Gül Güzel – Stuttgart. Über 500 Menschen beteiligten sich am Freitag, 18. März, an einem Fackelmarsch zum kurdischen Neujahrsfest Newroz in Stuttgart. Zu der Demonstration riefen neben der Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland Nav-Dem auch Stuttgarter Friedenskräfte und die MLPD auf.
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstration versammelten sich in der Lautenschlager Straße. Um 18 Uhr begann die Demonstration, bei der Jugendliche Fackeln trugen und Freiheitsslogans gerufen wurden.
Die Polizei war mit starken Einsatzkräften vor Ort. Sie versuchten zu unterbinden, dass Demoteilnehmer „Es lebe Öcalan“ riefen. Diese Parole sei verboten.
Die Demonstration führte von der Lautenschlager Straße in die Stadtmitte und über den Marktplatz zum Schlossplatz, wo die Schlusskundgebung gehalten wurde. Auf der ganzen Strecke wurden Infoblätter zum Newroz an Passantinnen und Passanten verteilt, und ständig wurde ihr Inhalt laut vorgelesen. Auch wurden Slogans gerufen wie „ Es lebe Newroz!, Newroz ist Frieden und Freiheit Feiertag!. Wir begrüßen Frieden und Freiheit Feiertag Newroz! Wir begrüßen den Widerstand und das Ausrufen der Selbstverwaltung in Kurdistan! Es leben Freiheit und Brüderlichkeit der Völker! Erdogan Mörder!“.
Die Teilnehmer der Demonstration kamen etwa um 19.30 Uhr am Schlossplatz an. Dort wurde erneut auf Deutsch, Türkisch und Kurdisch zu Frieden, Freiheit und Widerstand aufgerufen. Begleitet von kurdischen „Davul-Zurna“-Instrumenten gab es Livemusik und kurdische Tänze. Um 20.30 Uhr endete die Kundgebung ohne besonderer Vorkommnisse.
Der Aufruf von Nav-Dem zur bundesweiten Newroz-Kundgebung am 19. März 2016 in Hannover im Wortlaut:
Newroz ist das Symbol des Widerstandes gegen Kolonialismus,
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit
Kurdistan und der Nahe Osten sind auch in diesem Jahr von Krisen, Chaos und außerordentlichen Entwicklungen gezeichnet. Die internationalen Kräfte, die bislang in Syrien einen Stellvertreterkrieg geführt haben, haben sich nun selbst ins Feld begeben, um die Region entsprechend ihren Interessen zu gestalten. Auf der anderen Seite verstärken auch die regionalen, reaktionären Mächte ihre schmutzigen Kriegsmethoden gegen die Bevölkerung, um den Status Quo sowie ihre Interessen zu verteidigen.
Das kurdische Volk hat aus seiner 40jährigen Widerstandserfahrung heraus in Syrien und Nordkurdistan entgegen jeglicher staatlicher Lösungen seine demokratischen Selbstverwaltungen ausgerufen und auch begonnen, diese umzusetzen. Diese Selbstverwaltungen stellen ein Modell für das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben von unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen in Form einer demokratischen Nation dar.
Während dieses Modell für die Bevölkerungsgruppen eine Zukunftsperspektive darstellt, sehen die internationalen und regionalen Kräfte in diesem eine Bedrohung. Vor allem die autokratisch-diktatorischen Regime wie die Türkei haben über die menschenverachtenden Mörderbanden des selbsternannten Islamischen Staates (IS) versucht, dieses Modell in Syrien zu zerschlagen. Als die Selbstverteidigungseinheiten der demokratischen Selbstverwaltungen den IS sowohl in Rojava (Syrien) als auch in Shengal (Irak) erfolgreich zurückgedrängt und ihm eine historische Niederlage zugefügt haben, gerieten die Unterstützerstaaten wie die Türkei in Bedrängnis.
Die demokratische Lösungsperspektive, welche der kurdische Volksvertreter Abdullah Öcalan in seiner Newrozbotschaft 2013 öffentlich machte, führte dazu, dass bei den Wahlen am 7. Juni die Demokratische Partei der Völker (HDP) als ein breites Bündnis unterschiedlicher Volks- und Glaubensgemeinschaften sowie linke, demokratische und liberale Kreise die alleinige Machtmehrheit der AKP durchkreuzten. Die AKP reagierte auf diese Niederlage mit einem zivilen Putsch und aufgezwungenen Neuwahlen.
Nachdem die AKP neben der außenpolitischen Niederlage auch innenpolitisch von den Kurden an ihrem Vorhaben – mit dem Präsidialsystem seine Diktatur zu institutionalisieren –, gehindert wurde, hat die AKP seit dem 8. Juni einen erbarmungslosen Krieg gegen das kurdische Volk sowie gegen die demokratischen Kräfte in der Türkei begonnen.
Die AKP-Regierung hat die Friedensgespräche einseitig eingestellt und eine Rückkehr zur Verleugnungs- und Vernichtungspolitik vollzogen. Ganze Stadtteile werden seitdem über Monate durch Ausgangssperren von der Außenwelt abgeriegelt, das kurdische Volk durch die türkischen Sicherheitskräfte und Sondereinheiten einer Kollektivbestrafung unterzogen. In Folge dieser Politik haben bis heute über 400 Zivilisten, darunter Kinder, Frauen und ältere Menschen ihr Leben verloren. Allein bei den brutalen Angriffen am 7. Februar in Cizre wurden annährend 200 Menschen ermordet.
Die Bundesregierung verstärkt ihre Beziehung zur Türkei
Während der IS für die Türkei weniger gefährlich erscheint als die Kurden, so erscheint für die Bundesregierung die Türkei weniger gefährlich als die Kurden. Die Bundesregierung hält noch immer an seiner Politik fest, die Kurden zur Verhandlungsgrundlage zu machen. Während die AKP-Regierung die 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak gegen Europa erfolgreich ausspielt, erhält die Türkei in ihrem rechtswidrigen Krieg gegen das kurdische Volk grünes Licht und Unterstützung von der Bundesregierung. Die Bundesregierung macht inzwischen kein Geheimnis daraus, dass die Werte wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit interessensbedingt verhandelbar sind.
Wir rufen alle Menschen, die an Freiheit, Frieden, Demokratie und selbstbestimmtes Leben glauben, zur Teilnahme an unserem diesjährigen Widerstandsfest NEWROZ auf. Gemeinsam wollen wir Rassismus, Faschismus, Sexismus eine Absage erteilen und unsere Unterstützung für die Menschen, die gegen reaktionäre und dunkle Kräfte Widerstand leisten, zum Ausdruck bringen.
Es leben die demokratischen Selbstverwaltungen in Rojava und Bakur
Es lebe der Widerstand der Völker
Es lebe Newroz – Fest der Freiheit und Friedens
Nav-Dem
Föderation der Kurdischen Vereine in Deutschland
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