Von Sahra Barkini – Stuttgart-Vaihingen. Endlich, das Umsonst & Draußen (UD) hat sich aus dem Corona-bedingten Dornröschen-Schlaf zurückgemeldet, und zum Abschluss des 41. Festivals gelang den MacherInnen ein Coup: Putins Alptraum, die feministische Punkband Pussy Riot, trat am Sonntag, 7. August, in Vaihingen auf.
Am ersten Augustwochenende wurde die Uniwiese in Vaihingen zur Festivalwiese. Das linke Festival kam zurück und mit ihm ein Gewusel auf der Wiese. Es gab Unmengen an Bier, auch das verschmähte Verräterbier, außerdem Pommes, Falafel, Eis, Gegrilltes und Infostände. An drei Tagen wurde gecampt, gefeiert und diskutiert.
Die Demosanitäter waren mit einem Sanitätszelt zur Stelle und bekamen auch noch beim Abbau was zu tun denn „die Versammlungsleiterin fiel von der Versammlungsleiter“. So fasste es ein Kommentator auf Facebook zusammen. Von dieser Stelle, alles Gute besagter Versammlungsleiterin!
Ständer gesucht
Am Sonntag, nachdem Akne Kid Joe, die Band mit dem Antifa-Tarifvertrag, die Zivis auf der Wiese aufgefordert hatten, den Refrain mitzusingen, warfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Für die regierungskritische russische Punkrockband Pussy Riot wurde beinahe verzweifelt ein Notenständer gesucht. Doch damit nicht genug, der Keyboardständer fehlte auch. Und anscheinend hat man auch als FestivalbesucherIn so manches Musik-Equipment dabei. Jedenfalls wurden kurzerhand die BesucherInnen gefragt, ob nicht jemand mit Noten- oder Keyboardständer aushelfen kann.
Die mutigen AktivistInnen schmetterten kämpferisch ihre Anklage gegen Putin und Russland über den Pfaffenwald. Die Übertragung von Foto- und Videosequenzen wurde jedoch durch technische Probleme verhindert. So blieben den ZuhörerInnen nur die Untertitel und die Wut der Frauen gegen die Mächtigen in Russland, dies in einer Mischung aus Rap und Punkrock.
„Mutter Gottes, Jungfrau, verjage Putin!“
Den vielen ZuhörerInnen bot sich eine musikalische bewegende Performance über die Planung und den anschließenden Ablauf des Punkgebets von 2012 in der Moskauer Erlöserkathedrale. Nachdem Mitglieder von Pussy Riot mit bunten Sturmmasken in die Kathedrale gestürmt waren und dort Sätze wie „Mutter Gottes, Jungfrau, verjage Putin!“ geschrien hatten, wurden sie weltweit bekannt.
Darauf folgte die Verhaftung von Mascha. Sie verbrachte das gesamte letzten Jahr für ihre politische Aktivität in verschiedenen Arten von Gefängnis. Entweder war sie inhaftiert, oder sie stand unter Hausarrest. Aber sie entschied sich herzukommen, denn eigentlich müsste sie aktuell wieder eine Haftstrafe absitzen. Dies wäre für sie kein Problem, denn inzwischen gehöre die Repression zu ihrem Leben, berichtete der Producer in seinem einleitenden Statement. Aber momentan wollte sie lieber auf der Bühne stehen. Es sei für sie keine Flucht aus Russland gewesen, sondern vielmehr der Wunsch, eine Show abzuliefern und eine Message zu transportieren, um der Ablehnung gegen den von Putin begonnenen Krieg Ausdruck zu verleihen.
Sie unternahm drei Versuche, ohne Internationale Dokumente, aus Russland rauszukommen. Sie selbst bezeichnet es als Magie, denn am 12. Mai gelang es ihr, und seitdem tourt sie durch Deutschland und Europa, und auch in Vaihingen war sie dabei. Das Wissen, dass sie da ist, führte zu lautem Applaus.
„Fuck Putin, fuck war“
Die zentrale Erzählerin bei dem Auftritt war Mascha, die im weißen Kleid und mal mit, mal ohne Sturmmaske auf der Bühne stand. Diana Burkot, die 2012 dabei war, aber nicht verhaftet wurde, spielte Schlagzeug und Elektronik. Olga Borisova, sie ist ehemalige Polizistin und entschied sich wegen ihrer korrupten russischen Kollegen gegen die Polizei und für Pussy Riot, unterstützte Mascha am Mikrofon. Für die Band ist klar: „In unserer Geschichte ist jede private Entscheidung politisch.“
Die Sängerinnen sammelten Geld für ein Kinderkrankenhaus in Kiew und verurteilten den Krieg von Putin aufs schärfste. „Fuck Putin, fuck war“ schrien sie in die Vaihinger Nacht, und die FestivalbesucherInnen stimmten mit ein. „Jeder kann Pussy Riot sein“ – das steht auf den T-Shirts und war auch an diesem Sonntagabend in Vaihingen zu spüren.
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