Göppingen. Ein 24-jähriger Student aus Freiburg soll als Demonstrant gegen den Naziaufmarsch am 12. Oktober 2013 einen Polizisten geschlagen haben. Deshalb stand er vor dem Göppinger Amtsgericht. Zur allgemeinen Überraschung forderte der Staatsanwalt jedoch am Ende, das Verfahren gegen eine Geldbuße einzustellen.
Oberamtsanwalt Martin Resnik hielt dem Angeklagten vor, er habe am 12. Oktober 2013 kurz vor 14 Uhr in einer Gruppe von 120 Personen auf Höhe Sauerbrunnen/Metzgerstraße in Göppingen das Bahngleis überqueren und einen mit Nazis besetzten Zug blockieren wollen, der aus Richtung Stuttgart kam. Als die Polizei die Demonstranten abdrängte, sei es zu besagtem Vorfall gekommen. Schon zuvor sei der Angeklagte durch lautstarke Äußerungen aufgefallen. Er habe sich dem Zugriff der Beamten widersetzt und mit der rechten Faust auf den rechten Unterarm eines Polizisten geschlagen.
Zum Tatvorwurf äußerte sich der 24-Jährige nicht. Er gab aber eine ausführliche Erklärung zu den Vorfällen im Oktober 2013 ab. So kritisierte er Polizeigewalt und die Kriminalisierung von Gegendemonstranten, ebenso die hohe Zahl von 2000 Polizisten, die in Göppingen 1500 Gegendemonstranten gegenüber standen. Das Ergebnis seien 150 verletzte Demonstranten, darunter 15 Schwerstverletzte, und 200 Ingewahrsamnahmen. „Hier soll versucht werden, einen Keil zwischen die Antifaschisten zu treiben. Betroffen bin heute nicht ich, gemeint sind alle Antifaschisten.“
Die über 15 Zuhörerinnen und Zuhörer im Gerichtssaal applaudierten, was Amtsrichter Schwarz sichtlich nervte. Er drohte, den Saal räumen zu lassen, wenn keine Ruhe einkehrt. Oberamtsanwalt Martin Resnik erwiderte, er finde den Applaus gut. Er habe auch vollstes Verständnis für die Erklärung des Angeklagten. Es gebe jedoch „gewisse Spielregeln“. Die Polizei gerate zwischen die Fronten und müsse nun einmal garantieren, dass eine angemeldete Demonstration störungsfrei abläuft. Es sei unwürdig, wenn Gegendemonstranten die Beamten im Einsatz als Freunde der Nazis sehen. „Jedoch ist ihr Protest legitim, das ist auch gut so, macht weiter so“, sagte Resnik.
Der erste als Zeuge geladene Beamte sagte, er habe nicht sehen können, ob der Angeklagte einen Schlag ausführte. Er habe ihn etwas später in Gewahrsam genommen. Der betroffene Polizist dramatisiert den Vorfall nicht. Seine Jacke habe den Schlag so stark gedämpft, dass er keine Schmerzen spürte. Bei der Festnahme habe sich der Angeklagte, am Boden fixiert, nicht weiter widersetzt, sondern nur versucht, seine Position so zu verändern, dass seine Gelenke entlastet werden. Die Frage des Oberamtsanwalts, ob der Angeklagte ihn beleidigt habe, verneinte der Polizist.
Am Ende der Zeugenvernehmung schlug Martin Resnik vor, das Verfahren nach § 153a einzustellen mit der Auflage, dass der Angeklagte einer gemeinnützigen Organisation 200 Euro überweist. Nach einer kurzen Unterbrechung willigten alle Seiten ein, das Geld geht an Amnesty international.
Fazit:
Alle Verfahren in Göppingen gegen Gegendemonstranten und Antifaschisten aus den Jahren 2012 und 2013 wurden mit Freispruch oder Einstellung beendet. Der Versuch der Kriminalisierung durch Beamte und Behörden geht jedoch weiter. Es gibt nur wenige Beamte und Staatsanwälte, die zur Entschärfung beitragen oder deutlich machen, dass antifaschistischer Widerstand legitim ist.
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