Heidelberg. Nach den antisemitisch motivierte Angriff mehrerer Burschenschafter auf ein Mitglied der „Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania“ im Haus der Normannia am Abend vom 28. auf 29. August 2020 (wir berichteten) erhebt nun die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD/iL) Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden. Es seien „gefährliche Seilschaften geschaffen“ worden, „die bislang von den Sicherheitsbehörden wissentlich ignoriert wurden“, erklärte die AIHD/iL am Mittwoch, 9. September. Zwischenzeitlich hat sich auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg und das Polizeipräsidiums Mannheim zu Wort gemeldet.
In ihrer Pressemitteilung vom 8. September behauptet die Burschenschaft Normannia zu Heidelberg: „Wir dulden keinen Antisemitismus in unseren Reihen.“ Aber Antisemitismus ist nach Aussage der AIHD/iL nichts, was der Burschenschaft Normannia neu oder fremd wäre. Ihre Reihen seien schon immer antisemitisch. Der aktuelle Vorfall sei also keine Ausnahme, sondern Antisemitismus sei seit ihrer Gründung 1890 ein sinnstiftendes Moment.
Clara Grube, Sprecherin der AIHD/iL: „Eine Distanzierung der ‚Alten Herren‘ von der Nazivergangenheit hat in der Normannia nie stattgefunden. Dass Antisemitismus in ihren Reihen nicht gestattet sein soll, ist eine reine Schutzbehauptung.“
Die Behörden sollen gefährliche Seilschaften wissentlich ignoriert haben
Dagegen würden auch die zahlreichen Kontakte und Schnittstellen der Burschenschaft ins extrem rechte Lager sprechen. „Neben der Nähe zu Organisationen wie der ‚Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland‘ oder dem ‚Institut für Staatspolitik‘ um Götz Kubitschek, zu Parteien wie der NPD oder der AfD sowie zur neonazistischen Kameradschaftsszene oder zur ‚Identitären Bewegung‘ dockt die Normannia immer wieder auch am rechten Rand der CDU an. Einige Normannen sind oder waren CDU-Mitglieder. Hier werden gefährliche Seilschaften geschaffen, die bislang von den Sicherheitsbehörden wissentlich ignoriert wurden“, so Grube abschließend.
Behörden melden sich zu Wort
In einer gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim vom Dienstag, 8. September, führen diese Behörden aus, die Staatsanwaltschaft führe aktuell ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt acht Personen, darunter eine Frau, die im Verdacht stehen, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben.
Und weiter: „Dem aktuellen Ermittlungsstand zufolge besuchte der Geschädigte am Samstagmorgen des 29.08.2020 gegen 01:00 Uhr eine Verbindungsfeier der Heidelberger Burschenschaft Normannia. Hierbei soll der Geschädigte antisemitisch beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln auf die Beine sowie gegen den Rücken geschlagen worden sein.“
Bei Hausdurchsuchung umfassendes Beweismaterial sichergestellt
„Die Ermittlungen wurden unmittelbar nach Erstattung der Strafanzeige durch den Geschädigten am 29.08.2020 durch die Kriminalinspektion 6 – Staatsschutz – der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg unter Beteiligung der Kriminaltechnik und der forensischen IT aufgenommen. Im Zuge der Vollstreckung eines am 02.09.2020 durch die Staatsanwaltschaft Heidelberg beantragten und durch das Amtsgericht Heidelberg erlassenen Durchsuchungsbeschlusses konnte umfassendes Beweismaterial aufgefunden und sichergestellt werden.“
Vorfälle als „gängiges Ritual“ bezeichnet
„Insgesamt wurden bislang 27 Teilnehmer an der Feierlichkeit ermittelt, von denen acht Personen beschuldigt werden, an den Straftaten beteiligt gewesen zu sein. Die Ermittlungen werden teilweise länderübergreifend geführt, u.a. im Saarland und in Nordrhein-Westfahlen.
Es zeichnet sich ab, dass es sich bei dem Schlagen mit den Gürteln, der sogenannten „Gürtelung“, um ein gängiges Ritual der tatverdächtigen Personen handeln soll“, heißt es in der Pressemitteilung der beiden Behörden.
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