Essay von Sahra Barkini – Lyon/Stuttgart. In Zeiten, wie diesen, in denen weltweit der Rechtsruck zunimmt, hat Frankreich eine antifaschistische Gruppe verboten. Getroffen hat es die Antifaschistische Gruppe Lyon und Umgebung („Groupe antifasciste Lyon et environs“ kurz GALE). Einer der genannten Gründe: Es seien „polizeifeindliche Parolen“ gerufen worden. Es scheint, als ginge im Élysée-Palast die Angst um, und Emmanuel Macron bangt um seine Wiederwahl. So fischt er nun am rechten Rand.
In den Umfragen vor der Präsidentschaftswahl am 10. April hat der amtierende Präsident nur noch wenige Prozent Vorsprung vor Marine le Pen, der langjährigen Parteichefin des als rechtsextrem eingestuften Rassemblement National (ehemals Front National). Die Kandidatin stellt sich inzwischen als weichgespült dar.
Faschisten und AntifaschistInnen in einen Topf geworfen
Vor knapp zwei Wochen nahmen sich Staatschef Macron und sein rechtslastiger Innenminister Gérald Darmanin die politische Linke vor. Nach der üblichen Manier bürgerlicher Parteien wurden Faschisten und AntifaschistInnen in einen Topf geworfen und das Hufeisen geschwungen. Die Pariser Tageszeitung „Le Monde“ titelte noch im Oktober über die AntifaschistInnen aus Lyon, „sie haben sich gegen die extreme Rechte organisiert“. Und nun, nach 40 Jahren, vergreift sich die Französische Regierung an der linken Bewegung.
Der Innenminister hatte bereits im März 2021 die faschistische Gruppierung „Géneration Identitäre“ aufgelöst. Der rechten Organisation wurde eine „zu Hass und Gewalt gegen Fremde und die muslimische Religion anstachelnde Ideologie“ bescheinigt. Unterstützt wurde das Verbot durch ein Urteil der Richter des Staatsrates. Und dies soll nun auch als Grund für das Verbot der AntifaschistInnen herhalten. Dies wirkt grotesk, denn in Posts auf Facebook sieht man immer wieder ein Transparent der GALE, auf dem steht: „Feministische Antifaschisten – Gegen die Islamophobie“. Also kein Hass, sondern Solidarität. Solidarität mit FranzösInnen, die während des aktuellen Wahlkampfes immer wieder Ziel der Attacken des faschistischen Kandidaten Eric Zemmour wurden.
Die nun verbotene Gruppe GALE besteht aus einem Kern von vielleicht 50 Menschen und einigen hundert UnterstützerInnen aus der HausbesetzerInnen-Szene und AnarchistInnen. Im vergangenen Oktober mobilisierten sie mindestens 3000 DemonstrantInnen auf die Straßen von Paris und warnten vor einem neuen Ausbruch alter faschistischer Ideen. Die getragen werden von der politischen Rechten. Mit bei der Demonstration waren auch Fahnen der Gewerkschaft CGT, der Sozialisten, der Kommunisten und der Grünen (EE-LV). Damals sahen die DemonstrantInnen es als gutes Zeichen an, dass die Jugend reagiert – jetzt, da der Staat der extremen Rechten mit der Kandidatur Zemmours freie Bahn ließ.
„Wenn ihr keinen Krieg wollt, warum zündet ihr die Lunte an?“
In ihrem letzten Post auf Facebook schrieben die AntifaschistInnen, man könne ihnen ihre Kanäle wegnehmen, aber nicht ihre Ideologie. Antifaschismus lässt sich nicht durch ein Dekret verbieten. Auf Transparenten, die in Lyon aufgetaucht sind, ist zu lesen: „Eine Revolte, die grollt, löst man nicht auf.“ In einer Pressemitteilung fragten sie: „Wenn ihr keinen Krieg wollt, warum zündet ihr die Lunte an?“
Für den Anwalt der GALE ist das Verbot kein Zufall. Seiner Meinung nach ist es „wahlpolitische Taktik, eine Botschaft an die extreme Rechte, um einen Teil der Wählerschaft zufrieden zu stellen“. Gegen das Verbot haben die AntifaschistInnen Klage eingereicht.
Stuttgarter, Basler und Pariser AntifaschistInnen solidarisierten sich inzwischen mit den AntifaschistInnen aus Lyon.
Siehe auch:
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