Kommentar von Anne Hilger – Rottenburg. Vielen fuhr der Schreck in die Glieder, als sie am Montagmorgen, 7. September, vom Brand in einer Flüchtlingesunterkunft in Rottenburg hörten. Sechs Menschen wurden bei dem Feuer verletzt. Ist der rechte Terror jetzt auch in der beschaulichen Bischofstadt nahe Tübingen angelangt? In einem Landkreis, in dem sich umsichtig handelnde Behörden und mindestens 16 Asylarbeitskreise um Flüchtlinge kümmern? Die Ursache des Feuers ist noch unklar. Man weiß also nicht, ob es gelegt wurde. Dennoch ist es gut, wenn antifaschistische Initiativen am Dienstag, 8. September, mit einer Kundgebung um 19 Uhr am Rottenburger Bahnhof ein Zeichen setzen.
Die Institutionen des Kreises zeigten noch in der Nacht auf Montag, dass sie willens und in der Lage sind, schwierige Situationen zu meistern. Die Feuerwehr brachte mit dem Roten Kreuz und vielen Freiwilligen die verstörten und verängstigten Menschen aus den ausgebrannten Wohncontainern provisorisch in der örtlichen Festhalle unter. Neben weiteren Verletzten schickte die leitende Notärztin zwei Schwangere vorsorglich in die Klinik. Den Menschen sollte nicht noch mehr Leid geschehen, als ihnen der Brand schon angetan hatte.
Noch ist die Ursache des Feuers nicht geklärt, ein rechtsterroristischer Hintergrund allenfalls naheliegend. Doch die Situation war brandgefährlich. Man kann froh sein, dass es keine noch schlimmeren Folgen gab. Auch sechs Verletzte sind sechs zu viel. Zwei von ihnen waren wie viele andere in Panik aus dem Fenster gesprungen und hatten sich Knochenbrüche zugezogen. Drei erlitten Rauchgasvergiftungen, einer zog sich eine Schulterverletzung zu. Viele weitere der 84 Bewohner der Unterkunft durchlitten Todesangst, als sie sich aus ihren Wohncontainern ins Freie retteten. Menschen, die erst vor kurzem Krieg, Brandbomben und Verfolgung entgangen waren und sich endlich in Sicherheit wähnten.
Im badischen Remchingen und württembergischen Weissach im Tal wurden im Juli und August Brände gelegt. Bislang sind die Täter nicht gefasst. Das spricht dafür, dass Profis am Werk waren, die wenig Spuren hinterließen – keine Feierabend-Nazis von nebenan. In Neckargemünd gab es einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft mit einer Rauchbombe. Sollten auch das Feuer in Rottenburg ein absichtlich gelegter Brand gewesen sein, ist zu hoffen, dass die Polizei die Täter aufspürt. Ein Brandanschlag auf ein bewohntes Haus ist keine Tat im Affekt. Die Brandstifter müssten wohl mit einer Anklage wegen versuchten Mordes rechnen.
Selbstverständlich kann es auch eine ganz andere Brandursache geben. Und ja – auch ein ganz anderer Personenkreis könnte verantwortlich sein. Solange die Einzelheiten nicht geklärt sind, gibt es nur zwei Konsequenzen aus dem Feuer in Rottenburg: Flüchtlingsunterkünfte, in denen viele Menschen in oft provisorischen Gebäuden auf engem Raum leben, sind aus vielerlei Gründen besonders gefährdet. Es mag angezeigt sein, Verwaltungsvorschriften zu vereinfachen, um weitere Asylheime möglichst rasch beziehen zu können. Doch es darf keine Abstriche beim Brandschutz geben. Außerdem muss die Polizei auf solche Objekte ein besonders wachsames Auge haben. Allerdings: Allein der Kreis Tübingen hat 53 Flüchtlingsunterkünfte. Man wollte die Menschen dezentral in einem möglichst normalen Wohnumfeld unterbringen. Neben der Polizei müssen also auch die Nachbarn wachsam sein.
Siehe auch „Polizei sucht Brandursache„
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