Von Heribert Grondler – Stuttgart: „Gegen Abschiebungen – Solidarität mit Solution!“ lautete das Motto der kurzfristig angesetzten Kundgebung für einen abgeschobenen Geflüchteten aus Nigeria. Auf dem Stuttgarter Schlossplatz versammelten sich am Samstag, 14. September, rund 100 Menschen, um gegen die die „Nacht-und-Nebel-Abschiebung“ von Austine Solution Josiah aus Nigeria, der in Göppingen untergebracht war, zu protestieren. Er soll nach Angaben der Veranstalter Donnerstagnacht, 12. September, von der Polizei aus seiner Unterkunft geholt und nach Italien abgeschoben worden sein.
Bei wunderschönem Spätsommerwetter blieben in der stark frequentierten Fußgängerzone viele PassantInnen stehen und informierten sich. UnterstützerInnen hatten auffällige Schilder und ein großes Transparent gemalt. Einige Erstunterzeichner des „Ellwanger Appell“ waren anwesend, so zum Beispiel Professor Fischer oder der Zeitungskolumnist Joe Bauer.
Abschiebung eines unliebsamen Zeugen?
Julia Scheller, Landesvorsitzende der MLPD, und Christine Schaaf vom Freundeskreis Alassa and Friends moderierten den Protest. Julia Scheller wies auf mögliche Hintergründe der Abschiebung hin: „Solution ist Zeuge im Prozess gegen das Land Baden-Württemberg zu dem illegalen Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahmeanstalt Ellwangen. Sollen jetzt unliebsame Zeugen aus dem Weg geräumt werden?“ Man wolle Solution nicht alleine lassen. Von der Kundgebung aus wurde er angerufen und mit dem Sprechchor „Hoch die internationale Solidarität!“ gegrüßt. Solution bedankte sich für die Solidarität.
Ein Gewerkschafter der Stuttgarter Straßenbahnen überbrachte Solidaritätsgrüße und berichtete von den Auseinandersetzungen um die Flüchtlingsfrage im Betrieb. „Vielen Kollegen geht es um Menschlichkeit. Das ist richtig. Aber Leute wie Solution sind auch Verbündete im gemeinsamen Kampf.“ Christel Beck hat mit Solution in Göppingen eng zusammen gearbeitet. Sie wandte sich gegen die Behauptung, Flüchtlinge würden Arbeitsplätze gefährden: „Bei uns in der Region stehen derzeit hunderte Arbeitsplätze auf der Kippe, so bei Schuler-Pressen in Göppingen. Da soll die ganze Produktion geschlossen werden. Das hat mit den Flüchtlingen rein gar nichts zu tun, sondern ist einfach die Jagd nach maximalen Profiten. Sie sind für Arbeitsplatzabbau verantwortlich.“
Flüchtlingspolitischer Kongress angekündigt
Immer wieder blieben auch Geflüchtete Mehr und mehr blieben an dem lauen Abend Flüchtlinge stehen. So machten beispielsweise Afghanen und Syrier am „Offene Mikrofon“ auf ihre Lage aufmerksam. Julia Scheller kündigte an: „Wir haben in den letzten Jahren sehr viel Erfahrungen gesammelt im gemeinsamen Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung, auch wie die Flüchtlinge sich selbst organisieren können. Deswegen werden wir zum Jahresende einen flüchtlingspolitischen Kongress vorbereiten. Solution wollen dort wir dabei haben!“
Hintergrundinformationen des Freundeskreises Alassa & Friends:
„Bekannt wurde Austine Solution Josiah spätestens im November 2018. Damals sollte er bereits nach Italien abgeschoben werden. Nachdem der bundesweit bekannte Alassa M., Sprecher und führender Repräsentant der fortschrittlichen, demokratischen Flüchtlingsbewegung, im Juni 2018 mutmaßlich politisch motiviert abgeschoben wurde, trat Solution in Deutschland gewissermaßen seine Nachfolge an.
Solution war ebenfalls aktiv bei der selbstorganisierten Demonstration der Ellwanger Flüchtlinge am 9. Mai 2018 (die BN berichteten) gegen den brutalen Polizeiüberfall am 3. Mai 2018 auf die LEA in Ellwangen (siehe „Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir“). Am 18. August 2018 moderierte er die große Kundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart (die BN berichteten), die der Auftakt des „Ellwanger Appell“ war, für den inzwischen über 23 000 Menschen unterschrieben haben (change.org/alassa).
In der Landeserstaufnahmestelle kümmerte er sich um den weiteren Zusammenschluss der Flüchtlinge im Kampf gegen ihre Kriminalisierung. Im November letzten Jahres sollte dann auch er abgeschoben werden. Der Freundeskreis Alassa & Friends organisierte 5 Tage lang eine nächtliche Mahnwache vor der LEA, machte eine breite Öffentlichkeitsarbeit und organisierte die Solidarität – die Abschiebung fand nicht statt. Solution wurde dann „straf verlegt“ in die LEA Sigmaringen und erhielt ein Hausverbot für die LEA Ellwangen. Angeblich würde seine Anwesenheit den „Frieden“ in der LEA Ellwangen stören! Was für ein Hohn. Beinahe jede Nacht kommt die Polizei in die Flüchtlingsunterkünfte um Abschiebungen durchzuführen. Baden-Württemberg mit seiner Landesregierung unter dem Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann steht neben Bayern in Deutschland an der Spitze dieser unmenschlichen Abschiebepraxis und verbreitet damit permanent Angst und Schrecken unter den Flüchtlingen. Sie schlafen zum Teil kaum, in ständiger Angst vor Deportation. Wer stört also den Frieden in der LEA? Gegen dieses Hausverbot hat Solution daher Klage eingereicht.
Inzwischen hat Solution sich im Landkreis Göppingen in einer Flüchtlingsunterkunft eingelebt, lernt Deutsch, hatte ehrenamtlich an einem Radio Projekt mitgearbeitet, Freunde gefunden. Auch ihm machte das Leben in ständiger Angst vor Abschiebung zu schaffen. Trotzdem kämpfte er mit dem Freundeskreis Alassa & Friends für die Rechte der Flüchtlinge, gegen Fluchtursachen, interessierte sich immer sehr für die politische Entwicklung in Deutschland – nicht nur für die Flüchtlingsfragen.
In der Nacht vom 11.9. auf den 12.9., gegen 2.00 Uhr kam die Polizei in seine Unterkunft. Das Handy wurde ihm abgenommen – er konnte weder seinen Anwalt noch Freunde informieren. Jetzt ist er in Italien. Dort muss er auf der Straße leben – es gibt dort keine Unterstützung durch den Staat. Daran hat sich auch mit der neuen Regierung nichts geändert. Diese heuchelt Humanität, will aber ausdrücklich sämtliche von Salvini organisierte Dekrete der reaktionären Flüchtlingspolitik nicht aufheben.
Der Freundeskreis Alassa & Friends verurteilt diese reaktionäre Maßnahme durch Landes- und Bundesregierung und fordert die sofortige Rückholung von Solution nach Deutschland. Seine Anwälte haben entsprechende juristische Schritte eingeleitet. Die Verhandlung der Klage von Alassa M. gegen das Land Baden-Württemberg gegen den rechtswidrigen Polizeiüberfall am 3. Mai 2018 auf die Ellwanger LEA steht aus. Hierfür ist Solution zusammen mit vielen anderen ein wichtiger Zeuge. Soll seine Abschiebung der Auftakt sein zu einer größer angelegten Beseitigung von Zeugen? In jedem Fall soll sich mit seiner Abschiebung eines couragierten Kämpfers für demokratische Rechte und Freiheiten, für internationale Solidarität, für selbstorganisierten, überparteilichen Zusammenschluss von Flüchtlingen und aus Deutschland stammenden Menschen gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien entledigt werden.“
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