Von Dieter Keller, DGB – Fellbach. Der Gemeinderat von Fellbach hat mit Stimmen der CDU, der FDP-nahen FW/FD, der AfD und von Oberbürgermeister Christoph Palm (CDU) am 14. April beschlossen, die Hindenburg- und die Ernst-Heinkel-Straße nicht umzubenennen – und damit aus Sicht des DGB Fellbach, “Hindenburg und Heinkel durch Beibehaltung der Straßennamen weiterhin zu ehren und deren Verbrechen zu würdigen“. Der Gemeinderat habe damit eine große historische Chance vergeben, so der DGB.
Vor 70 Jahren am 17. April fand die Selbstbefreiung des KZ Buchenwald statt. Die Umbenennung wäre auch ein deutliches Zeichen gewesen, die Millionen Opfer von Krieg und Faschismus zu würdigen, so der DGB-Ortsverband Fellbach. Er hat daher am Antikriegstag 2014 – 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und fast 70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg – die Stadt Fellbach und den Gemeinderat aufgefordert, die Hindenburg und die Ernst-Heinkel-Straße in Namen von Antifaschisten und Widerstandskämpfer umzubenennen. Diese Forderung erhielt vielfältige Unterstützung aus der Bevölkerung. Es gab aber auch gewisse Bedenken von Anwohnern dieser Straßen wegen bürokratischer Hindernisse und zusätzlicher Kosten.
Die Mehrheit schlug aus, was der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum Tag des Sieges über Krieg und Faschismus am 8. Mai 1985 in seiner weltweit beachteten Rede formulierte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Für eine Umbenennung stimmten die SPD-Fraktion geschlossen, drei von vier Gemeinderäten der Grünen und Christian Hinrichsen von der Linkspartei.
Hindenburg war Kriegstreiber, Kriegsverlängerer und Wegbereiter des Faschismus. Er hat in voller Überzeugung Hitler die Macht übertragen und das Ermächtigungsgesetz unterzeichnet. Parteienverbote, die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und ihrer Gewerkschaften sowie die Vorbereitung eines Angriffskrieges waren ganz in seinem Sinne. Heinkel war Hitlers Flugzeugkonstrukteur, Wehrwirtschaftsführer, Fabrikant des Todes und Profiteur des Holocaust. Im eigenen KZ beutete er in großen Umfang KZ-Häftlinge bis zu ihrem Tod aus.
Verharmlosung von faschistischen Verbrechen durch führende Kommunalpolitiker
CDU und FW/FD haben im Fellbacher Gemeinderat die überwältigende Mehrheit. Sie und ihre Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Spieth und Ulrich Lenk drangen von Beginn der Auseinandersetzung an darauf, die Straßennamen beizubehalten. Dieses Vorgehen verstecken sie hinter angeblichen Anwohnerinteressen.
Diese Strategie fand die Unterstützung des Oberbürgermeisters Christoph Palm oder ging von ihm aus. Dem diente vor allem die öffentliche Gemeinderatssitzung mit dem Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, Dr. Thomas Schnabel – einem konservativen Historiker, dem der Ruf vorauseilt, gerne faschistische Verbrechen zu relativieren.
Als treuer Diener von drei CDU Ministerpräsidenten – Erwin Teufel, Günther Oettinger und Stefan Mappus – war er offensichtlich der „richtige Gutachter“ für die Stadtverwaltung. Gutachter werden in der Regel so bestellt, dass das Ergebnis herauskommt, das der Auftraggeber gerne möchte. Das Ergebnis war Geschichtsklitterung und die Empfehlung, die Straßennamen zu belassen.
CDU, FW/FD und AFD griffen den Rat begierig auf. Er wurde vertieft und von den Fraktionsvorsitzenden der CDU Hans-Ulrich Spieth und Ulrich Lenk (FW/FD) auf die Spitze getrieben. Lenk und seiner Fraktion ging bei der Forderung des DGB „der Hut hoch“. Seien doch diese so genannten „Antifaschisten“ überwiegend gewaltbereite „Antidemokraten“ gewesen.
Und weiter: Hindenburg und Heinkel müssten als Person des „herrschenden Zeitgeistes respektiert und beurteilt werden“. Auf einen Satz gebracht heißt das: Verbrechen und Gewalttaten des Faschismus sind zu respektieren. Der DGB jedoch vetritt die Auffassung, diese Verbrechen sind weder zu respektieren noch zu rechtfertigen, schon gar nicht zu ehren und würdigen.
Noch bestürzender war die Aussage von Hans-Ulrich Spieth über die brutale Behandlung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in den Heinkel-Werken bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 3. Februar dieses Jahres. „Was wäre mit den Menschen passiert, wenn sie nicht bei Heinkel gearbeitet hätten. Wäre es ihnen vielleicht noch schlechter ergangen?“ fragte er. Zynischer geht es wohl nicht mehr.
Die Schlussfolgerung der CDU daraus ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Sie machte eine „Rolle rückwärts“ indem sie mit neun zu zwei Stimmen gegen ihren eigenen Antrag vom Oktober 2013 stimmte, die Heinkelstraße umzubenennen. Gleichzeitig war es die Brücke für die Beibehaltung der Hindenburgstraße. Die Hindenburgstraße zu belassen und die Heinkelstrasse umzubenennen hätte ja keinen Sinn gemacht. Mit dieser „Rolle rückwärts“ wurde bewusst die DGB-Forderung verhindert.
Floskeln statt Aufklärung!
Auffallend waren Floskeln wie „jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten.“ Oder jeder solle selbst prüfen, wie er sich damals verhalten hätte. Es geht nicht um Gut und Böse. Nicht darum, wie sich der Einzelne oder die vielen Mitläufer verhalten haben oder wie wir uns verhalten hätten. Es geht um die Umbenennung von Straßen von führenden Kriegstreibern, Wegbereitern des Faschismus und Vollstreckern faschistischer Verbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Der Aussage von Herrn Oberbürgermeister Christoph Palm, Hindenburg sei nicht allein daran zu beurteilen, dass er Hitler an die Macht gebracht habe, stimmt der DGB-Fellbach zu. Hindenburg hat das Ermächtigungsgesetz unterzeichnet, war Chef der OHL (Obersten Heeresleitung), Kriegstreiber und Kriegsverlängerer. Damit schickte er Hunderttausende in völlig unverantwortlicher Weise in den Tod.
Umso unverständlicher ist es, dass OB Palm sich gegen eine Umbenennung aussprach und dagegen stimmte. Die Aussagen von Christoph Palm, Hans-Ulrich Spieth und Ulrich Lenk waren ganz offensichtlich eine Steilvorlage für die AfD, die diese begierig aufgriff und sich ihnen anschloss.
In einer Zeit, in der Neonazis eine Blutspur durch ganz Deutschland zogen und ziehen, in der Überfälle auf Asylanten und Asylantenheime auf der Tagesordnung stehen, angesichts des rassistischen Brandanschlags von Winterbach und der immer dreister auftretenden Pegidas wäre eine Umbenennung der Hindenburg- und Heinkelstraße in Namen von antifaschistischen Widerstandskämpfern ein deutliches Zeichen gegen diese Machenschaften gewesen. Sie wäre ein deutliches Zeichen gewesen gegen Ewiggestrige in Wort und Tat, gegen rassistische und neonazistische Gewalttaten von heute.
Der DGB Fellbach wird an der Aufarbeitung der unrühmlichen Geschichte unserer Vergangenheit weiterhin dran bleiben. Gleichzeitig Rassismus, neofaschistische Gefahren und Gewalttaten bekämpfen.
Dieter Keller, Vorsitzender DGB-Fellbach
Hier geht´s zu unseren bisherigen Beiträgen in Sachen Straßenumbenennung in Fellbach.
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