Frankfurt. Zu teils heftigen Szenen kam es am Mittwoch, 18. März, parallel zur Eröffnung des neuen Hauptquartiers der EZB. In den frühen Morgenstunden machten sich mehrere tausend AktivistInnen aus ganz Europa in mehreren „Fingern“ auf den Weg nach Frankfurt. Am Nachmittag demonstrierten über 20 000 Menschen gegen die Krisenpolitik der Zentralbank.
Ihr Protest richtete sich gegen die Krisenpolitik der EZB und der Troika. Sie demonstrierten gegen die Sparpolitik in Griechenland, Spanien und Portugal, die zu sozialen Verwüstungen geführt habe, und für eine Öffnung der europäischen Außengrenzen (siehe unten).
Bereits Tage zuvor hat die Polizei das Areal rund um den Neubau in eine wahre Festung verwandelt. Über 100 Kilometer Natodraht wurden verbaut und fast alle Wasserwerfer aus der Republik zusammengezogen. Am Tag der geplanten Blockaden hatte die Polizei etwa 10 000 Beamte im Einsatz.
Um 6.30 Uhr versammelten sich über 2000 Menschen an den Friedberger Anlagen und zogen in Richtung EZB. Vorher zog eine Gruppe durch die Stadt und setzte vor einer Polizeiwache mehrere Streifenwagen in Brand. Ebenfalls wurden bei etlichen Banken, Fahrzeugen und Gebäuden Scheiben zerstört.
Barrikaden in den frühen Morgenstunden
Kurz vor den Absperrungen des Sicherheitsbereichs richteten Beamte eine weitere provisorische Sperre ein, die von AktivistInnen des orangenen und grünen Fingers um etwa 6.45 Uhr durchbrochen wurde.
Hier kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den DemonstrantInnen.
Beamte aus Sachsen setzten CS-Gas ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen, nachdem ein Streifenwagen in Brand gesetzt worden war. Die PolizistInnen schienen von der Entschlossenheit der DemoteilnehmerInnen überrascht worden zu sein.
7.00 Uhr: AktivistInnen begannen am Ernst-Achilles-Platz mit dem Bau von Barrikaden und setzten ein weiteres Fahrzeug in Brand. Wieder CS-Gas-Einsatz. Die mittlerweile größtenteils vermummten Personen beantworteten dies mit einem Steinhagel. Anschließend zog sich die Menge langsam durch die Hanauer Landstraße zurück in Richtung Innenstadt.
Schwaden aus CS-Gas und verbranntem Plastik
Immer wieder wurden Barrikaden auf den Straßen aus Mülltonnen und anderen Gegenständen errichtet und angezündet. Ständig zogen Nebelschwaden aus CS-Gas und verbranntem Plastik durch die Innenstadt. Am Ende der Oberen Mainanlage fanden sich um etwa 7.30 Uhr erneut hunderte AktivistInnen zusammen. Auch hier brannten in Sichtweite der EZB Barrikaden. Das Feuer wurde mit einem Wasserwerfer gelöscht.
Vorher wurde das Fahrzeug von AktivistInnen mit Steinen angegriffen, die daraufhin von behelmten Beamten und den Wasserwerfern abgedrängt wurden. Hier wurde auch ein Fotograf der Beobachter News, nachdem die Gefahrensituation bereits vorbei war, gezielt von dem Wasserwerfer angegriffen.
Wieder zerstreute sich die Menge und wurde teilweise von Polizeieinsatzkräften attackiert. Die Beamten schlugen – teils wahllos – auf Menschen ein, die bereits am Boden lagen.
Polizei kesselt Regenbogen-Block ein
9 Uhr: Eine italienische Aktivistengruppe, die unter anderem als „Rainbow-Block“ bekannt ist, wurde in der Uhlandstraße eingekesselt und nach einer ED-Behandlung wieder entlassen.
Kurz vor 10 Uhr wurde das ehemalige Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße 5, das heute als selbstverwaltetes Zentrum genutzt wird, von der Polizei durchsucht. Hier befand sich zu diesem Zeitpunk die Einsatzzentrale der Demosanitäter und die Zentrale des Ermittlungsausschusses, der Vorkommnisse wie Festnahmen registriert.
Gegen 13 Uhr wurde vom Blockupy-Bündnis zur Hauptwache mobilisiert, um eine „zweite Welle“ auf die EZB zu starten. Hier fanden sich jedoch nur noch wenige hundert Personen ein. So verlief sich der Plan.
20 000 Menschen auf der Straße gegen die Krisenpolitik
Um 14 Uhr begann am Römer die Auftaktkundgebung zur Großdemonstration, an der sich über 10 000 Menschen beteiligten. Hier trugen unter anderen der Kabarettist Urban Priol sowie die Band „Strom und Wasser“ zur Unterhaltung bei. Es sprach auch die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Die Linke).
Auch internationale Redner waren zugegen.
Miguel Urban (Spanien) von Podemos sagte: „Die Legitimität für Proteste gegen die EZB und andere Troika-Institutionen ist nicht verloren gegangen. Blockupy richtet sich gegen eine Politik, die soziales Elend über Millionen Menschen bringt und die Lasten der Krise immer weiter nach unten verteilt: Allein in Spanien hat fast eine Millionen Menschen seit 2010 durch Zwangsräumungen ihre Wohnung verloren; die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent, und die öffentlichen Schulden betragen 100 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Wir haben heute eine Botschaft an die EZB: In vielen Ländern wächst der Widerstand. Es wird bald weitere Regierungen in Europa geben, die sich gegen die Politik der Troika wehren und deren Auflagen nicht umsetzen werden.“
Um 14.15 Uhr meldeten die Demosanitäter bereits über 100 Verletzte. Die Polizei hatte auf ihrer Seite 88 verletzte Beamte zu beklagen. Acht von ihnen waren durch Steinwürfe verletzt worden.
Um 17 Uhr setzten sich zwei Demozüge in Bewegung, die sich nach wenigen hundert Metern zu einem Zug vereinten. Hier nahmen 20 000 Menschen teil. In einer Pressemitteilung war von 25 000 Personen die Rede. Die Polizei hielt sich hier vorbildlich zurück. So kam es auch zu keinen Störungen im Ablauf der Veranstaltung.
Festnahmen und an die 200 Verletzte
Am Opernplatz wurde die Demonstration schließlich aufgelöst und somit der Tag vom Veranstalter beendet. Anschließend wurden bei einer anliegenden Bank Scheiben eingeworfen.
Am Nachmittag sprach die Polizei von über 350 Festnahmen. Über 100 Verletzte auf Seiten der DemonstrantInnen sprechen nicht für eine „Deeskalationsstrategie“ der Polizei. Eine Aktivistin wurde von der Polizei so schwer am Kopf verletzt, als sie mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen wurde, dass sie mit 15 Stichen genäht werden musste. Nur der Notarzt vor Ort konnte eine Festnahme der schwerverletzten Frau verhindern. Ebenso lässt die Zahl von 88 verletzten PolizistInnen einige offenen Fragen im Raum. 8 von ihnen wurden durch Steinwürfe verletzt, 80 durch Reizgas. Offenbar wurden sie Opfer ihrer Kollegen.
Hier kann sicherlich auch eine Analyse des inflationären Einsatzes von CS-Geschossen Antwort geben.
Hier ein Auszug aus der Erklärung des Blockupy-Bündnisses im Wortlaut:
Die Regierungen Europas betreiben mit der EZB eine rigide Austeritätspolitik, die zu sozialen Verwüstungen insbesondere in Südeuropa geführt hat. Ein Ende ist nicht absehbar, denn trotz der Sparmaßnahmen und geöffneten Geldschleusen stagniert die Wirtschaft: Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung dauern an, Investitionen bleiben aus. Die Krise wird also weiter um sich greifen, die Krisenpolitik auf Dauer gestellt. Die EZB ist der transnationale Staatsapparat dieser Krisenpolitik, durch die immer weniger Reiche reicher und immer mehr Arme ärmer werden. Die EZB ist somit eines der wichtigsten, wenn nicht das Symbol gegenwärtiger kapitalistischen Herrschaft in Europa.
(Quelle: march18.net)
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