Von unseren ReporterInnen – Stuttgart/Mannheim. In mehr als 50 Großstädten Europas gingen am Samstagabend, 10. März, Menschen auf die Straße. Mehrere Organisationen hatten europaweit dazu aufgefordert, sich solidarisch mit der Bevölkerung von Afrin zu zeigen und sich spontanen Aktionen anzuschließen. Auch in Stuttgart und Mannheim gab es Kundgebungen.
Seit 50 Tagen ist Afrin den Angriffen des türkischen Staates ausgesetzt. In dem nordsyrischen Kanton droht ein Massaker an der Bevölkerung. Berichten zufolge soll das türkische Militär nur noch zwei Kilometer vor dem syrisch-kurdischen Zentrum der Stadt Afrin entfernt seine Stellungen bezogen haben, um mit Unterstützung von Kampfjets die Militärhoheit in der Region zu erlangen.
Türkische Truppen haben Beobachtern zufolge nach einer mehrwöchigen Offensive die Außenbezirke der Stadt Afrin erreicht. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte rückten die Soldaten zusammen mit verbündeten Rebellen unter massivem Beschuss von Osten auf den Ort zu. Der Leiter der Beobachtungsstelle sagte, im Nordosten der Stadt habe es „heftige Kämpfe mit Luftangriffen und Artilleriebeschuss“ gegeben.
Genozid unter den Augen der Weltgemeinschaft
Die Türkei hatte im Januar ihre Offensive „Operation Olivenzweig“ gegen die syrischen Kurden in der Region Afrin gestartet. Inzwischen hat das Land die Kontrolle über den größten Teil der Region. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte erst kürzlich bei einer im Fernsehen übertragenen Rede in Mersin, nach Afrin würden auch die Städte Manbidsch, Kobane, Tal Abjad, Ras al-Ain und Kamischli „von Terroristen gesäubert“.
Damit riskiert Erdogan Konflikte mit den USA, die in der Umgebung des Ortes eigene Soldaten stationiert haben. Die Kurden-Milizen sind die wichtigsten Verbündeten der USA beim Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“.
Aufruf zu europaweiten Protesten
Während bis zu 400 KritikerInnen des Erdogan-Regimes überwiegend kurdischer Herkunft am Samstagnachmittag, 10. März, in der Stuttgarter Innenstadt ihren Protest gegen den Angriff der türkischen Armee auf Afrin auf die Straße trugen, überschlugen sich die Meldungen um die nordsyrische Stadt. Demnach sei die Lage um Afrin höchst kritisch.
Am späten Nachmittag schließlich riefen verschiedenste Organisationen europaweit zu Kundgebungen, Demonstration und weiteren Aktionen auf.
Aktionen bis nach Mitternacht
In Stuttgart demonstrierten etwa 400 Menschen unter der Parole „Alle Besatzer raus aus Kurdistan“ gegen die Angriffe auf Afrin am Abend. Es gab Ausrufe wie „Lasst die ganzen Opfer nicht umsonst gewesen sein. Lasst die ganzen Errungenschaften nicht umsonst gewesen sein. Erdogan Terrorist, Erdogan Kindermörder, Erdogan raus aus Kurdistan“.
Die Demonstrierenden trugen ihren Protest in Stuttgart mit einer spontanen Demonstration vom Hauptbahnhof ab 20.30 Uhr mit dem Ziel Schlossplatz bis weit nach Mitternacht auf die Straße. Noch während den Demonstrationen berichteten Medien von Angriffen der türkischen Luftwaffe auf Afrin.
„Euer Volk braucht jetzt eure Stimme!“
In Mannheim versammelten sich etwa 350 Personen zu einer spontanen Kundgebung vor dem Bahnhof. Ein mutmaßlicher AfD-Anhänger versuchte die Kundgebung durch Provokationen zu stören. Nachdem sich der Versammlungsleiter beschwert hatte, entfernten Polizeibeamte den Störer von der Kundgebung.
Die Einsatzkräfte vor Ort zeigten sich von der spontanen Kundgebung genervt. Die Beamten verlangten, dass Reden ausschließlich auf Deutsch gehalten werden. Als einzelne RednerInnen der Forderung nicht nachkamen, schritt die Polizei ein und verlangte die Personalien der eingesetzten Ordner. Nach einer Stunde des friedlichen Protests wurde die Versammlung beendet.
Dietmar Bartsch: „Schluss mit dem Drei-Affen-Prinzip“
Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag Dietmar Bartsch bezichtigt die Bundesregierung, sich durch Unterlassung am Völkerrechtsbruch ihres NATO-Partners mitschuldig zu machen. Das Erdogan-Regime führe in Afrin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf fremdem Territorium.
Bartsch forderte „Schluss mit dem Drei-Affen-Prinzip!“ und berief sich auf Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta, wonach alle Mitglieder in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen haben.
Mobilisierung nach Hannover
Bundesweit wird weiter zu einer Newroz-Demonstration am Samstag, 17. März, in Hannover mobilisiert. Auch die Organisatoren dieser Demonstration sahen sich mit Repression konfrontiert: Die Polizei hatte eine Versammlungsleitung des Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland (Nav-Dem) nicht akzeptiert und behauptet, es sei von der verbotenen PKK gesteuert.
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