Von Dieter Keller – Backnang. Ein „Alternativer Stadtrundgang“ war Höhepunkt und Abschluss der „Backnanger Befreiungstage“ vom 2. bis zum 9. Mai mit vielfältigen Veranstaltungen. Bernd Hecktor von der Friedensinitiative Backnang begrüßte am Samstag, 9. Mai, unter den Augen des Freiheitsdichters Friedrich Schiller knapp 100 Backnangerinnen und Backnanger beim Schillerplatz zu dem Rundgang.
„Wir sind hier, weil wir als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nicht vergessen wollen, dass unsere Stadt und unser Land vor 70 Jahren von einem mörderischen Krieg und einem verbrecherischen, inhumanen System befreit wurde“, begrüßte Bernd Hecktor die Versammelten: „Wir wollen die Befreiung feiern. Wir sind hier, weil wir gelernt haben, dass die Bürger sich bewegen müssen, wenn sich was Positives im Land bewegen soll. Wir sind hier, weil wir ein Zeichen setzen wollen für eine friedliche, gerechte Welt.“
Das „Wir“ war ein breites Spektrum von ChristInnen, GewerkschafterInnen, AntifaschistIinnen, (VVN/BdA), Parteilosen, Naturfreunden, SozialdemokratInnen, der Initiative Stolpersteine Backnang, Mitglieder der Partei der Linken, der DKP und Jugendlichen vom Juze. Bernd Hecktor erinnerte daran, dass die Faschisten als erste die KPD verboten. Ihr folgten die SPD, die Gewerkschaften und die Vereine der Arbeiterbewegung.
Die Zwangsarbeiter litten am meisten
22 bekannte Antifaschisten – Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter – wurden in das KZ Oberer Kuhberg bei Ulm verschleppt und eingesperrt. Trotzdem gab es vielfachen Widerstand, gerade aus den Reihen der Arbeiterbewegung. Der Schillerplatz sei der richtige Ort, um einer besonders geknechteten Gruppe zu gedenken: der Zwangsarbeiter.
Diese hätten oft unter unmenschlichen Bedingungen, Zwangsarbeit zur Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion und Kriegsgüter leisten müssen. Ohne diese Güter hätte dieser vernichtende Krieg gar nicht geführt werden können. Allein „in der 10 000-Einwohner-Stadt Backnang mit zirka 5000 Arbeitsplätzen wurden zwischen 1500 und 1700 Menschen von ihren Wohnorten vor allem aus Osteuropa verschleppt und in entwürdigende Arbeit gepresst“, sagte Hecktor.
Frieden ist kein Selbstläufer
Vom Schillerplatz führte die Demonstration über das Kriegerdenkmal zum Stolperstein für Elise Volz. Das Kriegerdenkmal erinnert an die mehr als tausend Backnanger Toten des Ersten Weltkrieges. Es war oft Ort von Friedensdemonstrationen. Hier hielt Dekan Wilfried Braun eine sehr beeindruckende Rede mit einem klaren Bekenntnis für den Frieden. Frieden sei „kein Selbstläufer.“ Er müsse immer wieder erhalten und erkämpft werden.
Dekan Braun kritisierte die Rolle der Kirche und führender Kirchenleuten während der beiden Kriege. Er forderte auf, die Rüstungsproduktion zu beenden und die freiwerdenden Gelder für sinnvolle Produktion und sinnvolle Projekte zu verwenden. Am Stolperstein für Elise Volz erinnerte Pfarrer Friedrich Gehring „an ein bis heute unfassbares Verbrechen“, das an Elise Volz und weiteren 26 Backnanger Bürgerinnen und Bürgern begangen wurde. Aus rassistischen Gründen wurden sie ermordet, weil man sie als „lebensunwert“ bezeichnete. Gehring kritisierte das Verhalten seiner Kirche gegenüber den ermordeten „geistigen und physisch kranken Menschen.“
Der 8. Mai sollte gesetzlicher Feiertag werden
Bei der Abschlusskundgebung im Biegel gedachte Bernd Hecktor der Opfer des Zweiten Weltkrieges. Unter starkem Beifall forderte er, den 8. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen. Das wäre sicherlich ein deutliches Zeichen für die Umsetzung von „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus“.
Doch entgegen dieser Lehre und Notwendigkeit träten Rassisten und Neonazis immer dreister und gewalttätiger auf, und „die Bundeswehr mache seit Jahren bei einem Krieg nach dem andern mit.“
Schluss mit der Kriegstreiberei!
Das neu aufgewärmte „Feindbild Russland“, das „Expansionstreben der USA, der EU und der NATO, die Aufstellung einer NATO-Eingreiftruppe für Osteuropa“ und die Führung dieser „Speerspitze“ durch die Bundeswehr sei ein „unverantwortliches Spiel mit dem Feuer“. Damit werde „leichtfertig der Frieden in Europa gefährdet.“ Hecktor forderte, „diese Kriegstreiberei“ zu beenden.
Zustimmung erhielt er vom früheren SPD-Bundestagsabgeordneten und Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung des europäischen Rates Robert Antretter. Er geißelte die unverantwortliche Stimmungsmache gegen Russland. Seine Schlussfolgerung: Nur mit und nicht gegen Russland ist der Frieden machbar.
Musikalisch begleitet wurde der Alternative Stadtrundgang mit zum Thema passender Musik und Liedern der Schalmeienkapelle Schwäbisch Hall, sowie Werner und Finbar Schwarz, Gitarre und Akkordeon. Zum Abschluss gab es im Biegel noch Musik mit der Band TH Number 74.
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