Göppingen. Erneut ging am Samstagnachmittag während des „Summer Festivals“ in Göppingen eine rechte Gruppierung auf die Straße: der sogenannte „Dritte Weg“. Sie protestierte unter anderem dagegen, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beim Landgericht die Anklage gegen vier Neonazis aus dem Raum Göppingen und Esslingen eingereicht hat. Die ungefähr 30 Nazis sammelten sich um 13.20 Uhr vor dem Bahnhof. 20 Polizisten sicherten die Kundgebung der Rechten unter dem Motto „Stoppt die Repressionswut gegen Deutsche Nationalisten“.
Die angereisten Nazis aus Mannheim, Heidelberg, Bodenseekreis, München, Oberfranken und Augsburg stiegen zuvor in Uhingen in den Zug, der aus Stuttgart kam. Im Mittelpunkt der angemeldeten Kundgebung der rechten Gruppierung stand die Forderung, alle nationalistischen politischen Gefangenen sofort freizulassen. Mehrere vorher aufgenommene Redebeiträge wurden von einem Lautsprecherwagen aus abgespielt.
In den Reden hieß es, „dass wütende Beamte des Landeskriminalamts 19 Wohnungen von Nationalisten in den Landkreisen Göppingen, Esslingen und Rems-Murr-Kreis im Februar 2014 durchsucht“ hatten. Auf Transparenten stand „Gegen alle Gesinnungs-Paragraphen! § 129, 130 und 86a FN-Hessen“, auf einem anderen Transparent „Schluss mit der Kriminalisierung, mit der Repression, Feuer und Flamme“.
Göppinger Antifaschisten waren wachsam
Während Oberbürgermeister Guido Till in der Nähe der Rechten die Situation aus sicherer Entfernung beobachtete, sammelte sich eine kleinere Gruppe Göppinger Antifaschisten am anderen Ende des Bahnhofs mit einem Transparent. Sie skandierten friedlich, aber kraftvoll “Nazis raus“. Die Polizei versperrte den Aktivisten den Weg zu der Gruppe der Rechten und hielt sie etwa 30 Meter entfernt auf Distanz.
„Wir zeigen Göppingen, dass wir friedlich sind. Das Bild, das uns immer vorgehalten wird, ist falsch. Wenn sich die Polizei uns gegenüber nicht provozierend und brutal verhält, können und wollen wir uns den Nazis friedlich entgegenstellen“, hieß es von antifaschistischer Seite.
Rechte greifen einen Passanten körperlich an
Um 14.15 Uhr kam es zu einem Wortgefecht mit anschließendem körperlichem Übergriff zwischen einem Anhänger der Rechten und einem Passanten, der das Göppinger Stadtfest besucht hatte. Mehrmals provozierte ein rechter Fotograf wahllos Passanten, indem er sie gezielt abfotografierte. Ein anderer Passant verweigerte das Annehmen eines Flyers, den ein Anhänger der rechten Gruppe verteilte. Er erklärte, dass er „und die anderen Nazis zu ihren Vätern“ nachhause gehen sollen: „Ihr habt hier nichts bei uns zu suchen.“
Der rechte Fotograf fotografierte mehrmals auch diesen Passanten. Der nahm seinen Mut zusammen und ging auf den rechten Fotografen zu. Der Mann sagte ihm, dass er nicht von ihm fotografiert werden wolle, und forderte ihn auf, die Bilder zu löschen. Der rechte Flyer-Verteiler kam hinzu und stieß den Passanten so zurück, dass er zu Boden ging. Die Polizei kam ihm zunächst nicht zu Hilfe, da sie die prekäre Situation nicht erkannte. Die Beamten wurden erst auf das Schreien anderer Passanten hin aktiv und gingen dazwischen. Die Polizei stellte jedoch die Personalien des Angreifers nicht fest und nahm ihn auch nicht mit. Zwei weitere Passanten aus Geislingen riefen der rechten Gruppierung zu „ihr könnt nachhause fahren.“ Das tat sie dann auch, nachdem sie ihre Kundgebung um 14.35 Uhr beendet hatte. Die Neonazis nahmen den Zug um 14.50 Uhr in Richtung Stuttgart.
Erneut ein Runder Tisch
Laut Oberbürgermeister Guido Till soll es gleich nach der Sommerpause einen neuen Termin für einen Runden Tisch geben, um die Situation und das weitere Vorgehen mit der Polizei, Organisationen, Kirchen und Gewerkschaften zu besprechen.
Im Februar 2014 gab es Festnahmen
Im Zug der polizeilichen Ermittlungen waren am 26. Februar dieses Jahres 19 Wohnungen durchsucht worden (wir berichteten). Vier mutmaßliche Rädelsführer der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ wurden damals verhaftet. Gegen weitere 14 Tatverdächtige wurde ermittelt. Der Vorwurf: Sie hätten eine kriminelle Vereinigung mit der Namensbezeichnung „Autonome Nationalisten Göppingen“ gebildet und Straftaten zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele begangen, heißt es von Seiten der Ermittlungsbehörden.
Demnach sollen die Rechtsradikalen seit 2010 zahlreiche Straftaten begangen haben, etwa Verstöße gegen das Versammlungs- und das Waffengesetz, gefährliche und vorsätzliche Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigungen, Volksverhetzung sowie Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Siehe auch: Anklage gegen vier Neonazis
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