Von Andreas Scheffel und Alfred Denzinger – Ellwangen. Etwa 200 Menschen demonstrierten am Mittwoch, 9. Mai, in Ellwangen gegen Abschiebung und Kriminalisierung von Geflüchteten. Bei einer Pressekonferenz kritisierten Flüchtlinge den Polizeieinsatz in ihrer Unterkunft vor über einer Woche und die Berichterstattung vieler Medien, die zumeist allein auf Aussagen der Polizei beruhte. Der Anwalt des Geflüchteten aus Togo legt Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.
Nach dem massiven Einsatz der Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen, aus der ein junger Togoer abgeschoben werden sollte, haben Flüchtlinge gegen Polizei und Medien Vorwürfe erhoben. Die Begründung für den Einsatz hunderter Polizisten in der Nacht zum 3. Mai sei weitgehend konstruiert gewesen, erklärten mehrer Sprecher vor den Toren der Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) in Ellwangen.
Die Flüchtlinge sprechen von einem „bürgerkriegsähnlichen Polizeieinsatz“ und werten das Geschehen als gewollte Kriminalisierung. Am Montag, 30. April, hatten BewohnerIinnen der LEA die Abschiebung des togoischen Geflüchteten verhindert. Der Mann sollte nach der Dublin-Verordnung nach Italien als erstes EU-Land, in das er einreiste, überstellt werden.
Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir
Der Flüchtling, der bei dem erneuten Einsatz der Polizei mit einem Großaufgebot festgenommen wurde und nun inhaftiert ist, hat über seinen Rechtsanwalt Engin Sanli Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Sein Mandant sei in seinen Grundrechten verletzt worden, so der Anwalt.
In der Einladung zur Pressekonferenz und im Aufruf zur Demonstration hieß es: „Wir rufen alle demokratisch gesinnten Menschen auf, sich an der Demonstration zu beteiligen und diese zu beschützen. Unterstützen sie unseren gerechten Protest und hören sie uns zu, was wir als Betroffene zu dem Polizeieinsatz zu sagen haben. Viele von uns sind durch den bürgerkriegsähnlichen Polizeieinsatz tief verunsichert.“
Verängstigt und besorgt
Bei der Pressekonferenz erklärten mehrere Flüchtlinge, den Polizisten hätten beim ersten Einsatz nicht 150, sondern nur 50 Personen gegenübergestanden. Man sei verängstigt und besorgt gewesen, nicht aggressiv. Ein weiterer Flüchtling sagte, aus seiner Sicht sei der Großeinsatz der Beamten sehr rabiat gewesen. Das Handeln der Beamten sei unrechtmäßig gewesen.
Ein weiterer Flüchtling betonte, dass die Bewohner der LEA keine Kriminellen seien. „Wir sind aus unserer Heimat geflüchtet vor Krieg, Folter und Misshandlung, um uns in Frieden eine neue Existenz in Europa aufzubauen“, so ein weiterer Redner.
„Stop, stop, stop Deportation“
Nach der Pressekonferenz bildeten die Flüchtlinge vor den Toren der LEA einen Demozug. Mit Schildern, Transparenten, Trommeln und Lautsprecher, zogen sie zur Basilika St. Vitus am Ellwanger Marktplatz. Die Route führte an Cafès, Eisdielen und weiteren Geschäften vorbei. Passanten, die bei schönstem Wetter in Ellwangens Meile bei Kaffee und Kuchen saßen, zückten ihre Handys und machten von der lautstarken Demonstration Bilder und Videos.
Etwas weiter hielt der Demonstrationszug am Rathaus kurzzeitig an. Die Flüchtlinge skandierten „Stop, stop, stop Deportation“. Angekommen am Marktplatz sprachen mehrere RednerInnen zu den Flüchtlingen und den wenigen Menschen, die sich mit ihnen solidarisch zeigten.
Legal, illegal, scheißegal?
Ein Polizeibeamter filmte und/oder fotografierte die DemonstrationsteilnehmerInnen immer wieder. Die rechtliche Grundlage für dieses Verhalten wird das Geheimnis der Polizei bleiben. Diese Polizeipraxis verstößt gegen die „innere Versammlungsfreiheit“. Nach aktueller Rechtssprechung ist das polizeiliche Filmen und Fotografieren in nur ganz wenigen Ausnahmesituationen erlaubt.
- Legal, …
- … illegal, …
- … scheißegal?
Hetze gegen Anwalt auf AfD-Facebook-Tread
Nach einem Eintrag auf der Facebook Seite der AfD Stuttgart, in dem die Partei Engin Sanli als „Spezialdemokraten“ betitelte, reißt die Hetze gegen den Rechtsanwalt und die Verleumdung nicht ab. So fallen Worte wie „sauberer Anwalt“ oder „Winkeladvokat“. In Kommentaren stehen Sätze wie „Gleich mit abschieben“, „“mit ausweisen“, „Zusammen abschieben nach Afrika“.
Doch die Hetze der Verantwortlichen der Facebookseite richtet sich auch gezielt gegen Flüchtlinge. Unter anderem fällt das Wort „Masseneinwanderung“. Verschuldet sei die Situation auch durch die Politik der Kanzlerin Angela Merkel.
Siehe auch „Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir“
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