Stuttgart. Wie fühlt es sich an, bei Demonstrationen vor der ersten Reihe zu stehen, im Niemandsland zwischen Fronttransparent und Polizei? Und bei Konflikten womöglich mittendrin? Das fragte Thomas Puls vom Park Funk im Freien Radio für Stuttgart Alfred Denzinger, den Gründer, Herausgeber und Chefredakteur der Beobachter News. Das knapp einstündige Interview mit ihm und der Lokaljournalistin Renate Angstmann-Koch, aktive Gewerkschafterin in der dju (Deutsche Journalisten- und Journalistinnen Union in Verdi), ist jetzt im Internet nachzuhören.
Einen Gegenpol zumindest in kleiner Form gegen die oft einseitige Berichterstattung der klassischen Medien zu schaffen: Das war und ist das Ziel der Beobachter News. Alfred Denzinger fragte sich nach der Lektüre von Berichten über den Protest gegen Stuttgart 21 oder antifaschistische Demonstrationen oft, ob er auf der selben Veranstaltung war. Das stand am Anfang seiner Idee, über die unmittelbare Demobeobachtung hinaus als politischer Journalist zu arbeiten und eine Zeitschrift zu gründen. Heute hat sich die Beobachter News als Online-Magazin im Südwesten und über ihn hinaus einen Namen gemacht.
Auch die JournalistInnen klassischer Medien bemühen sich um wahrheitsgemäße Berichterstattung, betonte Renate Angstmann-Koch. Doch in nahezu allen Redaktionen werden Stellen abgebaut. Zeitaufwendige Recherche wird immer schwerer. Oft bleiben Redaktionen auf die Mitteilungen der Polizei als einzige Quelle angewiesen oder sitzen der zunehmend professionellen Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen auf.
Das Team der Beobachter News ist bei größeren Ereignissen mit mehreren ReporterInnen vor Ort. Es hat die Fotoreportage als Schwerpunkt. „Wir kriegen tatsächlich unmittelbar die Sachen mit. Die Polizei verhält sich da auch uns gegenüber sehr unterschiedlich. Die einen behandeln uns so, als ob wir Demonstranten wären, obwohl es ihnen klar ist, dass wir es nicht sind. Die anderen behandeln uns als Journalisten, wie es sein sollte, und wieder andere noch härter als Demonstranten“, sagt Alfred Denzinger.
Und weiter: „Wir sind denen natürlich ein Dorn im Auge. Es gefällt denen überhaupt nicht, dass wir vor Ort unerschrocken und dicht dran dokumentieren, was da passiert.“ Das mache vielleicht auch den Unterschied zu JournalistInnen anderer Medien, die bestenfalls zu zweit als Textjournalist und Fotograf unterwegs sind und nicht so nah am Geschehen sein können.
Voraussetzung für diese Nähe ist auch das Vertrauen, das ein Medium wie die Beobachter News etwa bei der Stuttgart 21-Bewegung, der Antifa oder bei AktivistInnen aus anderen politischen Bereichen genießt. „Wir verpixeln in der Regel auch die Gesichter zumindest in gewissen Situationen“, sagt Alfred Denzinger – die Gesichter der DemonstrantInnen, aber auch der Polizei.
„Wir haben kein Interesse daran, Polizistengesichter zu veröffentlichen oder gar Steckbriefe, das ist überhaupt nicht unser Ansatz“, stellt der Chefredakteur der Beobachter News klar. „Wir wollen berichten, was geschehen ist. Da interessiert mich das Gesicht des Polizisten nicht und auch nicht des Demonstranten.“ Die Redaktion lasse sich auch auf keinen Fall zum Handlanger der Polizei und des Staatsschutzes machen. Sie gebe niemals Fotos heraus.
Das Interview in voller Länge gibt es hier.
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