Von Sandy Uhl – Ulm. Am 22. Februar jährt sich der Todestag der Geschwister Scholl zum 75. Mal. Die Ulmer NS-Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl wurden am 18. Februar 1943 an der Universität München verhaftet und kurz darauf hingerichtet. Die AfD Ulm/Alb-Donau löste mit einem Facebook-Posting in Ulm und überregional wie schon im Vorjahr Empörung aus. Inzwischen ist der Beitrag gelöscht.
Der AfD-Kreisverband hatte am 18. Februar auf Facebook einen Bericht des Bayerischen Rundfunks kommentiert und dabei versucht, die Ulmer Geschwister Scholl zu vereinnahmen. Sie hätten ihr Leben für die Freiheit gegeben. Heute versuche die politische Linke, aus deren Widerstand Kapital zu schlagen. Und weiter: „Das ist absurd. Die Geschwister Scholl waren Patrioten, mit den heutigen Linksfaschisten haben die gewiss nichts gemeinsam.“

Dr. Hildegard Kronawitter, 1. Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung. Bildrechte: Weiße Rose Stiftung e.V. / Catherina Hess
Missbrauch der Geschwister Scholl
Auf Anfrage bei der Weiße-Rose-Stiftung in München schrieb uns die Vorsitzende Dr. Hildegard Kronawitter: „Als Weiße Rose Stiftung setzen wir darauf, dass die Botschaft der Weißen Rose von Freiheit, Toleranz und persönlicher Verantwortung, gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit unverfälschbar ist und Menschen bleibend überzeugt. Den Missbrauch der Geschwister Scholl für durchsichtige parteipolitische Zwecke verurteilen wir selbstredend und nachdrücklich.“
„Historisch-politische Erbschleicherei“
Auch Andrea Schiele, Vorsitzende der VVN-BdA Kreisvereinigung Ulm, nahm auf Nachfrage Stellung: „Wenn die AfD schreibt, dass die Geschwister Scholl ihr Leben für die Freiheit gaben, dann haben sie Recht. Die Gleichsetzung von Patriotismus mit ‚gegen links gerichtet zu sein‘ ist schon schwer fragwürdig. Dem Ganzen wird dann allerdings die Krone aufgesetzt mit der vollkommenen Ausblendung dessen, dass die Geschwister Scholl ihr Leben für die Freiheit in einer faschistischen Diktatur gelassen haben, die inhaltlich mit vielen Werten und Äußerungen aus der AfD heraus übereinstimmt. Hätte es die AfD damals schon gegeben, hätte sie sich doch vermutlich in die Reihe derer eingereiht, für die die Mitglieder der weißen Rose als ‚ehrlose Clique kleiner Verräter‘ galten. Ich zitiere hier gerne Professor Peter Steinbach, den einstigen Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, der es ‚historisch-politische Erbschleicherei‘ nennt.“
AfD-Kreisverband löscht Kommentare
Innerhalb weniger Stunden verbreiteten etliche Facebook-Seiten das AfD-Posting weiter. Viele LeserInnen kommentierten direkt auf der Seite des AfD-Kreisverbands teils entsetzt und auch scharf. „Egal wie, irgendwie sieht das schwer nach Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener aus, und da das ein ‚Antragsdelikt‘ ist, kann man nur hoffen, dass nachkommende Angehörige Anzeige erstatten“, schrieb ein User. Andere sprachen von „eigener Entlarvung“ der AfD, wenn sie alle politischen Gegner als links einstufe. Eine Userin warf der AfD vor, die Geschwister Scholl für ihre Hetze zu benutzen.
Viele Kommentare wurden innerhalb kürzester Zeit gelöscht, so dass als erstes die Antwort des AfD-Kreisverbands zu sehen ist: „Für diejenigen, die noch immer gewisse Textverständnisprobleme haben: Wir sprechen uns gegen die Vereinnahmung der Geschwister Scholl durch die extreme Linke aus. Wer hier so aggressiv kommentiert, entlarvt sich selbst“, versuchte sich die AfD einmal mehr als Opfer zu stilisieren, obwohl sie selbst mit dem widersinnigen Begriff „Linksfaschisten“ provoziert hatte.
Eugen Ciresa spricht von den „Gebrüdern Scholl“
Bereits im Februar 2016 hatte ein Facebook-Kommentar des AfD-Kreisverband zu den Geschwistern Scholl unter den damaligen Ulmer Landtagskandidaten von Grünen, SPD und CDU Empörung ausgelöst. Die Rede war von „Geschmacklosigkeit“ (CDU) über „schamlos“ (Grüne) bis hin zu „völlig inakzeptabel“ (SPD), wie die Südwest Presse damals berichtete. Am 22. Februar hatte David Lamm, Vorstandsmitglied des CDU-Stadtverbands, auf Facebook an den Todestag der Geschwister Scholl erinnert. Diesen Beitrag kommentierte der AfD-Kreisverband so: Man fühle sich in Ulm „diesem kämpferischen Geist“ verpflichtet. Damals wie heute laufe in Deutschland „etwas aus dem Ruder“, gegen das man gemeinsam antreten solle. In einem darauffolgenden Interview mit dem SWR sprach der Sprecher des AfD-Kreisverbands Eugen Ciresa von den „Gebrüdern Scholl“, was erneut hohe Wellen schlug.
Konzert mit Esther Bejarano und Mikrophone Mafia
Am Donnerstag, 22. Februar, beginnt im Ulmer Stadthaus um 19 Uhr ein Konzert mit Esther Bejarano und Mikrophone Mafia. Der Veranstalter, die VVN-BdA Kreisvereinigung Ulm, hat das Konzert bewusst auf den Todestag der Geschwister Scholl gelegt. Dieses ungewöhnliche Musikprojekt besteht seit 2009 – „drei Generationen – drei Religionen -drei Kulturen“, so beschreibt es sich selbst.
Esther Bejarano als Zeitzeugin und Microphone Mafia, eine Hip-Hop Band aus Köln, setzen gemeinsam ein musikalisches Zeichen für Toleranz und gegen Ausgrenzung. Esther Bejarano, Tochter des letzten jüdischen Kantors in Ulm, war als junges Mädchen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden und spielte im dortigen Mädchenorchester. Ein Konzertbericht folgt.
- Esther Bejarano
- Kutlu von Mikrophone Mafia
Folge uns!