Von unseren ReporterInnen – Deizisau. Über hundert NazigegnerInnen verhinderten am Dienstagabend, 16. Februar, dass Anhänger der rechtsextremistischen Kleinpartei „Der dritte Weg“ eine Gemeinderatssitzung in der schwäbischen Kleinstadt Deizisau stören konnten. Die Gemeinde erteilte den Rechten präventiv einen Platzverweis, weil sie mit Randale rechnete.
Mit Ausnahme einiger vorausgeschickter Frauen, die mit Sticheleien zu provozieren versuchten, hielten sie sich an das Aufenthaltsverbot auf dem Marktplatz. Die Provokateurinnen beschwerten sich bei der Polizei, weil sie von Presseleuten fotografiert wurden, hatten aber keinen Erfolg. Insgesamt waren nur vereinzelt Rechtsorientierte unterwegs.
Wegen einer Verwechslung kam es nach der sonst friedlich verlaufenen Kundgebung unter dem Motto „Rechter Hetze entgegentreten“ allerdings zu einem Zwischenfall, bei dem zwei 17-Jährige festgenommen wurden. Gegen sie wird jetzt wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung ermittelt. Sie sollen gegen Polizeibeamte getreten haben.
Dritter Weg verteilte schon einmal Flugblätter vor Ratssaal
Deizisau liegt im Landkreis Esslingen in der Nähe von Stuttgart. Bei einer Bürgerversammlung am 11. Februar, bei der es um Flüchtlingsunterbringung ging, hatten vermummte Mitglieder der Neonazi-Gruppe die Auseinandersetzung mit AntifaschistInnen gesucht. Schon dort gab es ein großes Polizeiaufgebot. Bei einer Gemeinderatssitzung Mitte Januar zum selben Thema hatte „Der dritte Weg“ vor dem Ratssaal Flugblätter gegen Flüchtlinge verteilt.
In der Sitzung am Dienstagabend sollte über die ersten Erfahrungen mit einer Flüchtlingsunterkunft des Landkreises in der Gemeinde berichtet werden. Weil sie das Feld nicht Neonazis überlassen wollte, meldete die Antifaschistische Aktion Esslingen für 18.15 Uhr eine Kundgebung auf dem Marktplatz an.
Polizei umzingelt antifaschistische Kundgebung
Der zugewiesene Versammlungsplatz lag allerdings hinter Bauzäunen. Weil die Polizei den Zugang mit einem Auto versperrte und sich dort niemand zum Demonstrieren einfand, löste der Versammlungsleiter die Kundgebung auf. Die NazigegnerInnen versammelten sich spontan auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Sie wurden von der mit einer großen Zahl von Einsatzkräften aufmarschierten Polizei zunächst sehr eng umzingelt und forderten die Beamten mehrfach auf, sich zurückzuziehen. Nach einer halben Stunde kam die Polizei offenbar zu dem Schluss, dass von den Demonstrierenden tatsächlich keine Gefahr ausging, und zog ihre Einsatzkräfte zurück. Die Antifaschistische Aktion und die VVN Esslingen hielten Redebeiträge. Nach etwa zwei Studnen beendete sie die Kundgebung.
Polizei: Berittene Beamte verhindern Angriff auf Auto
Mit Parolen wie „Alerte, alerta, antifascista“ oder „Nazis gibt’s in dieser Stadt – bildet Banden, macht sie platt“ zogen die TeilnehmerInnen ohne Zwischenfälle in Richtung Bahnhof. Doch plötzlich kamen Lärm und Hektik auf. Die NazigegnerInnen rannten in Richtung des vorherigen Kundgebungsplatzes, wo sie auf halbem Weg von behelmten Polizisten und Polizeipferden empfangen wurden.
Den Hintergrund des Einsatzes brachten weder wir noch ein Kollege der Süddeutschen Mediengesellschaft bei den Beamten vor Ort in Erfahrung. Später gab es jedoch eine Pressemitteilung des zuständigen Polizeipräsidiums Reutlingen. Demnach hätten sich die VersammlungsteilnehmerInnen beim Abmarsch in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine davon sei in Richtung Marktplatz in den Bereich der Baustelle gelaufen und habe sich mit Steinen bewaffnet, „um einen PKW damit zu attackieren“ – so die Polizei. Das hätten dazwischengehende Polizeireiter verhindern können.
Junge Frauen mit Kabelbinder gefesselt
Eine Aktivistin habe jedoch mit dem Fuß gegen das Auto getreten und sei danach vorläufig festgenommen worden. Der Besitzer des Fahrzeugs – ebenfalls ein Versammlungsteilnehmer und von außerhalb – habe jedoch keinen Schaden geltend gemacht. Bei dieser Aktion seien Polizeikräfte aus der Gruppe heraus beleidigt worden. Die beiden wenig später vorläufig festgenommenen 17-Jährigen hätten nach den Beamten getreten.
Bei der Festnahme der Jugendlichen sei die Scheibe eines Pkw zu Bruch gegangen. Das junge Mädchen habe anschließend über Schmerzen am rechten Arm geklagt, musste aber nicht zum Arzt. Nach unseren Beobachtungen ging die Polizei bei der Festnahme ziemlich rücksichtslos vor. Sie drückte junge Frauen auf den Boden und fesselte sie zum Teil mit Kabelbindern. Im Zug dieser Aktion sei es schließlich zu den mutmaßlichen Beleidigungen gekommen.
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