Update 6. Januar: Inzwischen hat Rechtsanwalt Roland Meister eine persönliche Erklärung zu dem Fall abgegeben. Er spricht von „infamen Rufmord“ – siehe im Wortlaut am Ende des Berichts. – Ellwangen/Gelsenkirchen. „Der unfassbare Fall des Alassa M.“ – so überschrieb die „Bild“-Zeitung am 4. Januar einen Artikel über die Rückkehr des nach Italien abgeschobenen Asylsuchenden Alassa Mfouapon. Seine Anwälte sind entsetzt über „die falsche, reißerische und aufhetzende Darstellung“. Sie sehen „eindeutig eine rote Linie überschritten und in unverantwortlicher Weise eine regelrechte Pogromstimmung geschürt“. Die Kanzlei will Unterlassung und Entschädigung fordern und kündigt eine Strafanzeige an.
Alassa Mfouapon war am 20. Juni 2018 mitten in der Nacht aus Ellwangen nach Italien abgeschoben worden. Er kehrte zurück und stellte am Morgen des 21. Dezember in Begleitung seines Anwalts bei der Außenstelle des BAMF in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen einen Asylfolgeantrag (siehe „Alassa Mfouapon ist zurück„).
Das Anwaltsbüro Meister & Partner in Gelsenkirchen wirft der „Bild“-Zeitung „reißerisch aufgemachte fake News“ über seinen Mandanten vor, heißt es in einer von Rechtsanwalt Frank Stierlin unterzeichneten Pressemitteilung.
„Wiedereinreise war legal“
So werde behauptet, der Asylantrag Mfouapons in Deutschland sei abgelehnt worden „wie 99 Prozent aller Asylanträge aus Kamerun“. Dabei hätten die deutschen Behörden den Asylantrag überhaupt nicht geprüft, sondern sich nach dem Dublin III-Abkommen für unzuständig erklärt und den Asylsuchenden nach Italien abgeschoben.
Auch treffe es nicht zu, dass Alassa Mfouapon „entgegen einem bestehenden Einreiseverbot“ wieder eingereist sei und sich damit strafbar gemacht habe. Sein Einreiseverbot sei auf sechs Monate befristet gewesen: „Diese Frist war zum Zeitpunkt seiner Wiedereinreise abgelaufen“, so die Anwaltskanzlei.
Kein Ermittlungsverfahren wegen Protestaktion
Ihr Mandant werde „willkürlich zum kriminellen Gewalttäter und Rädelsführer eines ‚Aufstands gegen die Polizei‘ gestempelt“. Tatsächlich habe es jedoch am 30. April 2018 gegen die Abschiebung eines Flüchtlings in der LEA Ellwangen „eine friedliche spontane Protestaktion“ gegeben. Sie sei vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt gewesen, und es sei bei ihr „keinerlei aktiver Widerstand geleistet“ worden.
Die Staatsanwaltschaft Ellwangen und die Polizeidirektion Aalen hätten in einer Pressemitteilung klar gestellt, dass Mfouapon an den Vorkommnissen vom 30. April 2018 nicht beteiligt war und deshalb auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde.
Hetze in den „sozialen Netzwerken“
Auch werde behauptet, Mfouapon habe über die Kanzlei Meister & Partner „die Polizisten“ verklagt, denen er sich in den Weg gestellt habe, als sie „Recht durchsetzen wollten“. Tatsache sei, dass das Büro der Kanzlei beim Verwaltungsgericht Stuttgart den Dienstherrn der Polizei, nämlich das Land Baden-Württemberg, verklagt habe – „und zwar auf Feststellung, dass der Großeinsatz der Polizei in der LEA Ellwangen vom 3. Mai 2018 vom Polizeigesetz nicht gedeckt, völlig unverhältnismäßig und daher rechtswidrig war“.
„Wohl wissend, dass die rassistische und fremdenfeindliche Hetze in den sozialen Netzwerken ein unerträgliches Maß erreicht hat und – wie das Beispiel des Amokfahrers von Bottrop zeigt – sich einzelne bereits dazu berufen fühlen, Gewaltaufrufe gegen Flüchtlinge in die Tat umzusetzen, hat ‚Bild‘ nichts besseres zu tun, als den ultrareaktionären und offen faschistischen Urhebern durch solche reißerisch aufgemachten fake news auch noch Schützenhilfe zu leisten“, werfen die Anwälte der Springer-Zeitung vor.
Anwaltliche Tätigkeit diffamiert
„Als Krönung“ werde auch noch ein Foto der Flüchtlingsunterkunft in Karlsruhe gezeigt, in der sich ihr Mandant jetzt aufhalte. „Müssen erst wieder Flüchtlingsheime brennen, bis die verantwortlichen ‚Bild“-Redakteure begreifen, welche Folgen das haben kann? Oder ist ihnen das sogar egal?“, fragen die Anwälte.
In seinem Kommentar schrecke „ein Herr Hans-Jörg Vehlewald“ nicht davor zurück, die anwaltliche Tätigkeit insgesamt und auch die über dreißigjährige Tätigkeit der Kanzlei „zur Durchsetzung der in den letzten Jahren immer weiter eingeschränkten Rechte von Geflüchteten als ‚Geschäftemacherei‘ mit dem Schicksal von Flüchtlingen zu diffamieren“.
Kanzlei kündigt rechtliche Schritte an
Die Anwälte weiter: „Während Regierung und Berliner Parteien immer weiter nach rechts rücken und nicht nur die Rechte der Geflüchteten sondern, wie zum Beispiel in den neuen Polizeigesetzen, auch breiter Teile der Bevölkerung abbauen, fordern mehr und mehr Menschen eine demokratische und humanitäre Flüchtlingspolitik und den Erhalt und die Durchsetzung ihrer demokratischen Rechte und Freiheiten. Dazu dient unsere anwaltliche Tätigkeit.“
Alassa Mfouapon und die Anwälte wollen sich „diesen Hetzartikel nicht bieten“ lassen. „Wir werden dagegen die erforderlichen rechtlichen Schritte auf Unterlassung und Entschädigung einleiten sowie Strafanzeige erstatten“, kündigen sie an.
Persönliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Roland Meister zur Bild-Berichterstattung vom 04.01.2019 zum Asylfall Alassa M.
„Als Rechtsanwalt von Alassa M. protestiere ich gegen meine Diskreditierung und Verleumdung in diesem Artikel. Er behauptet, ich würde „Geschäftemacherei betreiben, die das Schicksal der Flüchtlinge ausnutzt – finanziell und politisch!“ Das ist infamer Rufmord.
- Ich praktiziere seit 1980 als Rechtsanwalt in einer der im Asyl- und Ausländerrecht angesehenen Kanzleien Deutschlands. Ich vertrete Alassa M. wie viele andere Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende, weil diese in Deutschland auch von kompetenten Anwälten in Deutschland vertreten werden müssen, wenn sie ihre sowieso sehr beschnittenen Rechte wahrnehmen wollen.
Das erfolgt unter großem Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei, denn komplexe Fälle wie die von Alassa M. rechnen sich unter finanziellen Gesichtspunkten nicht, wenn man sie gründlich bearbeitet. Alle Gelder für die Verfahren von Alassa wurden durch die Menschen der Flüchtlingssolidarität aufgebracht. Keinen Cent davon hat bislang der Staat bezahlt. Es zeugt von Unkenntnis oder Böswilligkeit, wenn generell behauptet wird, dass der Staat Flüchtlingen „einen Anwalt bezahlt …, wenn er selbst kein Geld hat“.
Ich streite mit meinem Mandanten strikt um seine Rechte und Freiheiten, die ihm in Deutschland zustehen; mit „politischer Agitation“– wie die BILD behauptet – hat das nicht das Geringste zu tun.
- BILD behauptet, mein Mandant sei illegal nach Deutschland gereist und hätte sich strafbar gemacht, weil eine „Einreisesperre bestanden“ hätte. Dabei ergibt sich aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.03.2018, dass das am 21.12.2018 nicht mehr der Fall war. Das darin ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot beruhte auf §11 Abs. 1 AufenthG. Dessen Wirkung war auf sechs Monate befristet. Diese Frist ist inzwischen abgelaufen.
- Mein Mandant konnte rechtmäßigin Übereinstimmung u. a. mit der Genfer Flüchtlingskonvention nach seinem sechsmonatigen Aufenthalt in Italien wieder nach Deutschland einreisen, um in Deutschland einen neuen Asylantrag zu stellen. Ein Kernstück der Genfer Flüchtlingskonvention ist das sogenannte Non-Refoulement-Gebot des Art. 33 Absatz 1 Genfer Flüchtlingskonvention. (Verbot der Ausweisung und Zurückweisung). Es untersagt den Vertragsstaaten, zu denen Deutschland gehört, ausdrücklich, einen Flüchtling in einen Staat aus- oder zurückzuweisen, in dem „sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“
Als in einem ähnlich gelagerten Fall die deutsche Regierung einen Flüchtling, der aus Italien kommend, einen erneuten Asylantrag stellte, sofort wieder ohne weitere Prüfung abschieben wollte, kam der Europäische Gerichtshof (EUGH) zum Ergebnis, dass dies rechtswidrig und willkürlich ist und eine neue Prüfung des Asylantrages erforderlich ist. (Urteil des EUGH vom 25.01.2018 – Aktenzeichen C-360/16)
Die Ausreise aus Italien und die Einreise nach Deutschland entspricht auch dem Dublin III-Abkommen. Denn in Italien existiert faktisch kein Asylrecht mehr und es bestehen systemimmanente Mängel im Asylverfahren. Anerkannte internationale Organisationen wie der Danish Refugee Council (DRC) oder die Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) stellen in einem aktuellen Monitoring-Bericht fest, dass die Bedingungen für Flüchtlinge in Italien untragbar sind, insbesondere auch nach den jüngsten Verschärfungen durch das Salvini-Gesetz, das Anfang Dezember 2018 im italienischen Parlament verabschiedet wurde. Dies gilt insbesondere für traumatisierte Flüchtlinge wie Alassa M. Er wurde in Libyen massiv gefoltert und sein 2-jähriges Kind ist im Mittelmeer ertrunken.
- Der Asylantrag von Alassa M. ist auch nicht aussichtslos, sondern begründet! Mein Mandant musste aus Kamerun fliehen. In Kamerun existieren keine demokratischen Rechte und Freiheiten, sondern Willkür, staatliche Repression und massive Korruption. Im Demokratieindex der Zeitschrift The Economist belegt Kamerun Platz 140 von 167 Ländern. Das Bistum Limburg schreibt am 29.11.2018 an die Bundesregierung: „Machen wir uns nichts vor, wir sind im Krieg. Jeden Tag gibt es Schusswechsel und täglich sterben mehr Menschen“, erzählt ein Priester aus Kamerun, der im Bistum Limburg zu Gast ist. Seine Aussage steht beispielhaft für die derzeitige Situation in Kamerun, heißt es einem Brief der Diözeseversammlung des Bistums Limburg an Bundeskanzlerin Angela Merkel.“ Im letzten Länderbericht von amnesty international 2017/2018 heißt es u. a.: „Soweit bekannt, sind die kamerunischen Behörden den Vorwürfen über Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, Folter und andere Misshandlungen nicht nachgegangen und haben auch keine Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Vorfälle oder zur strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung der Täter ergriffen. …Menschenrechtsverteidiger, zivilgesellschaftlich engagierte Bürger, Journalisten, Gewerkschafter, Rechtsbeistände und Lehrer wurden 2017 weiterhin eingeschüchtert, schikaniert und bedroht….“
- Alassa und seine Familie mussten u. a. deshalb fliehen, weil er sich weigerte, sich von seiner christlichen Ehefrau scheiden zulassen. Sie waren deshalb systematischer vom Staat ausgehender Willkür und Gewalt ausgesetzt.
Auf der Flucht war er ein Jahr in einem der mit faktischer Duldung der EU in Libyen bestehenden Folterzentren inhaftiert. Dort wurde er massiv misshandelt, auch weil er sich mit anderen Flüchtlingen nicht einfach willenlos der Repression und dem staatlichen Terror beugte. Genau solche Menschen sollen durch das Asylrecht und mit der nach dem Hitlerfaschismus erreichten internationalen Konventionen zum Schutz von Flüchtlingen und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt werden.
- Es trifft zu, dass ich Herrn Alassa M. in der Klage gegen die Landesregierung Baden-Württembergs vertrete. Dieser Polizeieinsatz war eindeutig rechts- und verfassungswidrig. Er war weder durch das Polizeirecht gedeckt, noch lag ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor. Aus Juristenkreisen wurden Alassa M. und unser Büro dafür gewürdigt, dass diese Klage erhoben wurde, da sehr verbreitet das Vorgehen der Landesregierung in Baden-Württemberg und ihrer Polizei als grob unverhältnismäßig, willkürlich und rassistisch motiviert angesehen wird. Dieser Kern des politischen Handelns von Herrn Alassa M. wird von der BILD-Zeitung geflissentlich verfälscht in irgendeine Klage gegen „sogar Polizisten“.
- Er wurde von der Polizei am 20.06.2018 bei seiner Abschiebung ohne jeden Grund brutal behandelt, zu Boden geworfen, misshandelnd gefesselt usw. Wenn die BILD-Zeitung es skandalisieren will, dass bei rechtswidrigen Taten „sogar Polizisten“ oder ihre Dienstherren verklagt werden, dann liegt es nur daran, dass es der Bild-Zeitung eben nicht um Recht und Gesetz, sondern selbst um „politische Agitation“ geht.
- Im Bild-Artikel darf Reiner Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft und selbst durch langjährige unrechtmäßige Bezüge aus der Staatskasse berüchtigt auch noch zu offenem Rechtsbruch aufrufen, wenn er fordert, dass Menschen wie Alassa M. „sofort hinter Gitter“ gehören.
- Ich werde gegen die Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte und unsäglicher Angriffe auf die demokratische Flüchtlingssolidarität und Öffentlichkeit umgehend rechtliche Schritte gegen die Bild-Zeitung ergreifen.
- Als Rechtsanwalt bin ich ein Organ der Rechtspflege. Ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich an illegalen Aktivitäten beteiligt wäre, wenn ich meinem Auftrag gemäß einen Beitrag dazu leiste, dass demokratische Rechter und Freiheiten erhalten bleiben.
Roland Meister“
Siehe auch
„Alassa Mfouapon ist zurück„
„Polizisten und bewaffnete Spezialkräfte stürmen Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge“
„Protest gegen Kriminalisierung“
„Klage gegen Polizeieinsatz„
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