Von Tape Lago – Worms. Im rheinland-pfälzischen Worms demonstrierten am Samstag, 13. Februar, hunderte AntifaschistInnen und andere BürgerInnen gegen rund hundert Neonazis der Splitterpartei „Der Dritte Weg“. Zum Gegenprotest hatten das antifaschistische Bündnis „Schöner Leben – Nazis stoppen“, „Worms gegen Naziaufmärsche“ und die Luthergemeinde aufgerufen. Trotz der massiven Polizeipräsenz gelang es den NazigegnerInnen, den Fackelmarsch der Anhänger des Nationalsozialismus zu stören und ihre Kundgebungen am Marktplatz und Kriegerdenkmal 1870/71 stark zu übertönen.
Im Vergleich zum geplanten NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2015 verlief im Vorfeld des am 13. Februar angemeldeten „Trauermarschs“ der Neonazi-Partei „Der dritte Weg“ alles ganz anders. Die Stadt habe leider keine rechtlich fundierte Möglichkeit, den Fackelmarsch der Neonazis zu untersagen, kündigte der Wormser Oberbürgermeister Michael Kissel (SPD) an. AntifaschistInnen und BürgerInnen fragen sich aus heutiger Sicht, warum der OB und die Stadt sich damals gegen die NPD engagierten und diesmal nicht? Zudem hielten Ordnungsbehörde und Polizei die Demoroute der Neonazis geheim.
Hatte sich damals der Oberbürgermeister stark gegen die NPD gemacht, weil die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am 1. Mai 2015 in der Stadt sein sollte? In jener Zeit ließ die Polizei den Gegenprotest in Sicht- und Hörweite der Neonazis zu und verzichtete darauf, die Blockaden auf der Demonstrationsroute der NPD mit Gewalt zu räumen, so dass die Neonazis nur 150 Meter laufen konnten (siehe „NPD kam nur 150 Meter weit“).
Bahnhofviertel zum Gefahrengebiet erklärt
Hunderte Polizeibeamten im Zivil und Uniform waren am 13. Februar im Einsatz. Die Hundestaffel hatte offenbar die Aufgabe, Polizeihunde auf GegendemonstrantInnen zu hetzen. Am frühen Nachmittag sperrte die Polizei alle Straßen um den Wormser Bahnhof. Auch alle Nebenstraßen um die Siegfriedstraße, die Teil der rechten Demoroute war, wurden dicht gemacht. Es folgten Personenkontrollen. In dieser Atmosphäre begann kurz vor 15 Uhr die Versammlung der „Luthergemeinde“ am Lutherplatz.
Nach kurzer Zusammenkunft zogen die NazigegnerInnen in einem lauten Demonstrationszug Richtung Bahnhof. Ziel des Zuges war der Bahnhofvorplatz, wo die Neonazis des „dritten Wegs“ ab 17 Uhr ihren „Trauer- und Gedenkmarsch“ starten wollten. Doch sie wurden am Ende der Karmeliterstraße Ecke Siegfriedstraße von der Polizei gestoppt. Ebenso wurden AntifaschistInnen auf dem Weg zum Bahnhof gewaltsam aufgehalten. So wurde das gesamte Bahnhofsviertel zum Gefahrengebiet erklärt. Ziel der Polizei war, den Protest gegen die Neonazis massiv zu behindern, damit diese ungestört aufmarschieren könnten.
Breiter Protest trotz der massiven Polizeipräsenz
Viele NazigegnerInnen, die ihren Protest trotz der starken Polizeianwesenheit kundtun wollten, blieben vor den Absperrungen um den Bahnhof. Sie hielten Plakate, Transparente und rote Karten in den Händen, die dem „Neonazimob“ deutlich machen sollten, dass er in Worms unerwünscht war. Die Mahnwache des Bündnisses „Schöner Leben – Nazis stoppen“ fing wie geplant um 16 Uhr am Berliner Ring vor dem Kreisel an. Bis zu diesem Zeitpunkt kannten die AntifaschistInnen die genaue Demoroute der Neonazis nicht, da die Polizei alle Informationen zu dem Fackelmarsch geheim hielten.
Eines war aber klar: Das antifaschistische Bündnis wollte alles daran setzen, den Neonaziaufmarsch zu stören und zu blockieren. Während der Mahnwache der NazigegnerInnen am Kreisel formierte sich der Demonstrationszug der Neonazis am Bahnhof. Neben Transparenten des „dritten Wegs“ mit Aufschrift „National, Revolutionär und Sozialistisch. Bombenterror gegen Deutschland. Wir gedenken der Opfer!“ waren auch Banner von Faschisten und Antisemiten aus Ungarn auszumachen: der Pfeilkreuzler oder Hungaristen. Die Pfeilkreuzler waren in Ungarn vor allem in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs für den Mord an tausenden von Juden verantwortlich. Dass die Stadt Worms diese Faschisten aufmarschieren ließ, wirft heute Fragen auf.
Als der neofaschistische und rassistische Demonstrationszug um 17 Uhr startete, verstärkte sich der Protest am Berliner Ring. Dort stieß der Fackelmarsch auf einen lauten antifaschistischen Protest. Die NazigegnerInnen riefen: „Nazis raus, es gibt kein Recht auf Nazipropaganda. Ihr habt den Krieg verloren!“ Zudem versuchten die GegnerInnen, den Zug zu blockieren. Doch sie wurden massiv von der Polizei daran gehindert, den Fackelzug zu stoppen.
Nachdem die Neonazis den Kreisel passiert hatten, machten sie sich auf den Weg in die Innenstadt unter massiver Polizeibegleitung. Am Marktplatz angekommen, stellten sie sich auf und begannen mit ihrer Zwischenkundgebung. „Der dritte Weg“ macht die Juden für den zweiten Weltkrieg verantwortlich und nicht die Nationalsozialisten. Die Soldaten des Naziregimes seien die wahren Opfer und Helden gewesen. Deutschland habe den Krieg nicht verloren, sondern ganz Europa sei unter den Bombenterror der Alliierten gefallen.
Auch die Kirche protestierte gegen diese Verdrehung der Geschichte: Es folgte ein lautes, riesiges Glockenläuten, das die Neonazis übertönte. Die Äußerungen des „dritten Wegs“ empörten die NazigegnerInnen. Sie störten durch Pfiffe, Buhrufe und Sprechköre die Zwischenkundgebung der Neonazis und Faschisten massiv.
Nach der Kundgebung am Marktplatz marschierten die Neonazis zum Kriegerdenkmal 1870/71, wo sie ihre Abschlusskundgebung abhielten. Dort trafen Klaus Armstroff und seine Gefolge auf einen lauten antifaschistischen Protest. Die AntifaschistInnen riefen während der Abschlussrede der Neonazis, „Ihr habt den Krieg verloren. Ausschwitz mahnt, Buchenwald mahnt, Nazis raus, geht nach Hause.“ Kurz vor Auflösung der Neonazi-Demonstration, kesselte die Polizei mehrere AntifaschistInnen für eine kurze Zeit ein. Die Polizeipressestelle berichtete später von einem Versammlungsverlauf „ohne Vorkommnisse“. Es war kein schöner Tag für Worms.
Stellungnahme der Interventionistischen Linken Rhein-Neckar zum Fackelmarsch der Nazipartei „Der dritte Weg“ am 13. Februar in Worms:
Stadt Worms ermöglichte rechten Schauermarsch
Am Samstag, den 13. Februar hielt die rechtsextreme Partei „Der Dritte Weg“ in Worms einen „Trauermarsch“ mit ca. 100 Teilnehmer_innen ab. Für Passant_innen bot sich ein erschreckender Anblick: Die bekennenden Faschist_innen liefen in Marschformation durch die Innenstadt, unter anderem vorbei am historischen Judenviertel. Dort, an der Martinspforte, hatten sich ca. 50 Antifaschist_innen spontan versammelt, um ihre ablehnende Haltung lautstark kundzutun. Den rechten Aufzug zu blockieren gelang nicht. Immer wieder wurden Antifaschist_innen gewaltsam daran gehindert, in die Nähe des weiteren Verlaufes der Marschroute zu gelangen.
Ungehindert schwenkten dagegen Teilnehmer_innen des Aufmarsches Fahnen, unter denen sich auch die der ungarischen „Pfeilkreuzler“ befand, einer faschistischen Organisation, die im Zweiten Weltkrieg die Deportationen von Tausenden Juden maßgeblich vorangetrieben hatte. Auch wurde den Nazis erlaubt, mit martialischen Trommeln und Fackeln durch die Straßen zu ziehen und ein Bild vergangener Schreckenstage deutscher Geschichte heraufzubeschwören. An dem Aufmarsch soll sich auch Karl-Heinz Statzberger beteiligt haben, ein verurteilter Rechtsterrorist, der im Jahr 2003 einen Bombenanschlag auf den Neubau der Münchner Synagoge geplant hatte.
Für die Interventionistische Linke Rhein-Neckar, die kurzfristig für den 13. Februar mobilisiert hatte, ist die Zulassung eines solches Nazispektakels ein Skandal. Zwar geht die Verhinderung von Nazi-Aufmärschen alle etwas an. Mit dem Verzicht nicht nur auf ein Verbot, sondern auch jedwege spürbare Auflagen hat die Stadt Worms jedoch klar versagt und der Partei „Der dritte Weg“ die Stadt als Bühne dargeboten für ihre gefährliche Hetze. Diese Bühne kann tödlich sein, besonders in diesen Tagen, in denen täglich Übergriffe auf Geflüchtete erfolgen und deren Unterkünfte brennen.
Auch hielten Stadt und Polizei bewusst Informationen über Termin und Route des Marsches zurück. Trotzdem gelang es Dutzenden Menschen, in Hör- und Sichtweite der Nazis zu protestieren und das abstoßende Schauspiel durch Pfiffe und Rufe zu kommentieren. Darüber hinausgehende Störungen und Blockaden wurden von einem Großaufgebot der Polizei verhindert, die verbissen darauf achtete, den Nazis einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Angesichts der rassistischen Mobs, die sich aktuell im Land wieder aufstellen, ist das kooperative Verhalten der Stadt Worms gegenüber „Der Dritte Weg“ besonders gefährlich und zu verurteilen. Die Zulassung eines solchen Schauermarschs ist ein widerlicher Skandal und verunglimpft nicht nur die Überlebenden vergangener Naziherrschaft sondern gefährdet auch unser aktuelles Zusammenleben. Einen solchen Fehler darf sich die Stadt Worms kein zweites Mal leisten.
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