Berlin/Stuttgart. Fünf Abgeordnete der Linken, die sich bei der Abstimmung über eine Verlängerung des Finanzpakets für Griechenland am Freitag, 27. Februar, im Bundestag enthalten haben – unter ihnen auch die baden-württembergische Abgeordnete Heike Hänsel-, gaben eine gemeinsame persönliche Erklärung ab. Sie wollten der „anhaltenden Erpressung Griechenlands“ nicht zustimmen, begründeten sie, weshalb sie anders abstimmten als die Mehrheit ihrer Fraktion.
Aus Sicht der Abgeordneten ist die neue griechische Regiwrung unter Führung des Linkabündnisses Syriza eine große Chance nicht nur für das unter dem Spardiktat der Troika leidende Griechenland, sondern für ganz Europa. Die Bilanz der Kürzungspolitik sei verheerend. Sie wollten der „andauernden Erpressungsstrategie der Bundesregierung eine klare Absage“ erteilen, so die Abgeordneten.
Wir dokumentieren ihre Erklärung im Wortlaut:
Gemeinsame Persönliche Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung zur Namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2015 über den Antrag der Bundesregierung zur „Finanzhilfe zugunsten Griechenlands / Verlängerung der Stabilitätshilfe“
Wir haben uns bei der Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung der Stabilitätshilfe für Griechenland enthalten. Unser Abstimmungsverhalten beruht auf folgenden Erwägungen:
Die neue vom Linksbündnis Syriza geführte griechische Regierung ist eine riesige Chance nicht nur für das massiv unter der von der Troika verordneten Kürzungspolitik leidende Griechenland, sondern für ganz Europa. In Griechenland wird der Kurs zur Beendigung des Kürzungsdiktats in einer Umfrage nach der Wahl von einer überwältigenden Mehrheit von 80 Prozent der griechischen Bevölkerung unterstützt.
Die Bilanz von Merkels Kürzungsdiktat ist auch für die europäischen und deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vernichtend. Griechenland war bereits 2010 vor dem ersten sogenannten Hilfspaket überschuldet. Trotzdem wurden Banken, Hedgefonds und andere privaten Gläubiger mit öffentlichen Mitteln herausgekauft. Nun liegen etwa 80 Prozent der Forderungen gegenüber Griechenland bei den Rettungsschirmen beziehungsweise der öffentlichen Hand. Die Griechenland-Kredite kamen zu etwa 90 Prozent nie in Athen an. Sie dienten stattdessen der Befriedigung des Schuldendienstes und flossen an den Finanzsektor. Durch das Kürzungsdiktat der Troika ist die griechische Wirtschaftskraft um 25 Prozent eingebrochen und die Schuldenquote in der Folge von etwa 109 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2008 auf über 170 Prozent des BIP explodiert. Nur durch einen Kurswechsel der bisherigen Krisenpolitik um 180 Grad lässt sich ein möglichst großer Teil des Geldes aus den sogenannten Hilfskrediten zurückbekommen.
Genau für einen solchen Kurswechsel steht die neue griechische Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Daher ist es ausdrücklich auch aus der Sicht der deutschen Bevölkerung zu begrüßen, dass er in den Verhandlungen mit der von der Bundesregierung angeführten Eurogruppe erste Erfolge verbuchen konnte: Die Kürzungskeule eines 3-prozentigen Primärüberschusses für dieses Jahr ist vom Tisch und die Europäische Zentralbank hat zunächst durch die Verlängerung der Stabilitätshilfe den Geldhahn für die griechischen Banken nicht zugedreht. Das ist ein Anfang.
Im heute dem Bundestag zur Abstimmung vorliegenden Antrag macht die Bundesregierung aber unzweifelhaft deutlich, dass sie die bisherige Erpressungspolitik gegenüber Griechenland nahtlos weiterbetreiben will. Erstens muss sich, wie im Antrag der Bundesregierung ausgeführt, die Regierung in Athen von den Institutionen sämtliche zukünftigen Maßnahmen genehmigen lassen. Zweitens bleibt das unsägliche Kürzungsprogramm, auf dessen Grundlage das Land in den letzten Jahren ins Elend getrieben wurde, nach Ansicht der Bundesregierung unberührt bestehen. Drittens wird der finanzielle Spielraum der griechischen Regierung nicht erhöht. Denn der Antrag der Bundesregierung unterstreicht, dass kein einziger Euro fließt, bis das Troika-Diktat aus Sicht der Institutionen in den nächsten Wochen erfolgreich abgearbeitet wird. Viertens gibt es zudem kein Entgegenkommen hinsichtlich der untragbaren Schuldenlast Griechenlands. Im Antrag der Bundesregierung steht wörtlich: „Griechenland hat zudem sein klares Bekenntnis bekräftigt, allen finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern vollständig und pünktlich nachzukommen.“
Vollkommen indiskutabel und zynisch ist zudem, dass die Bundesregierung ihr Erpressungspotential dazu genutzt hat, um der griechischen Regierung in ihre Reformliste hereinzudiktieren, dass sie sicherzustellen hat, dass „die Haushaltslage durch die Bekämpfung der humanitären Krise nicht beeinträchtigt wird.“ All diese Punkte legen der griechischen Regierung in einer Weise Daumenschrauben an, dass der Erfolg ihrer Bemühungen, die Krise zu bewältigen und gleichzeitig die humanitäre Katastrophe in Griechenland abzuwenden, grundlegend gefährdet wird.
Wir erklären uns mit der Syriza-Regierung solidarisch und zollen ihrer hartnäckigen und mutigen Verhandlung unter äußerst schweren Bedingungen unseren tiefen Respekt. Der andauernden Erpressungsstrategie der Bundesregierung erteilen wir eine klare Absage. Das bedeutet für uns, dass wir uns bei der heutigen Abstimmung zum Antrag der Bundesregierung der Stimme enthalten.
Heike Hänsel
Alexander S. Neu
Sevim Dagdelen
Norbert Müller
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