Karlsruhe. Mehrere hundert Menschen versammelten sich am Freitagabend, 8. April, auf dem Karlsruher Stephanplatz, um gegen den erneuten Aufmarsch von Neonazis um die Gruppierung „Karlsruhe wehrt sich“ zu protestieren. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte das „Netzwerk Karlsruhe gegen Rechts“ sowie das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe (AAKA).
Gegen 18 Uhr begannen verschiedene RednerInnen, ihre Standpunkte klar zu machen und die Notwendigkeit von antifaschistischem und antirassistischen Engagement in der heutigen Zeit zu betonen. Neben verschiedenen christlichen und muslimischen Vereinigungen sprach auch ein Vertreter des Offenen Antifa Treffens Karlsruhe (OAT KA), der auf die Entwicklungen der rechten Aufmärsche der letzten Monate einging (siehe unten im Wortlaut).
Um zirka 19 Uhr begann auch die Kundgebung von „Karlsruhe wehrt sich“. Als RednerInnen waren dieses Mal neben der Initiatorin Ester Seitz die bekannte rechte Aktivistin Melanie Dittmer aus Nordrhein-Westfalen, der Republikaner Alois Röbosch und Marcell Meyer aus Pirmasens vertreten. Sie sprachen unter dem Lärm der Gegenkundgebung zu ihrem Gefolge von an die 50 AnhängerInnen. Die mitgebrachten Fackeln wirkten dabei eher deplatziert, da sie bei Tageslicht nicht so richtig zur Geltung kommen wollten. Vermutlich hatten die OrganisatorInnen es verpasst, die vor kurzem erfolgte Umstellung auf Sommerzeit und den dadurch späteren Sonnenuntergang zu berücksichtigen.
Ein Sammelsurium rechter Fahnen
Der anschließende Aufzug der Rechten wurde entlang der Route mehrmals von engagierten AntifaschistInnen gestört. Die Rechten wurden direkt mit dem Gegenprotest konfrontiert, sodass sie ihre Demonstration mehrmals unterbrechen mussten. Auffallend waren ihre vielen unterschiedlichen Fahnen. Die VeranstalterInnen hatten im Vorfeld dazu aufgerufen, alle nicht illegalen Fahnen mitzubringen.
Die Polizei war den Tag über mit Kräften der Bereitschaftspolizei und der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) vertreten. Zwischenzeitlich gab sie einen chaotischen und überforderten Eindruck ab. Ein Fotoreporter der Beobachter News wurde von Beamten in der Ausübung seiner verfassungsmäßig geschützten Tätigkeit behindert, indem sie ihn einkesselten und etwa 20 Minuten festhielten. Bemerkenswert war auch die gewaltsame Festnahme eines Nazigegners durch die BFE, um ihm eine bereits längere Zeit zurückliegende Beleidigung vorzuwerfen. Der Aktivist wurde in Polizeigewahrsam gebracht und erkennungsdienstlich behandelt.
Unser Kommentar: Wo da die viel gelobte Verhältnismäßigkeit war, bleibt wohl Geheimnis der Polizei.
Siehe auch unsere früheren Berichte:
Blamage für „Karlsruhe wehrt sich“ in Mainz
„Widerständler“ machen sich lächerlich
Widerstand gegen Widerstand Karlsruhe
Protest gegen rechten Aufmarsch
Glocken entnerven „Widerstand“
Keine Grenze zwischen Wahn und Rechts
Erneut Widerstand gegen „Widerstand“
„Widerstand Karlsruhe“ unerwünscht
„Widerstand Karlsruhe“ stagniert
„Widerstand Karlsruhe“ versauert im Regen
Weitere Bilder des Tages
Die Rede des Offenen Antifa Treffen Karlsruhe (OAT KA) im Wortlaut:
Liebe Nazigegnerinnen und Nazigegner,
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
vor über einem Jahr versammelten sich hier am Stephanplatz erstmals RassistInnen und Fremdenfeinde verschiedenster Zusammensetzung, um gegen Geflüchtete, Muslime und Andersdenkende zu hetzen. Seitdem finden regelmäßig rechte Aufmärsche dieser Art in der Karlsruher Innenstadt statt. Immer begleitet von antifaschistischem Gegenprotest und einem großem Polizeiaufgebot.
Wir vom Offenen Antifa Treffen Karlsruhe waren von Anfang an dabei und versuchen nun die Entwicklung eben dieser rechten Aufmärsche in den letzten Monaten zu beschreiben:
Zu Beginn war vielen nicht klar, um was für eine Art von Bedrohung es sich bei den Kundgebungen und Aufmärschen überhaupt handelt. Nach dem Vorbild der Dresdner „PEGIDA“ versammelten sich einige hundert, größtenteils unbekannte Gestalten, um dann wild grölend durch die Innenstadt zu ziehen. Nur vereinzelt konnten bekannte organisierte Neonazis von faschistischen Parteien wie zum Beispiel „Die Rechte“ oder der „NPD“ gesichtet werden. Man nannte sich damals noch „PEGIDA Karlsruhe“ oder auch „KARGIDA“ und Thomas Rettig – Mitglied der AfD – hatte die Versammlungsleitung fest in seiner Hand.
Im Sommer letzten Jahres trat dann die erste gravierende Veränderung ein. Ester Seitz, eine junge rechte Aktivistin aus Bayern hatte Karlsruhe für sich als Agitationsraum entdeckt. Auf der Welle des gesellschaftlichen Rechtsrucks reitend, hatte sie es sich zum Ziel gemacht „der Lutz Bachmann Westdeutschlands“ zu werden und der fremdenfeindlichen Bewegung auch hierzulande zu weiterer Größe zu verhelfen.
Was jedoch geschah war etwas anderes. Aufgrund von persönlichen Streitigkeiten mit der Dresdner PEGIDA-Leitung und der Tatsache, dass in Karlsruhe wiederholt rechte RednerInnen eingeladen wurden, die in ihren Aussagen selbst für „PEGIDA“ zu rechts waren, wurde den hiesigen Aufmärschen kurzerhand die „PEGIDA-Lizenz“ entzogen. Man nannte sich von nun „Widerstand Karlsruhe“.
Daraufhin folgte eine Zeit die geprägt war von internen Streitigkeiten innerhalb des Orga-Gremiums und es bildeten sich verschiedene Untergruppen. Während die einen an der ursprünglichen Ausrichtung und des Labels „PEGIDA“ festhalten wollten spalteten sich andere wie der Bruchsaler Neonazis Mathias Bückle zeitweise komplett ab. Dieser ist mittlerweile mit seiner Gruppe „Steh auf für Deutschland“ am Ende angekommen und in die vom Verbotsverfahren bedrohte NPD eingetreten, welche er auch tatkräftig im Landtagswahlkampf unterstützt hat.
Insgesamt nahm die Mobilisierungsstärke der Rechten deutlich ab. Mittlerweile schaffen sie es gerade noch, um zwischen 30 und 60 Personen dazu zu bewegen die regelmäßigen Veranstaltungen zu besuchen. Dem konnte auch durch eine Vergrößerung der Intervalle in denen die Aufmärsche stattfindenden nur bedingt Abhilfe geschaffen werden.
Nach dem Rückzug Thomas Rettigs hat Ester Seitz in der Leitung der Aufmärsche eine federführende Rolle eingenommen und versucht seitdem Ihre Bewegung aus der Bedeutungslosigkeit herauszuführen. Dabei verfolgt sie andere Ziel und wendet andere Methoden an als sie zuvor bei KARGIDA zu beobachten waren. Während zuvor viel Energie darauf aufgewandt wurde sich als „Besorgte Bürger“ darzustellen, die „weder links noch rechts“ seien, wird nun offen der Schulterschluss zu etablieren Akteuren der extremen Rechten gesucht. Unter diesem Hintergrund ist auch der Auftritt Ester Seitzs beim offen faschistischen „Tag der Heimattreue“ der Partei „Die Rechte“ in Bruchsal letzten Monat zu werten.
„Karlsruhe wehrt sich“ – der momentan aktuelle Name unter dem die rechten Aufmärsche hier in Karlsruhe laufen spiegelt eben dies wieder. Mit der erneuten Umbenennung musste Ester Seitz sich zum Einen eingestehen, das ihr „Widerstands-Projekt“ gescheitert war und zum Anderen wurde dadurch eine gezielte Einladung an faschistische Kräfte ausgesprochen. Dies schlägt sich auch im Erscheinungsbild der Kundgebungen und in der Wahl der Kundgebungsmittel wieder. Zu Beginn setzte man nahezu ausschließlich auf schwarz-rot-goldene Fahnen. Mittlerweile sind jedoch auch schwarz-weiß-rote Reichsfahnen sowie Reichskriegsfahnen bei jeder Demo mit dabei.
Was festzuhalten bleibt ist die Erkenntnis, dass die rechten Aufmärsche sich zunehmend radikalisieren. Diese bieten die öffentliche Basis für rechte Brandstifter, Schläger und Mörder. Um dem unsere Perspektive einer besseren, einer solidarischen Gesellschaft entgegenzustellen sind wir hier und heute wieder versammelt.
Hoch die internationale Solidarität!
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