Pau/Göttingen. Im französischen Pau findet am Freitag, 27. September, der Berufungsprozess gegen drei linke Aktivisten aus Nürnberg statt, die nach Meinung der Roten Hilfe e.V. unter faktisch rechtswidrigen Umständen seit über einem Monat in Frankreich in Haft sind. Anlass ihrer Inhaftierung seien keine kriminalisierbaren Handlungen oder auch nur Beweise für eine konkrete Planung von schweren Straftaten, sondern einzig und allein ihre politische Meinung. Dieses offensichtliche Beispiel für eine willkürliche Gesinnungsjustiz sei Teil der massiven Repressionsmaßnahmen, die die französischen Behörden rund um den G7-Gipfel im baskischen Biarritz ausübten.
Die drei jungen Männer waren auf der Durchreise durch Südfrankreich in den Urlaub, als sie am 21. August auf der Autobahn von der Polizei kontrolliert und in Gewahrsam genommen wurden. Vorgeworfen wurde ihnen, sie seien auf dem Weg zu den Protesten gegen das Gipfeltreffen, das drei Tage später begann. Um aus einem Grundrecht wie der Teilnahme an einer Versammlung einen Tatvorwurf zu drehen, argumentierten die französischen Behörden, sie hätten zu dritt eine „gewalttätige Gruppe“ gegründet mit dem Ziel, bei den Aktionen gegen den G7 Straftaten zu begehen. Die Rote Hilfe führt dazu aus, Grundlage dafür sei ein in Frankreich massiv umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2010, das bereits die spontane Bildung solcher Gruppen unter Strafe stelle. Damit sei der willkürlichen Zuschreibung von „Gruppenbildung“ durch die Polizei und der Kriminalisierung jeder unerwünschten Ansammlung von oppositionellen Personen Tür und Tor geöffnet. „Als Anlass, um drei durchreisende Heranwachsende auf diese Art zu verfolgen, wurde linke Literatur in ihrem Reisegepäck benutzt sowie die Tatsache, dass sie auf einer internen „Schwarzen Liste“ standen, die die französischen Behörden im Vorfeld des Gipfels über mögliche GegnerInnen erstellt hatten“, erklärt die Rote Hilfe in einer Pressemitteilung.
Nach ihrer Verhaftung seien die drei Aktivisten auf verschiedene Gefängnisse verteilt und isoliert worden. Da sie kein Französisch sprechen würden, hätten sie sich auf den bevorstehenden Prozess in keiner Weise vorbereiten können und auch ihre Rechte nicht voll einfordern. Sowohl ihren Angehörigen als auch ihren AnwältInnen sei jeglicher Kontakt mit ihnen verweigert worden, und auch über die deutsche Botschaft sei kein Zugang möglich gewesen. Nur zwei Tage später seien sie in einem Schnellverfahren zu drei bzw. zwei Monaten Haft ohne Bewährung sowie einer fünfjährigen Einreisesperre verurteilt worden. Die anwesenden VertrauensanwältInnen hätten sich nicht am Prozessgeschehen beteiligen dürfen, sondern hätten die Justizposse, die unter Mitwirkung der staatlich gestellten PflichtverteidigerInnen aufgeführt wurde, ohnmächtig mit ansehen müssen. Seither befänden sich die drei Nürnberger Aktivisten in Frankreich in Haft.
Für den 27. September ist nun der Berufungstermin angesetzt, an dem es die Möglichkeit gäbe, „dieses Willkürurteil zu kippen“.
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. erklärte dazu:
„Schnellverfahren sind grundsätzlich ein Auswuchs des Justizsystems, das jeglichen rechtsstaatlichen Minimalstandards eines fairen Prozesses Hohn spricht. Wenn das Verfahren zusätzlich aber noch auf der bloßen Tatsache beruht, dass die Angeklagten linke Aktivisten sind, handelt es sich um ein klassisches Beispiel der Gesinnungsjustiz. Der Vorwurf der spontanen Bildung von ‚gewalttätigen Gruppen‘ ist grotesk und ermöglicht eine willkürliche Verfolgung missliebiger Personen und Meinungen. Die Rote Hilfe e.V. protestiert entschieden gegen die ausufernde Kriminalisierung von GipfelgegnerInnen und allen, die vom Staat als solche eingestuft werden. Die internationale Öffentlichkeit ist aufgerufen, den am 27. September stattfinden Berufungsprozess kritisch zu begleiten und den zunehmenden repressiven Angriffen gegen oppositionelle und fortschrittliche Menschen entgegenzutreten.“
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