Stuttgart. 31 Organisationen – Gewerkschaften, Sozialverbände und kirchliche Einrichtungen – aus Baden-Württemberg haben sich am Montag, 3. April, im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen Altersarmut zusammengeschlossen. Das teilen sie in einer Presseerklärung mit. Sie wollen noch vor der Bundestagswahl für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik eintreten. Mehr als 50 Veranstaltungen sind allein bis zu den Sommerferien geplant.
Die Bündnispartner eine die Sorge, dass bereits ab 2030 Millionen Ältere auf den Gang zum Sozialamt angewiesen sein werden, wenn nicht heute gegengesteuert wird, heißt es in der Mitteilung. Die damit verbundenen Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft seien dramatisch.
Auch junge Menschen brauchen verlässliche Rente
Im Bündnispapier halten die Partnerinnen und Partner fest: „Eine reiche und soziale Gesellschaft darf es nicht länger zulassen, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, in Armut geraten. Ein Wechsel in der Rentenpolitik ist dringend nötig und auch möglich. Die gesetzliche Rente soll wieder die Wahrung des Lebensstandards im Alter ermöglichen. Sie muss Armut im Alter verhindern! Wir halten ein Rentenniveau von wenigstens 50 Prozent für erforderlich!“
Die Initiative zu dem Bündnis hat die Gewerkschaft Verdi ergriffen – „weil wir schon seit Jahren wissen: Insbesondere bei den unterdurchschnittlich bezahlten Berufen im Dienstleistungsbereich, das betrifft zig Millionen Menschen in Deutschland, tickt eine soziale Zeitbombe“, so Verdi-Landesbezirks,eiter Martin Gross. Wer den Mindestlohn erhält, müsse 58,7 Jahre Vollzeit arbeiten, um im Alter mehr als Grundsicherung zu erhalten: „Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.“
DGB kritisiert „rentenpolitischen Sündenfall“
Martin Kunzmann, Vorsitzender DGB-Bezirk Baden-Württemberg, spricht von einem „rentenpolitische Sündenfall“. Er sei Anfang des Jahrhunderts passiert, als die paritätische Finanzierung der Rentenbeiträge aufgegeben wurde. Den Beitrag zur privaten Vorsorge trügen die Beschäftigten weitgehend alleine. Doch vielen Menschen fehle das Geld, privat vorzusorgen. Zudem seien die angebotenen Finanzprodukte bei Weitem nicht so leistungsfähig und kostengünstig wie die gesetzliche Rentenversicherung.
Die Schwächung der gesetzlichen Rente gehe vor allem zulasten der jungen Generation, betont Kunzmann. Junge Menschen bräuchten eine planbare und verlässliche Alterssicherung. Das gehe nur mit einer solidarischen, umlagefinanzierten Rente.
Rente muss für Miete und Kontenpflege reichen
Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, sprach die Veränderungen an, die mit dem Altwerden verbunden sind. Soziale Beziehungen und Aufgaben gingen verloren, Gesundheit und Mobilität seien eingeschränkt: „Wenn die Rente nicht für Kontaktpflege oder Miete reicht, belastet das ungemein.“
Manuela Rukavina, die Vorsitzende des Landesfrauenrats mit über 2,5 Millionen organisierten Frauen, wies darauf hin, dass in Baden-Württemberg Frauen durchschnittlich 26 Prozent weniger als Männer verdienten – mit gravierenden Folgen für ihre Rente: „Der alte Spruch ‚Frauen leben länger- aber wovon?‘ wird immer aktueller“, erklärte sie.
Caritas: Der Polarisierung von Armut und Reichtum gegensteuern
Bernhard Appel, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes der Erzdiözese Freiburg, plädierte für mehr sozialen Ausgleich. Die Caritas fordere politische Maßnahmen, „die einer fortschreitenden sozialen Ungleichheit und der weiteren Polarisierung von Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft wirksam entgegensteuern. Dazu gehören auch faire und gerechte Arbeits- und Einkommensverhältnisse, die letztlich die Voraussetzung für ein finanziell abgesichertes Leben im Alter sind.“
Brigitte Rösiger, Geschäftsführerin Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), sagte: „Alleinerziehende arbeiten praktisch ohne Aussicht auf Rente, sie steuern auf Altersarmut zu.“ Roland Sing, VdK-Vizepräsident und Vorsitzender des Landesseniorenrats, erklärte: „Die Absenkung des Rentenniveaus führt dazu, dass Menschen zu Bittstellern gemacht werden. Ihnen wird im Alter die Würde genommen, wenn sie nach ihrem Arbeitsleben Grundsicherung brauchen. Das ist bitter!“
Renten von Frauen oft an der Armutsschwelle
Auch Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg, betonte: „Altersarmut ist und wird vor allem weiblich sein. Insbesondere dann, wenn Frauen im Laufe ihrer Erwerbsbiographie vorwiegend Kinder betreut oder Angehörige gepflegt haben. Häufig können sie dadurch nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, nicht selten im Niedriglohnsektor. Die Rentenansprüche bewegen sich damit auf die Armutsschwelle zu oder sogar darunter.“
Auch die Linke unterstützt das Bündnis gegen Altersarmut. „Es ist gut, dass Gewerkschaften, Sozialverbände und kirchliche Einrichtungen an einen Strang ziehen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht. Das Rentenniveau müsse wieder auf 53 Prozent steigen.
Im Bündnis sind Stand Anfang April folgende Organisationen, Verbände und Gewerkschaften vertreten:
AWO Bezirksverband Württemberg e.V.;
Bischöfliches Ordinariat/FB Betriebsseelsorge;
Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V.;
Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V.;
DER PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg;
DGB-Bezirk Baden-Württemberg mit seinen acht Mitgliedsgewerkschaften:
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG);
Gewerkschaft der Polizei (GdP);
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW);
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG);
IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU);
IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE);
IG Metall Bezirk Baden-Württemberg;
ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg;
Diakonie Baden;
Diakonie Württemberg;
Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart;
Evangelische Arbeitnehmerschaft ean;
Evangelische Frauen in Baden;
Evangelische Senioren in Württemberg (LAGES);
Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB;
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelischen Landeskirche Baden;
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelischen Landeskirche Württemberg;
LAKA, Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen;
Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg;
Landesfamilienrat Baden-Württemberg;
Landesfrauenrat Baden-Württemberg;
Landesseniorenrat e.V.;
LandFrauenverband Württemberg-Baden e.V.;
Sozialverband VdK Baden-Württemberg e.V.;
Verband alleinerziehender Mütter und Väter.
Folge uns!