Analyse von Hüseyin Dogru – Frankfurt. Das neue Jahr 2016 bescherte der Türkei ein neues strategisches Bündnis. Beim Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Riad Ende Dezember 2015 einigten sich Ankara und Riad über ihre Nah-Ost-Politik. Heraus kam ein “strategischer Kooperationsrat“ [1] (siehe die Fußnoten unten). Schon 2006 war ein solcher strategischer Kooperationsrat mit 13 weiteren Nationen gegründet worden. An diesem Rat nahmen neben der Türkei, Katar und Libanon auch der Iran und Syrien teil, was die ganze Sache so spannend machte. [2], [3]
Saudi-Arabien versucht nun, wegen seiner eigenen strategischen Vorteile in den benachbarten Ländern aufzuräumen. In Syrien versucht man seit geraumer Zeit, Assad zu stürzen. Im Yemen versucht man, die Hutis aus dem Weg zu räumen, und gleichzeitig einen Kampf gegen den Iran um die religiöse Hegemonie in der Region (Sunniten – Schiiten Konflikt) zu führen und gleichzeitig die Kontrolle über den Golf zu erlangen. All die gesetzten Ziele wird und kann Saudi-Arabien nicht alleine bewältigen. Dafür benötigt Riad einflussreiche und militärisch zahlenmäßig starke Bündnispartner. Hierbei kommen nur Pakistan, Ägypten und die Türkei in Frage.
Ägypten und Pakistan wollen sich nicht in Krieg hineinziehen lassen
Obwohl der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi, der Riad gegenüber verpflichtet ist, gegen die Muslimbrüder putschte und im Anschluss milliardenschwere Kredite von Saudi-Arabien bekam [4] , will er weder im Yemen den Legionär für Saudi-Arabien spielen, noch sich in den Krieg in Syrien mit reinziehen lassen. Im Gegenteil sogar, in der Syrienfrage stehen sich Ägypten und Russland sehr nahe.
Pakistan, das mit einem Tehrik-i-Taliban Problem zu kämpfen hat [5], will ungern in einen religiösen Krieg hineingezogen werden, in dem die schiitische Gemeinde sich auflehnt.
Übrig bleibt noch die Türkei. Einige Ziele Recep Tayyip Erdogans decken sich mit denen des saudischen Königs. Es gibt jedoch auch einige brisante Punkte, in denen Erdogan und der Saudische König Salman ibn Abd al-Aziz nicht der selben Meinung sind. Erdogan will nicht in einer Reihe mit dem ägyptischen Präsidenten Sisi gesehen werden. Saudi-Arabien wiederum sieht es nicht gerne, wie Erdogan die Muslimbrüder im neuen Nahen Osten etablieren möchte. Aber beide Seiten sehen über diese Dinge hinweg, wenn es um die gemeinsamen größeren Interessen geht.
Militärische Zusammenarbeit, aber wie?
Die Nahost-Politik der Türkei ist soweit ausgeartet, dass sie zu ihren eigenen geostrategischen Vorteilen neben der Al-Nusra-Front und dem sogenannten IS jegliche Gruppierungen in Syrien unterstützt, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Dieser neue Traum von einem neuen Nahen Osten, in dem die Türkei eine regional-politische Hegemonialmacht ist, wurde zu einem Alptraum. Sogar vom Balkan, historisch immer wohlgesonnen, gibt es scharfe Töne in Bezug auf die türkische Außenpolitik.
Bei seinem Besuch in Serbien sagte der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu: „Die Türkei hat dazu beigetragen, dass der Balkan an Stabilität gewonnen hat“ (übersetzt aus dem Türkischen) [6]. Kurz darauf folgte die Schelte durch den serbischen Präsidenten (in Bezug auf den Abschuss des russischen Kampfjets): „Ziel (dieses Abschusses) war es, zwei Großmächte gegeneinander aufzuhetzen“ [7].
Das neue Bündnis mit Saudi-Arabien ist die Manifestation der gescheiterten geostrategischen Politik Ankaras. Lange wird dieses Bündnis nicht halten. Erdogan hat bei seinem Besuch in Riad vom 25. Februar bis 2. März 2015 deutlich zu verstehen gegeben, dass es wichtig sei, mit Saudi-Arabien gemeinsam die Opposition in Syrien uneingeschränkt zu unterstützen, um auch den Iran dadurch zu blockieren. Kurz darauf verteidigte Erdogan die militärische Intervention Saudi-Arabiens gegen den Yemen.
Strategische Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und der Türkei
Die Rechnung ging jedoch nicht auf, und das “Yemen-Bündnis“ konnte die Hutis nicht bezwingen, zumal das Konzept im Yemen auch als Modell für die Intervention in Syrien dienen sollte. Nach dem Scheitern des “Yemen-Bündnisses“ ging Saudi-Arabien ein Bündnis mit 34 weiteren islamischen Staaten ein. Niemand wusste so recht, wann und wo diese Koalition gegründet wurde. Einige sogenannte Koalitionspartner wussten nicht einmal von ihrem “Glück“, an ihr teilzuhaben. Die Türkei hat auch diese Koalition unterstützt. Erneut eine inhaltslose Maßnahme.
Nun ist eine strategische Partnerschaft an der Reihe. Die Außenminister Türkei und Saudi-Arabiens gaben gemeinsam bekannt, dass der neue Kooperationsrat in den Punkten Sicherheit, Militär, Wirtschaft, Handel, Energie und Investitionen eine Funktion als Vermittler und Koordinator ausüben wird. „Das Gremium solle sich unter anderem mit Sicherheitsfragen sowie verstärkter militärischer, politischer und wirtschaftlicher Kooperation befassen und auch aktiv und bei Investitionsfragen zu Rate gezogen werden“ [8].
Türkische Regierung befürwortet Massaker Saudi-Arabiens im Yemen
Zuvor hatte die Türkei bekundet, dass sie sich militärisch nicht an der islamischen Koalition beteiligen werde. Aber offenbar hat sich diese Haltung laut der Aussage des türkischen Außenministers Çavuşoğlu geändert: „Wir werden in jeder Phase an dem Mechanismus, der in Riad aufgebaut wird, teilnehmen“ (Übersetzung aus dem Türkischen) [9].
Erdogans Aussage „Wir ziehen die selben Schlüsse in Bezug auf den Nahen Osten. Unsere politischen sowie militärischen Ansichten sind die selben. Wir haben zum Beispiel in Bezug auf die Ereignisse im Yemen die selbe Meinung“ [10] (Übersetzung aus dem Türkischen) zeigt eigentlich, wie sich die Türkei politisch Richtung Saudi-Arabien bewegt. Die Türkei war und ist der einzige Staat, der das Massaker Saudi-Arabiens im Yemen so offen befürwortet.
Dieses Bündnis wird in Riad und nicht in Ankara geformt. All dieser Politik liegt die saudische Iranphobie und der Schiitenhass zugrunde. Gerade weil Saudi-Arabien nicht die erhoffte politische Unterstützung seitens der USA erhielt, wird es aufgrund des Russland-Iran-Bündnisses im Rahmen der Ereignisse in Syrien und im Irak ein neues Konzept auffahren. Weil die Türkei von sich selbst behauptet, der Spielmacher in diesem Zweckbündnis zu sein, schwimmt sie im Kielwasser Saudi-Arabiens.
Der einzige Bündnispartner, den die USA nicht überzeugen konnte
Die gemeinsame Parole lautet: „Solidarität gegen den Terror“. Auf der einen Seite stehen die regionalen Akteure Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, auf der anderen Seite die Global Player USA, Frankreich und Großbritannien. Allesamt bedienen sich einer Rhetorik, die die Unterstützung terroristischer Organisationen wie des IS oder der Al-Nusra-Front und eine Beihilfe zu ihrem Anwachsen negiert.
Die andauernde militärische sowie politische Aggression der Türkei und Saudi-Arabiens sind ein Beweis dafür, dass sogar die USA ihre Bündnispartner nicht davon abhalten konnte, den IS oder ähnliche Organisationen zu unterstützen. Dabei darf man nicht den Fehler machen und glauben, dass die US-Regierung den Friedensboten spielt. Im Gegenteil. Die USA tragen auch dazu bei, dass durch die sogenannte „ Ausbildung der moderaten Rebellen“ terroristische Organisationen in Syrien weiter angeheizt werden.
US-Beziehungen zu Ankara haben sich gewandelt
Dass das Wort der USA bei Saudi-Arabien und den Muslimbrüdern ein Gewicht hat, aber nicht mal die USA zurzeit Erdogan von seinem Traum beziehungsweise Wahn abbringen können, kann man aus der Aussage des Pentagon herauslesen: „Wir haben von Erdogan verlangt, dass er den Nachschubweg der ausländischen Dschihadisten kappt, die in die Türkei kommen. Aber er – stur, was die Wiedererrichtung seines osmanischen Imperiums anbelangt – träumt weiter und hat noch nicht realisiert, in welchem Umfang er damit erfolgreich sein könnte“ [11] („We told him we wanted him to shut down the pipeline of foreign jihadists flowing into Turkey. But he is dreaming big – of restoring the Ottoman Empire – and he did not realize the extent to which he could be successful in this“).
Deswegen gibt es seitens der US-Regierung seit 2013 eine „tragische“ Wendung in Bezug auf die Beziehungen zu Ankara. Die Tage der gemeinsamen strategischen Zusammenarbeit gehören der Vergangenheit an. Heute ist die Beziehung der beiden Regierungen schon soweit ausgereizt, dass die USA befürchten, Ankara könne die NATO in eine Krise hineinziehen; siehe Abschuss des russischen Kampfjets. Dementsprechend werden Vorkehrungen getroffen, um genau dies zu verhindern.
Verlogenes Spiel der EU in der Türkei zulasten der Flüchtlinge
Das einzige, was Ankara am Ende des Jahres 2015 außenpolitisch vorzuweisen hatte, sind die neuen Gespräche über die EU-Beitrittsverhandlungen. Diese Gespräche wiederum werden nicht auf Dauer sein. Der Grund hierfür ist das verlogene Spiel der EU in der Türkei zulasten der Flüchtlinge aus den Krisengebieten.
Parallel dazu werden die militärischen Angriffe und Massaker der türkischen Regierung in den kurdischen Gebieten wie zum Beispiel Sur, Silvan, Cizire, Silopi, Nusaybin etcetera auch dazu beitragen, dass die Türkei, wie schon das Osmanische Reich, die Festung Europa nicht überwinden wird.
Solange die Außen- sowie Innenpolitik Ankaras den Wünschen eines der EU wohlgesonnen Diktators angepasst wird, gibt es wenig Hoffnung für 2016. Für Erdogan. Denn wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass unterdrückte Menschen es immer geschafft haben, Diktatoren zu stürzen.
Anmerkungen:
[1] http://www.hurriyetdailynews.com/saudi-arabia-turkey-to-set-up-strategic-cooperation-council-.aspx?pageID=238&nID=93201&NewsCatID=352
[2] http://kdk.gov.tr/haber/yuksek-duzeyli-isbirligi-mekanizmalari/452
[3] http://aa.com.tr/en/turkey/turkey-has-strategic-cooperation-councils-with-13-countries/292447
[4] https://www.rt.com/news/uae-saudi-egypt-loan-849/
[5] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/terrorangriff-in-pakistan-portraet-der-tehrik-e-taliban-pakistan-kurz-ttp-13324960.html
[6] http://www.gazetevatan.com/basbakan-davutoglu-sirbistan-da-aciklama-yapti-899175-gundem/
[7] http://www.dha.com.tr/sirp-liderden-turkiyeye-sert-suclama_1100539.html
[8] http://www.dw.com/de/schulterschluss-zwischen-saudi-arabien-und-der-t%C3%BCrkei/a-18950532
[9] http://www.zaman.com.tr/gundem_turkiye-ile-suudi-arabistan-arasinda-stratejik-isbirligi-kuruluyor_2335485.html
[10] http://www.cumhuriyet.com.tr/haber/turkiye/456475/_Sunni_ittifak_a_asker_sozu.html
[11] http://www.lrb.co.uk/v38/n01/seymour-m-hersh/military-to-military
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