Von unseren ReporterInnen – München. Während Staats-Chefs, Militärpolitiker und bis zu 50 Rüstungslobbyisten zum 54. Mal im Bayerischen Hof tagten, protestierte das „Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz“ am Samstag, 17. Februar, mit gut 4500 Anhängern bei winterlicher Witterung in München. Das Motto der Demonstration durch die Innenstadt war „Frieden statt Aufrüstung. Nein zum Krieg!“ TeilnehmerInnen zeigten Symbole der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ und der Volksverteidigungseinheiten YPG, um gegen Kriminalisierung zu protestieren und sich solidarisch zu zeigen.
Der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft (DfG-VK) Jürgen Grässlin forderte: „Die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft muss sofort beendet, gelieferte deutsche Kriegswaffen müssen nach Deutschland zurückgeholt und hierzulande verschrottet werden.“ Die Polizei, die mit etwa 500 BeamtInnen das Geschehen am Rande begleitete, nahm mehrere Teilnehmer kurzzeitig fest und führte Personenkontrollen durch.
Die Bundestagsabgeordnete der Linken Christine Buchholz und Jürgen Grässlin empörten sich darüber, dass die Polizei den vorgesehenen Moderator der Schlusskundgebung Kerem Schamberger wegen Zeigens verbotener kurdischer Symbole in Gewahrsam nahm.
„Kniefall deutscher Behörden vor Erdogan“
Bei der Auftaktkundgebung am Stachus trug der Organisator der Anti-Siko-Kundgebung Claus Schreer ein großes Plakat um den Hals mit der Botschaft „Freiheit für Öcalan“. Unter Jubel und begleitet von Rufen aus der Menge heraus „Deutsche Panzer raus aus Kurdistan“ und „Erdoğan Terrorist“ unterstrich Schreer: „Terroristisch ist nicht die PKK, terroristisch ist der türkische Staat.“ Im Bayerischen Hof, den man an diesem Samstagnachmittag symbolisch umzingeln werde, säßen zur gleichen Zeit türkische „Kriegsverbrecher“.
Euphorisch zeigten Teilnehmerinnen bis zum Ende der Veranstaltung auf dem Marienplatz kurdische Fahnen der Frauenverteidigungseinheiten YPJ und der Volksverteidigungseinheiten YPG, die eigentlich nicht zu sehen sein durften, weil sie nach Meinung deutscher Sicherheitsbehörden der verbotenen PKK zuzurechnen sind.
Aktivisten stellen rechten Publizisten
Als sich die ersten Teilnehmerinnen zur Demonstration aufstellten, machten AktivistInnen am Rand der Strecke einen berüchtigten rechten Publizisten aus, der ausschließlich bei der AfD und „PI-News“ veröffentlicht. Sie versuchten ihn daran zu hindern, dass er sich der Veranstaltung weiter nähert.
Daraufhin ging ein kleiner Polizeitrupp zwischen die Kontrahenten. Die Beamten versuchten, sich durch Befragung einen Überblick zu verschaffen. Sie stellten die Personalien der Beteiligten fest. Auch mussten die AktivistInnen sich selbst und ihren Rucksack durchsuchen lassen.
Polizeigewerkschafter Wendt auf Stippvisite
Lächelnd, entspannt und offenkundig zufrieden tingelte der Bundesvorsitzende der „Deutschen Polizeigewerkschaft“ Rainer Wendt am Rande der Proteste entlang. Er suchte offensichtlich Nähe zu den rund 3000 bei der Münchner Sicherheitskonferenz eingesetzten BeamtInnen und führte Gespräche.
Gegen 14.30 Uhr begann die Demonstration. Der Zug bewegte sich über den Maximilians- und Odeonsplatz zur Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz. Während der Demonstration wurden mehrere Personen kurzzeitig festgenommen, unter ihnen Kerem Schamberger.
Nach Polizeiangaben nahmen etwa 2200 Personen an der Demonstration teil. Die Schätzung der Veranstalter lag deutlich höher. Es gab noch weitere Festnahmen, weil zwischen einem Teilnehmer und einem Ordner ein Messer übergeben worden sein soll. Dennoch stuften Veranstalter und Polizei die Demonstration als friedlich ein. Allerdings müssten Demonstranten, die verbotene YPG-Fahnen geschwenkt haben, damit rechnen, dass sie gefilmt wurden und gegen sie noch wegen des Zeigens verbotener Symbole ermittelt wird.
Rechtslage zu gezeigten Flaggen chaotisch
Die Rechtslage zu den gezeigten Flaggen sei absolut chaotisch, erklärte Schreer. Die Verwaltungsgerichte mussten sich im Vorfeld des Protests mit der Sache beschäftigen, da das Aktionsbündniss gegen den Auflagenbescheid Widerspruch eingelegt hatte.
Noch am Freitag hatte zunächst das Verwaltungsgericht München, später dann der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Aktionsbündnisses die Frage geprüft, ob die Stadt das Zeigen verbotener Flaggen etwa von PKK, YPG, YPJ, PYD oder von Öcalan-Fahnen untersagen darf. Am Ende wurden die Auflagen abgeschwächt. Das änderte jedoch für die Polizei nichts an dem „Anfangsverdacht“, dass das Zeigen dieser Fahnen nach dem Vereinsgesetz strafbar ist.
Azad Binöl vom Bündnis „Hände weg von Afrin“ warf der deutschen Justiz vor, türkische Regimekritiker zu kriminalisieren: „Wir sehen das Verbot als Geschenk von Deutschland an den Despoten Erdoğan, um weiter möglichst viele Waffen an die Türkei zu exportieren.“ Die Kurden-Miliz YPG sei bei der Befreiung von Nordsyrien „die schlagfertigste Kraft gegen den IS gewesen, wir finden nicht gut, dass hier Personen kriminalisiert werden“.
Grässlin: „München ist die Waffenhauptstadt“
Während der Demonstration forderten die TeilmehmerInnen ein „Ende der Waffenexporte“, „Freiheit für Kurdistan“, mehr Geld für Schulen, Bildung und Soziales. Viele riefen auch zu Solidarität mit Flüchtlingen auf. „Wer Waffen sät, erntet Fluchtlinge“, skandierte ein Pulk aus etwa 250 Personen.
Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DfG-VK, kritisierte in seiner Rede auf dem Marienplatz bei der Abschlusskundgebung, dass „nirgendwo sonst in der Bundesrepublik so viele Waffen produziert“ würden wie in München. München sei die „Waffenhauptstadt Deutschlands“. Von Bayern aus würden „Kampfpanzer, Kampfhubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und Startanlagen für gelenkte Raketen auf die Schlachtfelder der Welt exportiert.“
„Gelieferte Kriegswaffen verschrotten“
Deutsche Regierungspolitiker und Rüstungsmanager tragen laut Grässlin durch die Aufrüstung der türkischen Armee zur militärischen Eskalation bei. Grässlins Forderung: „Die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft muss sofort beendet, gelieferte deutsche Kriegswaffen müssen nach Deutschland zurückgeholt und hierzulande verschrottet werden.“
„Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass deutsche Soldaten im Nahen und Mittleren Osten im Einsatz sind, und gleichzeitig am Rande der Sahara, und gleichzeitig in Litauen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Linken Christine Buchholz. Erst am Vortag habe Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mehr Entschlossenheit beim militärischen Einsatz gefordert.
Die Menschen fliegen vor Krieg und Armut
Krieg und Armut zwängen Menschen in die Flucht, so die Bundestagsabgeordnete der Linken Christine Buchholz. Es sei zynisch, dass die Große Koalition Obergrenzen und Lager für Flüchtlinge einführen wolle. „Hören sie endlich auf, Flüchtlinge zu bekämpfen“, forderte Buchholz: „Wir wollen keine Kriegsbeteiligung – weder alleine noch im Rahmen der EU.“
Der Koalitionsvertrag sei ein friedenspolitischer Offenbarungseid, erklärte die Linken-Abgeordnete. Die Bundesregierung trage ihren Anteil zur Anheizung des internationalen Rüstungswettlaufs bei. „Das macht den Frieden unsicherer“, stelle Buchholz fest, und weiter: „Vor hundert Jahren wurde der Weltkrieg durch Widerstand beendet. Vor fünfzig Jahren hat eine internationale Protestbewegung die USA gezwungen, den Krieg in Vietnam zu beenden. Es ist die internationale Solidarität von unten, die uns stark macht. Stoppen wir ihre Kriege – Wir haben eine Welt zu gewinnen!“
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