Berlin. Die im Mai letzten Jahres gegründete Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) hat aktuelle 700 inhaftierte Mitglieder in über 50 Haftanstalten der Bundesrepublik. Das teilt die Gewerkschaft in einer Bilanz des ersten Jahres ihrer Arbeit mit. Dank engagierter inhaftierter Gewerkschafter habe sie fünf weitere Sektionen in Justiz-Vollzugs-Anstalten (JVA) gründen können. Es gebe nun in 16 Haftanstalten Sektionen mit Sprechern der selbstorganisierten Gewerkschaftsinitiative, die sich auch schon im Stuttgarter Stadtteilzentrum Gasparitsch vorstellte.
Die neuen Sprecher der Gefangenengewerkschaft sind Jarek Otlik in der JVA Gelsenkirchen (NRW), in der JVA Untermaßfeld (Thüringen) David Hahn, in der JVA Dieburg (Hessen) Thomas Brockmann, in der JVA Kaisheim (Bayern) Rainer Zimmermann und in der JVA Ulm (BaWü) Robert Schmitt. Die Sprecher übernehmen nach Angaben der Gewerkschaft vor allem die Öffentlichkeitsarbeit in Hafthäusern und JVA-Betrieben. Sie versuchen, auf Basis der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit gewerkschaftlich tätig zu sein.
Brennpunkte des Strafvollzugs getroffen
In der Gefangenengewerkschaft (GG/BO) organisieren sich Gefangene unabhängig ihrer Herkunft und ihrer Hintergründe, um als „GewerkschafterInnen hinter Gittern“ Räume für ein „kollegiales, solidarisches und emanzipatorisches Verständnis unter den Inhaftierten über die Auseinandersetzung ihrer sozial- und arbeitsrechtlichen Diskriminierung“ zu öffnen, heißt es in der Mitteilung weiter.
Die GG/BO greife mit sozialreformerischen Kernforderungen nach einer Sozialversicherungspflicht für inhaftierte Beschäftigte und ihre Einbeziehung in den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ein sozialpolitisches Thema auf, das bisher kaum eine Randnotiz wert war. „Wir haben“, so der GG/BO-Sprecher Oliver Rast, „offensichtlich mehrere Brennpunkte des bundesrepublikanischen Strafvollzugs getroffen: Wir haben vor allem die soziale Frage hinter Schloss und Riegel aufgeworfen, die nun zu einem öffentlichen Streitfall geworden ist.“
Vermehrtes „Union Busting“
Allerdings sieht sich die Gewerkschaft mit ihrer weiteren Verankerung in Haftanstalten auch einem verstärkt gegen sie gerichteten „Union Busting“ ausgesetzt. Sie führt es auf ihre rasante Ausdehnung zurück. Eine gewerkschaftspolitische Betätigung von Inhaftierten werde durch einzelne Vollzugsbehörden – wie in der JVA Frankenthal, in der JVA Landsberg/Lech, in der JVA Würzburg, aber auch in der JVA Tegel – zum Teil massiv behindert, erklärt Oliver Rast.
„Agile Gewerkschafter hinter Gittern“ seien mit einer Vielzahl von Schikanen konfrontiert, so Rast. Hierzu zählten das Nicht-Aushändigen von Gewerkschaftspost, eine intensivierte Postzensur, regelmäßige so genannte Haftraumkontrollen und die unterschwellige bis offen vorgetragene Drohung, dass sich eine aktive GG/BO-Mitgliedschaft negativ auf den weiteren Vollzugsverlauf auswirken werde – etwa durch das Verzögern oder Streichen von Vollzugslockerungen.
Dazu Oliver Rast, Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO):
Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht hoch genug einzuschätzen, wenn sich Gefangene als Sprecher der GG/BO in ihren Knästen exponieren, um letztlich ‘nur’ das einzufordern, was ein Grundrecht ist: die Realisierung der Koalitionsfreiheit für Inhaftierte, die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern.
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