Von Michael Janker – Stuttgart. Eine Solidaritätsveranstaltung im selbstverwalteten Stadtteilzentrum Gasparitsch erinnerte an die so genannte „Erstürmung“ des Grundwassermanagements vor vier Jahren und an die Repression gegen S-21-Gegner, die auf sie folgte. Der Abend war gut besucht. Die Angeklagten des 20. Juni 2011 genossen sichtlich die sympatischen Räume, das liebevoll zubereitete vegane Essen und die Grillgerichte, die vor dem Gasparitsch zubereitet wurden.
Am 20. Juni 2011 kam es im Anschluss an eine Montagsdemonstration gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 zur sogenannten „Erstürmung“ des Grundwassermanagements (GWM). Was die bürgerliche Presse als „S-21-Unruhen“ bezeichnete und in der Folgezeit zu erheblichen Repressionen der Polizei und der Justiz führte, blieb vielen damaligen AktivistInnen als ein Abend in Erinnerung, der gewaltfrei und in fast schon gelöster Partystimmung auf und vor dem Gelände des GWM verbracht wurde.
Finanziell und psychisch belastende Strafen
Der damalige Oberstaatsanwaltes Bernhard Häussler und sein Adlatus Fuchs sahen dies anders. Gegen hunderte AktivistInnen wurden Ermittlungs- und Strafverfahren mit dem Vorwurf des „besonders schweren Landfriedensbruchs“ eingeleitet. In bürgerlichen Medien wurde ein angerichteter Schaden in Millionenhöhe kolportiert.
Einige Aktivisten wurden in der Folgezeit unter teilweise abstrusen Verdächtigungen sogar kurzzeitig inhaftiert und teilweise mit anderen AktivistInnen später in aufwändigen Gerichtsverfahren zu finanziell und psychisch extrem belastenden Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt. Viele weitere AktivistInnen werden bis heute, also noch vier Jahre später, mit Strafbefehlen und teilweise obskuren „Angeboten“ zur Verfahrenseinstellung von der Stuttgarter Justiz verfolgt.
Statt schweren Landfriedens- nur noch Hausfriedensbruch
Vom Vorwurf des „besonders schweren Landfriedensbruchs“ ist im Verlauf dieser vier Jahre jedoch nichts mehr übrig geblieben. Inzwischen steht in den meisten Fällen nur ein einfacher „Hausfriedensbruch“ im Raum.
Der Solidaritätsabend begann mit dem Vorführen von Videos. Sie zeigten die die Ereignisse jenes Abends im Jahr 2011 in bester Qualität, was von den schon gegen 17.30 Uhr zahlreich anwesenden Besuchern sehr gut angenommen wurde. In loser Folge wurden im Laufe des Abends weitere Filme gezeigt.
Justiz ist offenbar wieder verstärkt aktiv
Die Referenten des Abends gaben einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Repressionen seit 2011 und über den derzeitigen Stand der immer noch anhängigen Verfahren. Es wurde aus Akten zitiert. Unter anderem wurde ein sehr obskurer Haftbefehl gegen einen Aktivisten aus dem Jahr 2011 vorgestellt.
Bis in den späten Abend hinein wurde lebhaft diskutiert. Das zeigte, dass gerade in letzter Zeit wieder eine verstärkte Aktivität der Justiz in diesen Fällen zu registrieren ist. Viele AktivistInnen brachten den Wunsch nach einer noch stärkeren Solidarität innerhalb der S-21-Bewegung vor.
AK Jura sucht neue MitstreiterInnen
Holger-Isabelle Jänicke vom Arbeitskreis Jura steuerte interessante Beiträge auch aus der Rechtsgeschichte bei. Er wies auch darauf hin, dass der AK Jura dringend neue MitstreiterInnen benötige, um auch in Zukunft alle von Verfahren im Zusammenhang mit S 21 betroffenen AktivistInnen beraten zu können.
Nach 21 Uhr legte dann der aus dem Widerstand gegen S 21 gut bekannte KörpaKlaus zusammen mit anderen DJs in den Kellerräumen des Gasparitsch flotte Musik auf. Erfreulich war auch die Spendenbereitschaft der Besucher. Der gelungene Abend ging erst in den frühen Morgenstunden des Sonntag entspannt zu Ende.
Siehe auch „Eine kleine Odysee durch die Justiz“ Teil 1 bis 3
Folge uns!