Biberach. Die Abschiebung eines älteren Ehepaars aus dem Landkreis Biberach in den Kosovo nach einem 29 Jahre langen Aufenthalt war aus Sicht des Freiburger Forums „Aktiv gegen Ausgrenzung“ rechtswidrig. Gegen die Abschiebung der Eheleute am 12. Oktober 2020 wurde beim Regierungspräsidium Karlsruhe ein Antrag für eine sofortige Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland eingereicht.
Das Vorgehen sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, da beide Eheleute nachweislich die serbische Staatsangehörigkeit besitzen und dies seit 2012 aktenkundig ist. Die Staatsangehörigkeit sei im September 2020 vom serbischen Generalkonsulat bestätigt worden. Weiterhin sei zu vermuten, dass auch gegen das kosovarische Staatsangehörigkeitsrecht verstoßen wurde, da die Eheleute am 1. Januar 1998 nicht den ständigen Wohnsitz im Kosovo hatten, sondern sich bereits sechs Jahre in der Bundesrepublik Deutschland befanden. Der Kosovo hätte damit einer Abschiebung zu keinem Zeitpunkt zustimmen dürfen.
Das Forum „Aktiv gegen Ausgrenzung“ wirft den Behörden überdies vor, die langjährige Krankheit des Mannes, der auf eine tägliche Medikamentation, regelmäßige Kontrolle und ambulante Behandlung angewiesen ist, „offensichtlich ausgeblendet“ zu haben. Sie hätten sich lediglich daran orientiert, ob das vorliegende aktuelle ärztliche Attest gerichtsfesten Vorgaben entspricht. Das sei unzulässig. Das Landratsamt Biberach habe wie auch das Regierungspräsidium Tübingen von der Erkrankung des Mannes gewusst und auf Grund seiner Erkrankung keine eigene Sicherung des Lebensunterhalts verlangt. Dennoch wurde die Abschiebung vollzogen. Es sei aber Pflicht der Ausländerbehörde, vor einer Abschiebung nochmals eine umfassende ärztliche Prüfung zu veranlassen. Die Erkrankung eines Menschen löst für den Staat konkrete Schutzpflichten aus, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der erkrankten Person.
Das Roma-Ehepaar, 62 und 64 Jahre, sei entgegen allen Vorgaben des RKI während der Corona-Pandemie in katastrophale Lebensverhältnisse in den Kosovo abgeschoben worden, so der Vorwurf des Forums. Im Kosovo gab und gebe es keine entsprechende medizinische Anschlussversorgung. Es finde keine regelmäßige Medikamentation und keine regelmäßige ärztliche Untersuchung statt. Medizinische Leistungen und Medikamente müssten privat bezahlt werden. Die Stadt Peja, in der die Eheleute zurzeit „eine fragwürdige Bleibe“ hätten – durch das Dach regne es herein – habe jüngst erklärt, dass sie keine Ansprüche auf Leistungen hätten. Mit Blick auf die Erkrankung beider Personen sei die Abschiebung insbesondere während der Corona Pandemie grob fahrlässig.
Auch sei die Verwurzelung nach fast 29 Jahren der beiden im Landkreis Biberach, die nach Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention gegeben ist, nicht gewürdigt. 1992 seien beide mit ihren vier Kinder als Analphabeten in die Bundesrepublik geflüchtet. Die Kinder hätten fast alle eine Niederlassungserlaubnis oder die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie seien alle in Beruf und Arbeit. „Die Wiedereinreise muss schnellstmöglich eingeleitet und die Einreisesperre aufgehoben werden“, fordert das Forum.
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