Stuttgart. Gut 120 AktivistInnen zogen am Silvesterabend in einem Demozug „Gegen Krisen, Kriege und Reaktion … mit revolutionärem Schwung ins neuen Jahr!“ durch die Stuttgarter Innenstadt. Sie zündeten Leuchtfackeln, Rauchtöpfe und Wunderkerzen an. Die Polizei war mit starken Einsatzkräften vor Ort und filmte den vorderen Teil der Demonstration von einem Kamerawagen aus. Obwohl die Bereitschaftspolizei teilweise Helme trug, hielt sie sich den ganzen Abend über zurück. Der Silvesterdemo ging ein „feuriger“ Knastspaziergang vor dem Justizvollzugsgebäude in Stuttgart-Stammheim mit rund 150 TeilnehmerInnen voraus.
Der Knastspaziergang an Silvester hat in Stuttgart Tradition, seit RAF-Mitglieder im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses in Stammheim inhaftiert waren. Das Geschehen vor der Justizvollzugsanstalt wurde ebenso wie die Silvesterdemo in der Stuttgarter Innenstadt von DemosanitäterInnen der Sanitätsgruppe Süd-West begleitet.
Sie waren mit zwei Teams vor Ort und wurden sechsmal zu Hilfe gerufen. Eine Person wurde durch eine Silvesterrakete an der Hand verletzt. Dazu Lena Schmidt, die Pressesprecherin der Sanitätsgruppe: „Wir wünschen uns viele erfolgreiche Aktionen mit wenig Verletzten für das kommende Jahr. Gemeinsam wollen wir in 2015 dem Ziel einer befreiten Gesellschaft ohne Ausbeutung und Armut ein Stück näher kommen.“
Roter Stoff am Stacheldraht
Mit ihrem Knastspaziergang wollten die TeilnehmerInnen ihre Solidarität mit den in Stammheim inhaftieren „politischen und sozialen Gefangenen“ zeigen. Die AktivistInnen, von denen einige von außerhalb kamen, zogen um den Gefängniskomplex herum. Sie grüßten die Gefangenen mit Parolen und zündeten reichlich Feuerwerk. Unbekannte besprühten die Mauern mit Parolen wie „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ und „Hoch die Internationale Solidarität“, außerdem wurden Farbbeutel geworfen. Am Stacheldraht auf den Mauern wurden rote Stofffetzen angebracht.
Die Parolen und Megaphondurchsagen galten besonders den Gefangenen Özgür Aslan und Yusuf Tas, die sich bei einem Prozess nach Paragraph 129/B wegen „Bildung einer ausländischen terroristischen Organisation“ verantworten müssen. Aber den Reaktionen nach zu urteilen, freuten sich auch die anderen Stammheimer Häftlinge über den Besuch am Vorabend des Neujahrstags.
Leuchtfackeln und Parolen in der Innenstadt
Die Silvesterdemo in der Stuttgarter Innenstadt begann um 21 Uhr an der Uni Mitte. Die Route führte vorbei an der türkischen IS-Bank und der zentralen Polizeiwache.
DemoteilnehmerInnen beklebten die Fassade des baden-württembergischen Integrationsministeriums mit Plakaten. Auf ihnen wurde gegen die Abschiebe- und Abschottungspolitik von Bund und Ländern protestiert und auf einen strukturellen staatlichen Rassismus hingewiesen. Weitere Lautsprecherdurchsagen auf der Route galten dem Radiosender BigFm und der Ziraat-Bank.
Strategie der Demo-OrganisatorInnen ging auf
Vorübergehend wich der Demozug von der angemeldeten Route ab, die durch Seitenstraßen führen sollte, und lief durch die Königsstraße. Er kehrte aber nach kurzer Zeit wieder auf die angemeldete Route zurück.
Bei einer Stuttgarter „revolutionären 1. Mai-Demo“ griff die Polizei die Demonstrationsspitze an und veranstaltete eine Knüppel-Orgie. Als Begründung hierfür wurde die Vermummung mittels eines Überkopf-Transparents angeführt. Als die DemonstrantInnen nun die Polizeiwache erreichten, hielten sie kurz an und brachten wiederum ein Überkopf-Transparent zum Einsatz. Es wurde diverses Feuerwerk gezündet und Farbe versprüht. Ein Aktivist erklärte der Beobachter News, dass man sich mit dieser Aktion für den Einsatz bei der besagten 1.Mai-Demo bei der Polizei „bedanken“ wolle.
Kurz danach beendeten die TeilnehmerInnen die Demonstration vorzeitig an einer größeren Kreuzung. Sie wollten vermeiden, am eigentlich vorgesehenen Endpunkt von Polizisten aufgegriffen zu werden. Es gab während der Demonstration keine Festnahmen, was die OrganisatorInnen auf die spontane Routenänderung, aber auch auf die vorzeitige Auflösung zurückführten. Sie zogen trotz einer vergleichsweise niedrigen Zahl von TeilnehmerInnen eine positive Bilanz ihres Protests.
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