Von Caro Talbach – Ludwigsburg. Die AfD hatte für Freitagabend, 25. Oktober, ab 18 Uhr in die Musikhalle in Ludwigsburg eingeladen. Schon eine Stunde zuvor begann die Polizei, den Eingang zu der Veranstaltung mit Hamburger Gittern abzusperren. Da waren weit und breit noch keine GegendemonstrantInnen in Sicht. Unter dem Motto „Solidarität statt Hetze – AfD raus aus Ludwigsburg!“ des Bündnisses „Ludwigsburg gegen rechts“ kamen dann mehr als 400 GegendemonstrantInnen. Nach der angemeldeten Gegenkundgebung gab es noch eine Spontandemonstration.
Das Bündnis „Ludwigsburg bleibt bunt“ hatte schon ab dem Mittag dazu aufgerufen, sich auf dem Marktplatz der Stadt für ein buntes und demokratisches Ludwigsburg zu versammeln. Der städtische Bahnhofsmanager und ehemalige „Luis“-Innenstadtbeauftragte Axel Müller ist der Initiator des Bündnisses“. Auf Papierrollen konnte man entsprechende Botschaften hinterlassen. Ein großer Andrang zu dieser Aktion weit weg von der Musikhalle blieb jedoch aus.
Dafür kamen GegendemonstrantInnen aller Altersgruppen am Abend vor die Musikhalle. „Ludwigsburg gegen rechts“ und ein breites Bündnis von Gewerkschaften und Bürgern hatte zum Gegenprotest aufgerufen. Gemeinsam wurde der Platz rund um die Musikhalle besetzt und lautstark und kraftvoll zum Ausdruck gebracht, dass die AfD in Ludwigsburg nicht erwünscht sei. Viele hatten Transparente und Schilder dabei.
Zu der AfD-Veranstaltung kamen etwa 240 Besucher in die Musikhalle, in der 340 Personen Platz finden. Im Vorjahr war die AfD gar nicht nach Ludwigsburg gekommen. 2017 hatte sie einen herben Flop im Forum zu verarbeiten. Damals waren 980 Personen erwartet worden, tatsächlich kamen nur etwa 230 (siehe „980 Stühle für 230 Besucher bei der AfD„.
Vier Bundestagsabgeordnete angekündigt
Wie immer, wenn die AfD in den Landkreis Ludwigsburg einlädt, kamen mindestens doppelt so viele GegendemonstrantInnen. Mehrfach fragten sich am Freitag die Ludwigsburger vor der Halle, warum die Abteilung Tourismus & Events der Stadt Ludwigsburg, die sowohl das Forum als auch die Musikhalle betreibt, dieser rechtsradikalen Partei immer wieder Räume zur Verfügung stellt.
Für den Abend waren vier Bundestagsabgeordnete der rechten Partei angekündigt. Der Jurastudent Markus Frohnmaier, Sprecher von Alice Weidel, der zur „fundamentalistischen Neuen Rechten“ in der AfD gezählt wird. Ebenso der Bundestagsabgeordnete Volker Münz, Religionspolitischer Sprecher der AfD. Er gehört zum christlich-konservativen Flügel der Partei und fiel als Kritiker von Björn Höcke auf.
Alice Weidel kam erst spät
Der dritte Bundestagsabgeordnete war Martin Hess, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der AfD und Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, Polizeibeamter und Dozent in der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten, zuletzt am Böblinger Institut für Fortbildung der Polizeihochschule Baden-Württemberg. Er trat als Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Ludwigsburg an.
Pikant ist, dass kurz vor der Wahl des baden-württembergischen Vorsitzenden der AfD parteiintern das Gerücht aufkam, Hess sei vom Verfassungsschutz in die AfD eingeschleust worden. Die Wahl zum Vorsitzenden verlor er. Er war es auch, der Indymedia verbieten wollte.
Als letzte Rednerin war Alice Weidel angekündigt, die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Sie kam allerdings so spät nach Ludwigsburg, dass die Proteste bereits vorbei waren und sich auch die Reihen in der Halle merklich gelichtet hatten.
- Weidels Limousine? – „Baby, you can drive my car“
- Alice Weidel, AfD-Fraktionsvorsitzende
Polizei eskortiert Veranstaltungsbesucher
Während drinnen die üblichen Verschwörungstheorien verbreitet wurden und Hasstiraden gegen alle möglichen Gruppen zu hören waren – auch gegen die Demonstranten vor der Tür -, wurde draußen lautstark die Ablehnung gegen die rechtsradikale Partei verdeutlicht. Da die Polizei sämtliche Eingänge zur Musikhalle mit den Hamburger Gittern versperrt und nur einen kaum zu erkennenden Korridor als Eingang für die Teilnehmer der Veranstaltung gelassen hatte, mussten sie sich ihren Weg in die Halle suchen.
Einige Veranstaltungsteilnehmer wurden von einer männlichen und weiblichen Polizeieskorte persönlich außerhalb der Proteste abgeholt und zur Halle geleitet. Andere, die sich ihren Weg allein durch die Menge suchten, wollten möglicherweise einer Auseinandersetzung mit den GegendemonstrantInnen. Mancher lief einfach direkt auf die Gitter zu, mitten durch die Gegendemonstration, obwohl dort keine Eingänge zu sehen waren.
AfD-Anhänger mit Buhrufen empfangen
Jeder der Teilnehmer wurde mit lauten Buhrufen empfangen und zum Eingang begleitet. Wie viele Teilnehmer durch die Gegendemonstranten abgeschreckt wurden, ist nicht klar. Aber vermutlich haben doch etliche die Veranstaltung deswegen nicht besucht. Andere hatten schon fast eine infantile Freude daran, sich auf der Empore am Eingang zu zeigen und den Gegenprotest zu fotografieren oder zu filmen. Es gab auch direkte Drohungen von Veranstaltungsteilnehmern gegen die Gegendemonstranten und gegen Pressevertreter.
- Durch den starken Protest war ein direkter Zugang zur AfD-Veranstaltung nicht möglich
- Eine AfD-Anhängerin fiel durch ihr infantiles Verhalten besonders auf
Weiterhin fiel eine BFE-Polizeieinheit am Korridor zu der Halle durch ihr unnötig aggressives Verhalten auf. Dort kam es auch zu einer Festnahme durch die BFE. Sobald sich eine Person dem Protest näherte, wurde mit roher Gewalt der Weg freigeprügelt, teilweise noch bevor klar wurde, ob diese Person überhaupt zu der Veranstaltung wollte. Teilnehmer des Protests gegen die AfD fragten, ob die Polizei denn nicht in der Lage sei, das Gelände so abzusichern und abzusperren, das es zu keinen solchen Rangeleien kommt.
AfD will Emanzipation zurückdrängen
Als im Saal die Veranstaltung begann, wurden bei der Kundgebung zwei Reden gehalten (siehe unten). In ihnen wurde daran erinnert, dass die AfD als Bestandteil des rassistischen und nationalistischen Denkens das Konzept der traditionellen Familie, die Reproduktion des deutschen Volkes sehe. Wie wolle die Errungenschaften der Frauenbewegung, die Emanzipation der Frauen und den Kampf für eine solidarische und gerechte Welt weiter zurückdrängen. Für die Frauen habe die AfD ein altes Rollenbild vorgesehen, das an Herd und Heim. Zum antifaschistischem Kampf gehöre auch der Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen.
Nach der Kundgebung gab es eine Spontandemonstration von etwa 200 Personen vom Bahnhof über die Myliusstraße bis zur Wilhelmgalerie und zurück zum Bahnhof. Mehrere Polizeifahrzeuge begleiteten die kämpferische Demonstration, bei der auch Rauchfackeln gezündet wurden.
- Die AfD-GegnerInnen …
- … nehmen sich …
- … spontan die Straße
Die zweite Rede im Wortlaut:
„Liebe Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger,
heute trifft sich die AfD bei uns in der Musikhalle und masst sich an hier über unsere „Sicherheit“ reden zu können. Ausgerechnet die Partei, die in den wenigen Jahren seit ihrem Bestehen den gesellschaftlichen Rechtsruck wie keine andere Partei mit prägt und gleichzeitig Ausdruck dieser besorgniserregenden Entwicklung in Deutschland ist. Der heute hier geladene Bundestagsabgeordnete und ehemalige Polizeiausbilder Martin Hess steht für diese Verlogenheit wie kaum ein anderer in der AfD. Er präsentiert sich als vermeintlich lupenreiner Demokrat und Sicherheitsexperte und hat doch selbst Kontakte zu der Rechtsterroristischen Gruppierung „Uniter“, die wie unlängst herauskam, sich auf den Tag X vorbereitet, an dem sie in einer koordinierten Aktion alle ihnen nicht ins Menschenbild passenden politischen Gegner töten wollen.
Die Vorstellung, das diese Partei, oder durch sie aufgerüstete Sicherheitsapparate des Staates, für unsere Sicherheit gegenüber Rechtsterroristen sorgen könnte ist lächerlich, denn die Partei selbst befeuert ein gesellschaftliches Klima in dem Rechtsterroristen wie Stephan Balliet, der Attentäter von Halle, sich zu ihren antisemitischen und rassistischen Taten ermutigt sehen. Die Antwort auf diese rechten Angriffe auf unsere vielfältige Gesellschaft, liegt zuallererst im entschlossenen und mutigen gesellschaftlichen Engagement aller in Deutschland lebenden Menschen im Kampf gegen Rechts.
Des Weiteren setzt sich Hess zudem für die militaristische Forderung der AfD ein, Deutschland so aufzurüsten, dass sich die Bundeswehr wieder 30 Tage gegen jeden Aggressor verteidigen muss. Also erneute Aufrüstung Deutschlands zur größten europäischen Militärmacht. Wir brauchen keine vermeintliche Sicherheit durch innere und äußere Militarisierung, wir LudwigsburgerInnen brauchen die Sicherheit eines guten Arbeitsplatzes und die Sicherheit nicht durch Mietgängelung und Gentrifizierung aus unseren Stadtteilen vertrieben zu werden.
Ebenfalls anwesend ist heute der ehemalige Junge Alternative Vorstand Markus Frohnmeier. Der dem „Flügel“ – einer extrem rechten Formierung innerhalb der AfD um Höcke – zuzurechnende Rechtsaußen in der Partei beschäftigt in seinem Büro vorbestrafte Rechtsextreme und sagt offen er würde sobald er an der Macht wäre, mit allen linken Politikern aufräumen und wieder Politik für das eigene Volk machen. Auch sagte er zu der Progromstimmung in Chemnitz, dass es die Pflicht eines jeden deutschen Bürgers sei sich selbst zu verteidigen und die von ihm genannte „Messermigration“ notfalls mit Gewalt zu stoppen.
Diese extremen Äußerungen allein dieser zwei Personen zeigen den Weg den die AfD für Deutschland vorsieht. Allgemein ist das Ziel den Diskurs immer weiter nach Rechts zu drängen und Deutschland schlussendlich zurück in ähnliche Zustände zu stürzen wie sie zuletzt zu Zeiten der Naziherrschaft herrschten. Wir als LudwigsburgInnen zeigen diesen faschistischen Wunschvorstellungen heute eine klare Kante. Hier in Ludwigsburg und bundesweit hat dieses Gedankengut keinen Platz. Lasst uns heute der AfD hier mit aller Kraft zeigen, dass sie hier unerwünscht sind und sie nie wieder hierher zurückkehren sollen. Wir LudwigsburgInnen stehen für eine offen fortschrittliche Gesellschaft ein und nicht für rechte Hetze und Spaltung!
Alle zusammen gegen den Faschismus!“
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