Köln. Das Musik-Aktionsnetzwerk Lebenslaute gab am Dienstagmorgen, 21. August, wie angekündigt ein Aktionskonzert am Hauptzugang zum Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln-Volkhoven. Vor begeisterten ZuhörerInnen unterstrichen Chor und Orchester unter dem Motto „Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate – Geheimdienste abschalten!“ ihre Forderung, die Behörde abzuschaffen. Das teilte das Aktionsnetzwerk mit.
„Das BfV ist ein Ort des Unrechts, gefährdet eine offene und vielfältige Gesellschaft und ist nicht reformierbar“, so Markus Bayer von Lebenslaute. In dem zweistündigen Konzert erklangen sinfonische Werke, ein türkisches Klagelied, eigene Bearbeitungen des James-Bond-Themas und des Geier-Lieds aus dem „Dschungelbuch“. Zusätzlich gab es Gastbeiträge der Pappnasen Rotschwarz und eine Aktenschredder-Performance der Initiative „Keupstraße ist überall“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Bereits am Samstag hatte Lebenslaute das vollständige Programm in der Alten Feuerwache vor über 100 ZuhörerInnen aufgeführt. Am Dienstag habe man den Betriebsablauf im BfV gestört. Ab 5.15 Uhr seien alle Zugänge blockiert gewesen, die Mitarbeiterinnen erst mit einer mehrstündigen Verspätung in ihre Büros gekommen. Die Polizei habe die Hauptzufahrt um 9.30 Uhr geräumt.
Die Aktionen wurden unterstützt von Köln gegen Rechts, Keupstraße ist überall, NSU Tribunal und DFG-VK. Vierzig Jahre nach dem „Celler Loch“ sei offensichtlich, dass der sogenannte Verfassungsschutz in kriminelle Aktivitäten verwickelt ist. Das Musiknetzwerk führt eine Reihe von Beispielen auf. Etwa den Prozess zum Mord an Ulrich Schmücker 1974, wo die Mordwaffe 15 Jahre lang beim Verfassungsschutz versteckt lag, während Unschuldige zu langen Haftstrafen wegen Mordes verurteilt wurden. Ebenso das Oktoberfestattentat 1980, wo die Verwicklung des Verfassungsschutzes in die Sprengstoffbeschaffung bis heute nicht geklärt ist. Vor allem aber die Enthüllungen im Zusammenhang mit den Anschlägen des rechtsextremen NSU.
Verfassungsschutz-Praxis erinnert an Stasi
Auch die Enthüllungen im NSU-Komplex hätten jedoch nicht zu Änderungen der Praxis des Geheimdienstes oder einer stärkeren demokratischen Kontrolle geführt. Im Gegenteil. Selbst wo sich ermittelnde Polizei und der Verfassungsschutz auf Verhöre von V-Menschen geeinigt hatten, sei dies vom damaligen hessischen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier untersagt worden.
Harmlose Aktivitäten kritischer BürgerInnen würden akribisch ausspioniert, wie zum Beispiel im Fall des stellvertretenden Richters am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Rolf Gössner. Einzelne Netzwerke würden wahlweise zersetzt oder unterstützt wie im Fall des NSU oder der Thüringer Kameradschaft. „Die im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes bekannt gewordenen Praktiken des sogenannte Verfassungsschutzes haben verblüffende Ähnlichkeiten mit denen der ostdeutschen Staatssicherheit, die zurecht abgeschafft wurde und deren Archiv aufgrund des couragierten Eintretens der DDR-Oppositionsbewegung für Demokratie und Menschenrechte der Öffentlichkeit bis heute zur Verfügung steht“, so Andreas Will von Lebenslaute.
„NSU-Urteil darf kein Schlussstrich sein“
Nach dem Abschluss des NSU-Prozesses in München bleiben viele Fragen zur Rolle des Verfassungsschutzes ungeklärt. Bisher bleiben Enthüllungen durch MitarbeiterInnen Ausnahmen. Lebenslaute fordert, mit dem Urteil keinen Schlussstrich unter die Ermittlungen zu ziehen.
Das Aktionsnetzwerk möchte einen Beitrag zur Diskussion der Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und schlussendlich aller Geheimdienste leisten. Eine freie, offene Gesellschaft braucht ein Klima der Zivilcourage. Dies wird durch mehrere Tausend verdeckt agierende MitarbeiterInnen der Geheimdienste gestört.
Alle Fotos: Lebenslaute
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