Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Bis zu 150 Menschen beteiligten sich am frühen Silvesterabend, 31. Dezember 2017, in Stuttgart an einer Demonstration in „Solidarität mit politischen und sozialen Gefangenen“. Nach einer kurzen Auftaktkundgebung an der U-Bahn-Haltestelle Stammheim zogen sie mit Fackeln und Sprechchören durch die Aspergstraße zur Justizvollzugsanstalt (JVA). Auf dem Platz vor dem Gefängnis und auf freiem Feld zündeten sie Silvesterkracher und Raketen. Ihr Protest richtete sich allgemein gegen Repression – etwa im Zug des G20-Gipfels in Hamburg -, vor allem aber gegen die Paragrafen 129 des Strafgesetzbuchs (Bildung krimineller Vereinigungen).
Nach Paragraf 129 b (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) werden immer wieder Kurden verurteilt, die angeblich die PKK unterstützen. Damit machen sich deutsche Behörden aus Sicht der Demo-TeilnehmerInnen zu Handlangern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der nahezu jeden Kritiker seiner gegen Kurden und Oppositionelle gerichteten Politik unter Terrorverdacht stellt. Auch in Stuttgart gab es bereits Urteile nach Paragraph 129 b.
Ein zweiter Schwerpunkt im Aufruf zum „Knastspaziergang“ war der 40. Jahrestag der bis heute nicht vollständig aufgeklärten Todesnacht in Stammheim. Am Morgen des 18. Oktober 1977 waren die RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe tot in ihren Zellen im 7. Stock aufgefunden worden. Irmgard Möller war schwer verletzt, überlebte jedoch. Sie widerspricht bis heute der These vom verabredeten Selbstmord (siehe „Selbstmord oder Mord?„).
Demonstrierende blieben unter sich
Zur Erinnerung an den Jahrestag brachten TeilnehmerInnen der Demonstration an der Gefängnismauer Porträts der vier RAF-Gefangenen an – allerdings an der Rückseite der Justizvollzugsanstalt, an der kaum jemand vorbeikommen dürfte, und ohne eine weitere Erklärung anzufügen. Doch es gab an dem Abend ohnehin kaum Publikum für die Demonstration. So fiel auch nicht ins Gewicht, dass die Reden über Megaphon nur schwer verständlich waren.
Gut zu verstehen waren hingegen die Sprechchöre – etwa „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Hoch die internationale Solidarität“, „“Solidarität heißt Widerstand, Kampf dem Faschismus in jedem Land“ oder „129, das kennen wir schon – Feuer und Flamme der Repression“. Skandiert wurde auch „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen“ und „Frieden den Hütten, Krieg den Palästen, Feuer und Flamme allen Knästen“.
Rote Farbe am JVA-Eingang
Die DemonstrantInnen blieben weitgehend unter sich. Die Polizei war zwar mit starken Einsatzkräften vor Ort, blieb aber auf Abstand im Hintergrund und vermied Provokation. Der Abend verlief ohne Zwischenfälle. Auch die Demosanitäter Südwest, die den Marsch ums Gefängnis mit zwei Helfern begleiteten, mussten nicht aktiv werden. Allerdings wurde der Eingangsbereich der Justizvollzugsanstalt – wohl auf dem Rückweg – mit Farbbeuteln beworfen.
Besonders viele Raketen und Böller wurden vor der Mauer und dem Hochsicherheits-Zaun auf der Rückseite des Gebäudes gezündet. Viele Gefangene schienen sich über den Besuch und das Feuerwerk zu freuen. Einige kamen an die vergitterten Fenster, riefen ihrerseits – zum Teil auf türkisch oder kurdisch – Parolen und freuten sich erkennbar über den Besuch. „Knastspaziergänge“ an Silvester gibt es in Stammheim bereits seit 1989.
Silvesterpartys mit Speis und Trank
Im Anschluss an die Demonstration gab es im Linken Zentrum Lilo Herrmann und im Stadtteilzentrum Gasparitsch die Möglichkeit, das Jahr gemütlich mit allerlei Köstlichkeiten in geselliger Runde ausklingen zu lassen.
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