Ulm. Nach einem antiziganistischen Brandanschlag am 24. Mai 2019 auf eine Familie aus Frankreich, die sich in Erbach-Dellmensingen in der Nähe von Ulm aufhielt (wir berichteten), wurde am Donnerstag, 12. Dezember, bekannt, dass fünf Tatverdächtige wegen versuchten Mordes vor der Jugendkammer des Landgerichts Ulm angeklagt werden.
Die Angeschuldigten, allesamt deutsche Staatsbürger, fühlten sich laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart durch den Aufenthalt von mehreren Roma-Familien auf einem Wiesengrundstück gestört und fassten gemeinsam den Tatplan, einen Brandanschlag zu verüben. Den Tod von Menschen nahmen sie dabei zumindest billigend in Kauf. Gegen zwei der Angeschuldigten bestand bereits ein Haftbefehl. Laut der Schwäbischen Zeitung vom 13. September 2019 haben die Tatverdächtigen möglicherweise Verbindungen in die Ulmer Fußball-Fanszene. Der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW) geht davon aus, dass das Gericht einen möglichen politischen Hasshintergrund der Tat umfassend aufklärt und im Falle einer Verurteilung die rassistische Tatmotivation im Sinne von § 46 StGB berücksichtigt.
Der VDSR-BW vertritt die Interessen der Familie und wird auch in Zukunft die Opferfamilie mit aller Kraft unterstützen. Die betroffene Familie hat sich der Anklage als Nebenkläger angeschlossen. Die Familie wird von Rechtsanwalt Dr. Mehmet Daimagüler vertreten, der als Nebenklagevertreter in zahlreichen Prozessen, wie zum Beispiel im „NSU-Verfahren“, Opfer politisch motivierter Gewalt vertreten hat.
Daniel Strauß, Vorsitzende des VDSR-BW: „Mir stellt sich die Frage, wie sich junge Menschen so radikalisieren konnten, dass sie bereit waren, für ihr Menschenbild eine für sie unbekannte junge Mutter mit ihrem Kind mit Feuer zu töten. Das erinnert an vergangene Zeiten.“
Siehe auch „Brandanschlag auf Sinti-Familie“ und „Festnahmen nach antiziganistischem Brandanschlag“
Informationen zur Tat
Am 24. Mai 2019 fuhr gegen 23.15 Uhr ein dunkler Kleinwagen an dem Wiesengelände vorbei, wo die Familie mit ihrem neun Monate alten Baby in einem Wohnwagen schlief. Die Insassen des Kleinwagens riefen etwas und warfen eine brennende Fackel in Richtung des Wohnwagens. Diese verfehlte ihr Ziel nur knapp. Zur Tatzeit befanden sich ca. 30 weitere Personen auf dem Wiesengelände in Wohnwägen. Die fünf Angeschuldigten sind zwischen 18 und 20 Jahre alt. Vier von ihnen befinden sich seit Juli in Untersuchungshaft. Bei einem zur Tatzeit noch minderjährigen Angeschuldigten wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 3. Dezember:
„Nach Fackelwurf auf Wohnwagen: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen versuchten Mordes
Kurzbeschreibung: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen fünf Männer im Alter zwischen 18 und 20 Jahren Anklage wegen versuchten Mordes zum Landgericht – Jugendkammer – Ulm erhoben.
Seit dem 14. Mai 2019 hatte sich eine ungefähr 30 bis 35 Personen umfassende und zu der ethnischen Minderheit der Roma zählende Familie mit ihren Wohnwägen auf einem Wiesengrundstück in Erbach-Dellmensingen niedergelassen. Allein durch deren Anwesenheit sollen sich die Angeschuldigten gestört gefühlt haben. Aus diesem Grund sollen sie am 24. Mai 2019, gegen 23:15 Uhr, entsprechend eines zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans aus einem fahrenden Fahrzeug eine brennende Fackel auf einen der Wohnwägen geworfen haben, um diesen in Brand zu setzen. Dabei sollen die Angeschuldigten es zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass sich Menschen im Wohnwagen aufhalten und durch den Brand ums Leben kommen könnten. Tatsächlich befand sich zu diesem Zeitpunkt eine Mutter mit ihrem neun Monate alten Sohn schlafend im Wohnwagen. Da die Fackel jedoch ungefähr 1 bis 2 Meter vom Wohnwagen entfernt landete, bestand keine konkrete Brandgefahr für den Wohnwagen. Durch die Fackel wurden daher im Ergebnis weder Personen verletzt noch kam es zu einem Sachschaden.
Vier der fünf Angeschuldigten befinden sich derzeit in Untersuchungshaft, beim fünften Angeschuldigten wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Sämtliche Angeschuldigten sind deutscher Staatsangehörigkeit.
Das Landgericht Ulm hat nun über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Anberaumung der Verhandlungstermine zu entscheiden.“
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