Von Sahra Barkini – Mannheim. Am Samstag, 23. Dezember, wurde der 49-Jährige Mannheimer Ertekin Ö. aus dem Stadtteil Schönau erschossen. Er hatte die Polizei gerufen und angegeben, er habe eine Straftat begangen. Weil damit nach 2022 erneut ein Polizeieinsatz in Mannheim tödlich endete, ruft die Initiative 2. Mai zu einer Kundgebung am Samstag, 30. Dezember, um 15 Uhr am Plankenkopf (O7) in der Mannheimer Innenstadt auf. Bereits am Mittwochabend beteiligten sich rund 500 Menschen an einer Mahnwache nach den tödlichen Polizeischüssen.
Ertekin Ö. war in einem psychischen Ausnahmezustand und hatte ein Küchenmesser bei sich, als die Polizei eintraf. Was sich zutrug, ist in verschiedenen Videos in sozialen Netzwerken zu sehen. Der Mann steht auf der Straße, vor ihm in großem Abstand drei bis vier PolizeibeamtInnen. Die ihn wohl anweisen, das Messer wegzulegen. Er steht die meiste Zeit recht still da oder kniet auch mal. Dies erweckt beim Betrachten der Videos den Eindruck, als wolle er sich ergeben oder warte auf seine Festnahme. Kurz danach fallen relativ unvermittelt vier Schüsse.
Was zum Zustand des Mannes an diesem Tag führte – darüber kann man nur spekulieren. Seine Schwester gab Didf (Demokratik İşçi Dernekleri Federasyonu, zu Deutsch: Föderation der Demokratischen Arbeitervereine) ein Interview. Sie sagte, dass er Ende des Jahres die Wohnung verlassen müsse. Das habe das Jugendamt verlangt. Er lebte bei seinen Eltern, und dort lebten auch seine minderjährigen Kinder, für die seine Mutter die Pflegschaft hat. Ob die drohende Trennung von seinen Kindern zu seinem Zustand führte, ist unklar.
An jenem Samstag verletzte er sich wohl selbst und rief dann die Polizei. Als die BeamtInnen eintrafen, befand er sich auf der Straße. In den in den sozialen Medien kursierenden Videos ist zu sehen, wie ein Mann relativ ruhig im Abstand zur Polizei steht. Er hat ein Messer in der Hand, droht damit aber nicht sichtbar. Er steht die ganze Zeit mit freiem Oberkörper vor den BeamtInnen. Nach den tödlichen Schüssen übernahm das LKA Stuttgart (Landeskriminalamt) die Ermittlungen. In einer gemeinsamen Erklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei heißt es: „Die herbeigerufenen Polizeibeamten trafen vor dem Wohngebäude, zu dem sie gerufen wurden, auf den Mann. Dieser war mit einem Messer bewaffnet und bedrohte die Beamten. Im Verlauf des Einsatzgeschehens machten die Einsatzkräfte von ihrer Schusswaffe Gebrauch. Durch die Schüsse wurde der 49-Jährige verletzt und unter sofortigen Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus gebracht, in dem er später verstarb.“
In den Videos zum Tathergang stellt sich die Situation ein wenig anders dar. Nachdem die vier Schüsse Ertekin Ö. getroffen hatte, gingen die BeamtInnen zu ihm. Es scheint, als legten sie ihm erstmal Handfesseln an. Dies erwähnte auch seine Schwester im Interview. Ertekin Ö. erlag noch im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Polizeipräsident Siegfried Kollmar drückte den Angehörigen seine Anteilnahme aus: „Der Tod eines Menschen im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes ist an Tragik kaum zu überbieten.“ Nach Angaben des LKA wird die Familie psychologisch betreut. Die Mannheimer Initiative 2. Mai hat für kommenden Samstag zu einer Kundgebung aufgerufen.
Die Initiative gründete sich bereits 2022 nach einem tödlichen Polizeieinsatz in der Mannheimer Innenstadt. Ein 47-Jähriger war von PolizeibeamtInnen überwältigt worden. Auch er war psychisch krank und befand sich zum damaligen Zeitpunkt in einem Ausnahmezustand. Er wurde mit mehreren Schlägen traktiert und starb an deren Folge. Der Prozess gegen die beiden Polizisten beginnt am 12. Januar am Landgericht in Mannheim.
Die Stadträtin der Linken Nalan Erol (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende) forderte in einem Interview mit Didf Aufklärung. Sie kritisiert, dass die Polizei aus dem tödlichen Polizeieinsatz vom 2. Mai 2022 keinerlei Konsequenzen gezogen habe.
Die Initiative 2. Mai ruft für Samstag, 30. Dezember, zu einer Kundgebung um 15 Uhr am Mannheimer Plankenkopf (O7) auf. Am Mittwochabend beteiligten sich bereits rund 500 Menschen an einer Mahnwache nach den tödlichen Polizeischüssen.
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