Von Sahra Barkini – Neustadt-Hambach. Auf dem Hambacher Schloss gab es am 28. Mai eine Versammlung, die Personen aus dem „Querdenker“-Spektrum organisiert hatten. Unter dem Motto: „Deutschland steht auf“ zogen 2800 überwiegend in weiß gekleidete Menschen Richtung Schloss. An der Kundgebung im Schlosshof nahmen 1500 Menschen teil. Organisiert wurde der Aufzug von Dr. Wolfgang Kochanek. Er verglich eine Woche zuvor auf einer von Querdenkern veranstalteten Kundgebung in Stuttgart die deutsche Justiz mit NS-Richter Freißler. Außerdem verglich er die BRD mit dem Mullah Regime im Iran.
Bereits im Jahr zuvor hatten 3000 in weiß gekleidete Menschen das gleichzeitige Demokratiefest gestört. Das Hambacher Schloss gilt als „Wiege der Demokratie“ in Deutschland. Alle zwei Jahre wird dort anlässlich des Hambacher Festes von 1832 eine dreitägige Demokratiefeier ausgerichtet. Im Jahr 1832 waren zirka 25 000 Menschen zum Hambacher Schloss gezogen. Sie forderten Meinungsfreiheit und Pressefreiheit.
Dies war ein Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte. Anlass war die Unzufriedenheit der pfälzischen Bevölkerung mit Repressionsmaßnahmen der bayerischen Verwaltung. Sie hatte in den Jahren nach 1816 wichtige Errungenschaften zurückgenommen, die dem Volk in der Zeit der Zugehörigkeit zu Frankreich gewährt worden waren. Nachdem die bayerische Obrigkeit eine strenge Zensur eingeführt und politische Kundgebungen verboten hatte, gaben die Organisatoren die Veranstaltung als „Volksfest“ aus. Die Pfälzer fanden Unterstützung bei zahlreichen anderen Volksgruppen und Einzelpersonen. (Quelle: Wikipedia).
In diesem Jahr gab es kein offizielles Fest. So hatte das „Querdenker“-Milieu die gesamte Kulisse für sich und nutzte das auch. Dem Gründer der „Querdenker711“-Bewegung, Michael Ballweg, der bis vor kurzen noch wegen des Verdachts der Geldwäsche und Betruges in Stuttgart-Stammheim inhaftiert war, wurde ein „Friedens- bzw. Demokratiepreis“ verliehen. Dieser ist auf 10 000 Euro dotiert und gestiftet von Dr. Markus Krall, von September 2019 bis November 2022 Mitglied und Sprecher der Geschäftsführung der Degussa Goldhandel GmbH.
Die Bevölkerung und auch die Stiftung Hambacher Schloss machten mit Transparenten und Kreideschriftzügen deutlich, was sie von der rechten Vereinnahmung des Schlosses hielten. So war mehrfach zu lesen „Hambach ist bunt“ und „Setzen wir dem weißen Spuk ein Ende“. Auch eine Gruppe von AntifaschistInnen bezog Stellung gegen diesen „weißen Spuk“, der vielfach aus Personen des „Querdenker“ Spektrums bestand. Neben Kochanek war auch der Chef der Werte Union Max Otte (er kandidierte für die AfD zur Wahl des Bundespräsidenten) vor Ort. 2018 war er Anmelder der Demonstration (siehe Protest gegen Vereinnahmung des Hamacher Fests).
In einer ausführlichen Stellungnahme der Stadtratsfraktionen der SPD und der Grünen hieß es unter anderem: „„Wir sehen mit Sorge, dass sich Neustadt und das Hambacher Schloss seit 2018 zu einer neuen ‚Pilgerstätte‘ demokratiefeindlicher, rechtspopulistischer bis rechtsextremer Strömungen entwickelt.“ Die politische Auseinandersetzung mit allen Interessensgruppen sei wichtig. Allerdings präsentiere der Verein „Die Weißen“ keine konstruktiven Vorschläge für die Gesellschaft präsentiert. Die Sprache der „Weißen“ sei mit Formulierungen, dass Mitarbeitende der Stiftung Hambacher Schloss „entsorgt“ gehörten und in Deutschland „Staatsterror“ herrsche, in einem demokratischen Diskurs nicht mehr akzeptabel.
Kritisiert wird insbesondere der vom Organisator des weißen Demonstrationszug Wolfgang Kochanek eingeladene Markus Krall. Krall setze sich für ein Klassenwahlrecht und die Einführung eines (Wahl-)Königs mit ausgeprägten Veto-Rechten ein. Dies sei eindeutig gegen das Grundgesetz und alle Prinzipien der Hambacher Demokratie-Idee gerichtet.
Die Stiftung Hambacher Schloss hatte sich im Vorfeld bereits von der Kundgebung distanziert, da sie in ihr eine unzulässige Vereinnahmung des Hambacher Festes sah. So hieß es in einer Pressemitteilung: „Die Stiftung Hambacher Schloss verurteilt jegliche Versuche, unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat durch Verschwörungstheorien, systematische Falschinformationen oder unverantwortliche historische Vergleiche zu delegitimieren.“
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