Göppingen. Rund vierzig Männer und Frauen fanden sich am Donnerstagabend, 10. Juli 2014, auf dem Erich-Mühsam-Platz in Holzheim bei Göppingen ein. Die Antifaschistische Gruppe Göppingen hatte zu einer Kundgebung an diesem Ort zur Erinnerung an den unbeugsamen Freidenker aufgerufen.
Zur Überraschung der Veranstalter fanden sich auch viele interessierte Holzheimer BürgerInnen unter den Besuchern. Sie waren durch Flyer auf die Kundgebung aufmerksam geworden.
Zur Geschichte des Freidenkers Erich Mühsam:
Der Todestag Erich Mühsams jährte sich zum 80. Mal. Der 1878 in eine jüdische Apothekerfamilie geborene anarchistische Schriftsteller und Publizist Erich Mühsam wurde vor allem für seine satirischen Artikel und Gedichte bekannt. Als Verfasser zahlreicher Schriften, wie Artikel, Sachliteratur, Theaterstücke, Lyrik oder Prosa bleibt er ebenso in Erinnerung wie durch seinen berühmten Ausspruch „Sich fügen heißt lügen“.
Aufgrund seiner aktiven Beteiligung an der Novemberrevolution 1918 in München wurde er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. 1924 frühzeitig entlassen, zog Mühsam mit seiner Frau nach Berlin, wo er 1933 erneut verhaftet wurde. In verschiedenen Haftanstalten schwer misshandelt, wurde Mühsam im Februar 1934 in das KZ Oranienburg eingeliefert. Die SS ermordete ihn am 10. Juli desselben Jahres. Erich Mühsam hatte sich dem Faschismus nie gefügt.
Zur Kundgebung:
Zu Beginn der Kundgebung trug Ilona Abel-Utz von der VVN-BdA Göppingen Gedichte von Erich Mühsam vor. Sie zitierte aus den Büchern „Der Loreleyerkasten – eine satirische Revue“ sowie „Erich Mühsam und das Judentum“. Unter anderem verlas Ilona Abel-Utz das Liebesgedicht Cleo und Theo und das Lumpenlied.
Janka Kluge, Landesvorsitzende der VVN-BdA, zeichnete den Lebensweg des strebsamen Schriftstellers Mühsam bis zu seinem Tod nach – etwa die Etappen Kindheit und Jugend oder die Zeit in Berlin um 1900 und die Jahre der Wanderschaft sowie der Umzug nach München.
Der Erste Weltkrieg und die Novemberrevolution 1918 in München, Jahre der Haft 1919 bis 1924 und die Entlassung im Zuge der „Hitler-Amnestie“ sowie das Leben in Berlin von Erich Mühsam waren weitere Stationen des Rückblicks. Es folgten die Jahre vor der Machtübernahme der NSDAP, der Reichstagsbrand und der Beginn der Torturen für Erich Mühsam und viele andere. Zuletzt erinnerte Kluge, wie er ins KZ Oranienburg kam.
Klaus Maier-Rubner von der Stolpersteininitiative Göppingen ging auf den lokalen Bezug ein. Besonders hochzuhalten sei durch die Recherche von Klaus Maier-Rubner die Rolle des Göppinger Anarchosyndikalisten Karl Dingler, bei dem Mühsam öfter zu Gast war. Der Werkzeugmachermeister Karl Dingler war der Motor der anarchosyndikalistischen Bewegung Göppingens und darüber hinaus einer ihrer tragenden Säulen für ganz Württemberg. Klaus Maier-Rubner wies auch darauf hin, dass nach der Befreiung Göppingens vom Faschismus durch die US-amerikanischen Truppen Karl Dingler mit den meisten Stimmen in das Göppinger Stadtparlament gewählt wurde. Zusammen mit Hugo Rentschler konnte Karl Dingler gegen die konservativen Stadtparlamentsmitgliedern die Umbenennung des Platzes „Adolf-Hitler-Platz“ in „Erich-Mühsam-Platz“ in Holzheim durchsetzen.
Klaus Maier-Rubner zeigte in seiner Rede auch auf, dass der Weg zur Umbenennung des Platzes zuerst noch auf großen und energischen Widerstand im Stadtparlament stieß. Klaus Maier-Rubner nannte darunter das Stadtparlamentsmitglied Wäschle. Er beantragte zu prüfen, wer dieser Mann „Erich Mühsam“ war. Dem folgten ebenfalls die Beiräte Palmer und Pfeifle. Die übrigen Beiräte waren mit dem Namen „Erich Mühsam-Platz“, so Klaus Maier-Rubner, einverstanden.
Die Antifaschistische Gruppe Göppingen zeigte sich vollkommen zufrieden mit dem Verlauf der Kundgebung. Die Teilnehmerzahl habe sich im Vergleich zum Vorjahr um ein vielfaches gesteigert. „Besonders gefreut hat uns, als wir sahen, wie viele Personen aus Holzheim an der Kundgebung teilgenommen haben“, betonte ein Sprecher der antifaschistischen Gruppe.
Am Ende der Kundgebung wurde eine Schweigeminute zum Gedenken an Erich Mühsam abgehalten.
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