Von Christian Ratz – Heidelberg. Das Deutsch-Amerikanische Institut (DAI) Heidelberg lud in einer Veranstaltungsreihe zum Thema Populismus am Donnerstag, 2. März, ins Kongresshaus Stadthalle Heidelberg ein. Mit dem Juristen und Politiker der Linken Gregor Gysi hatten die Veranstalter einen Publikumsmagneten engagiert. Der Vortrag war ausverkauft, die etwa 1200 BesucherInnen zeigten sich hellauf begeistert. Gysi warnte vor innerparteilicher Arroganz.
Wie kann man dem vermeintlichen Triumph von Populisten politisch begegnen? Und sind die Grabenkämpfe zwischen Rechts und Links nicht überholt, wenn sämtliche Populisten die Unzufriedenen am Rand der Gesellschaft abholen? Gregor Gysi, bis 2015 Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, bemühte sich in seinem Vortrag, Antworten auf diese Fragen zu geben.
Gysi beschrieb den aufstrebenden Rechtspopulismus in Europa, etwa in Frankreich, den Niederlanden, Polen, Österreich, Ungarn und Deutschland mit der AfD. „Wer hätte erwartet, dass es zu einem Brexit kommen würde?“, fragte er das Publikum. Seiner Meinung nach ist die EU „mausetot“, wenn die Front National mit Marine Le Pen in Frankreich an die Regierung kommt.
Erdogan nötigt die Bundesregierung
Populismus sei ein sehr unscharfer Kampfbegriff, sagte Gysi. Populismus sei eine Methode, den politischen Gegner frei von Fakten und ohne Lösungsansätze für konkrete Fragen anzugreifen – und dies mit dem Spaltungsanspruch „Ich bin das Volk“. Er unterschied zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Am Beispiel der österreichischen FPÖ verwies er darauf, dass es im Nachbarland Stimmen gebe, die sagten: „Mit denen kann man noch reden.“
Harsche Kritik äußerte Gysi am populistischen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er erpresse die deutsche Regierung mit dem Flüchtlingsdeal und trete in seinem Land die Menschenrechte mit Füßen. Gleichermaßen kritisierte der Linken-Politiker, dass Deutschland Personal und Waffen in der Türkei vorhält, jedoch gleichzeitig auch Kurden in Syrien im Kampf gegen den IS (Islamischen Staat) unterstützt, die wiederum von türkischen Streitkräften bekämpft werden.
Innerparteiliche Kritik und mehr
Gregor Gysi warnt seine eigene Partei ausdrücklich vor Arroganz gegenüber der kleinbürgerlichen Klasse. Es seien Menschen aus dieser Gesellschaftsklasse gewesen, die der NSDAP zum Erfolg verhalfen. So etwas dürfe sich nicht wiederholen, spielte er auf die in diesem Jahr anstehenden Wahlen an.
Nach Gysis Meinung wurde die SPD unsozial, indem sie eher konservative Positionen übernahm. Der CDU/CSU kreidet er an, sich wie noch nie zuvor aus dem christlich-konservativen Lager entfernt zu haben. Sie brauche dringend eine Ruhepause, um ihre politische Programmatik neu zu finden, ohne SPD-nahe Positionen zu übernehmen. Die nächste, rot-rot-grüne Bundesregierung ohne CDU werde Deutschland einen besseren Dienst erweisen können.
Die weiteren Veranstaltungstermine der Populismus-Reihe des DAI:
12. März mit Richard David Precht – Adieu Fakten?
29. März mit Peter Limbourg – Postfaktische Wahrheit?
30. März Aliens, Satan, CIA? Verschwörungstheorien und ihre Wirkung
Kommentar: Besser ein Podium als ein Vortrag
Gregor Gysi hätte bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern kontroverser Positionen noch besser abschneiden können. Im direkten Diskurs mit dem politischen Gegner liegen seine Stärken. Die konnte er als Gastredner nur eingeschränkt – wenn auch mit Anekdoten gespickt – ausspielen.
Das DAI hätte darauf verzichten können, die zahlenden TeilnehmerInnen der Veranstaltung zum Kauf von Gysis Büchern zu animieren. Autogrammstunde und Selfies mit dem Gastredner gehören wohl zum Geschäft.
Das DAI hat mit seiner Veranstaltungsreihe „Fühlen statt Fakten – Willkommen im Populismus“ in der Metropolregion Rhein-Neckar einen neuen Weg beschritten. Er dürfte in der Gesellschaft zu weiteren Diskussionen führen.
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