInnen – Berlin. „Dieses Jahrzehnt wird unausweichlich von Verteilungskämpfen geprägt sein wie kaum ein anderes in der Nachkriegsgeschichte.“ Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, war Hauptredner beim Jahresauftakt der Linken am Freitag, 10. Januar, im Berliner „Refugio“. Er rief dazu auf, zusammenzustehen und neuerlichen neoliberalen Bestrebungen die Stirn zu bieten.
Dass Verteilungskämpfe unausweichlich seien, begründete Ulrich Schneider damit, dass mit den Babyboomern nun jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen in Rente gingen. Bis zum Ende des Jahrzehnts werde es 3 Millionen Rentner mehr und trotz Zuwanderung 3,8 Millionen Erwerbstätige weniger geben. „Im Gefüge unseres Sozialstaats wird es quietschen“, sagte Schneider, „der Verteilungskampf wird knochenhart“. Es werde um Besitzstände gehen und auch eine Propagandaschlacht geben.
Schneider: „Jeder, der bei uns ist, gehört zu uns“
Schon jetzt gebe es die Forderung nach weiterer „Verschlankung auf dem Arbeitsmarkt“ und einem erneut höheren Renteneintrittsalter. Wenn sich erneut der Fehler durchsetze, nach neoliberalem Konzept auf den Markt zu setzen und soziale Errungenschaften zu schleifen, werde „vom Sozialstaat nichts übrig bleiben“. Die Alternative seien Reformen, die wirklich tragen und große Würfe statt Kleinklein. Um das Soziale und eine Gesellschaft zu erhalten, die alle mitnimmt, was dem Paritätischen besonders wichtig sei, brauche man die Bürger- und Erwerbstätigenversicherung.
Das Sozialsystem sei nur zu retten, wenn „alle, die guten Willens sind, geschlossen zusammenhalten“, wenn man sich nicht spalten lasse und es gelinge, die Menschen mitzunehmen: „Die haben doch längst erkannt, dass es so nicht weitergehen kann.“ Dabei müsse die Richtung klar sein. „Jeder, der bei uns ist, gehört zu uns. Alle sind gleich viel wert“, stellte Schneider unter heftigem Applaus klar – „egal, wo sie herkommen, welches Geschlecht und welchen Glauben sie haben oder ob sie behindert sind“.
Riexinger“ „Die Gewichte nach links verschieben“
Parteichef Bernd Riexinger hatte den Abend eröffnet. Vorausgegangen war eine weitgehend einvernehmliche Klausur der Linksfraktion in Rheinsberg. Auch deren Vorsitzende Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali waren ins „Refugio“ gekommen. Riexinger erinnerte daran, dass das Jahr mit der Ermordung eines iranischen Generals, einem völkerrechtswidrigen Terrorangriff, nicht gut begonnen hatte. Die Bundesregierung eiere nun herum und sei nicht bereit, die Bundeswehr komplett aus dem Irak ab zu ziehen.
Die Linke werde alles dafür tun, Frieden zu erreichen. Das Jahr 2020 läute das Ende der Ära Merkel und des Neoliberalismus ein, der große Verwüstungen hinterlasse. Von rechts werde ein autoritärer Kapitalismus gefordert, während die Grünen ihn zähmen wollten, sagte Riexinger: „Es liegt an uns, ob wir die Gewichte nach links verschieben können. Wir wollen einen sozial gerechten Staat.“
Kipping: „Die Barbarei verhindern“
„Es liegt an uns dafür zu sorgen, dass das Jahrzehnt nicht in der Barbarei und einer Katastrophe endet“, unterstrich auch die Parteivorsitzende Katja Kipping: „Lasst uns gemeinsam soziale Werte erkämpfen.“
Während die Welt nach der Ermordung General Soleimanis den Atem anhielt, sei die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen, „klare, verurteilende Sätze zu diesem völkerrechtswidrigen Angriff zu finden“, kritisierte sie.
Kindler fordert bessere Klimaschutzpolitik
Bevor die Band spielte und mit der Eröffnung des Büffets der gesellige Teil des Abends begann, gab es noch einige kritische Anmerkungen von Jean Philippe Kindler zur Linken. Obwohl selbst Parteimitglied, habe er wegen der nicht genügend konsequenten Haltung der Linken zum Klimaschutz zuletzt die Grünen gewählt. Er erwarte von seiner Partei eine bessere Klimaschutzpolitik. Der Autor las aus zweien seiner Texte: aus „Plädoyer für die Wut“ und aus dem im „Disput“ erschienenen Appell „Ich will wieder die Linke wählen können“.
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