Stuttgart. Der baden-württembergische Verfassungsschutzbericht 2019, der am 15. Juni erschien, warnt in einem extra Kapitel über „verstärkte Werbung der SDAJ an Schulen“. Was den politischen Jugendverband dabei alarmiert: Einige Informationen gehen offenbar auf Hinweise zurück, die der Verfassungsschutz nur von LehrerInnen erhalten haben kann. „Der Lehrer, der mir in Geschichte beibringt, wie schlimm Bespitzelung in der DDR war, hat mich beim Verfassungsschutz angeschwärzt“, erklärt eine junge Frau.
Der Verfassungsschutz warnt, dass die SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiter Jugend) mit Schülervertretungen zusammenarbeite, in der Nähe von Schulen Sticker anbringe und plakatiere, außerdem eine Zeitschrift mit dem Namen „Roter Spickzettel“ herausgebe. „Wir seien kapitalismuskritisch, gegen das Schulsystem und für eine sozialistische Gesellschaft. Und haben laut Verfassungsschutz mit dieser Art der Mitgliedergewinnung sogar noch Erfolg“, heißt es in einer Mitteilung der Stuttgarter Ortsgruppe der SDAJ.
Tatsächlich sei man an mehreren Schulen in Stuttgart aktiv, unterstütze die SMVen und sei gegen den Kapitalismus, der dazu führe, dass immer mehr SchülerInnen an Leistungsdruck zerbrechen oder in kaputten Schulgebäuden sitzen. „Und ja: Unserer Meinung nach gehört dieses System gestürzt“, so die SDAJ.
Man sei schon länger ein Dorn im Auge des Verfassungsschutzes oder rechter Parteien, werde etwa immer öfter in Anfragen der AfD im Landtag erwähnt. Ein Mitglied, das in einer Einrichtung des Jugendamts wohnte, sei regelrecht von seinen Betreuern aufgrund seiner Mitgliedschaft in der SDAJ drangsaliert worden. Und erst 2017 habe es in Stuttgart und im Kreis Rottweil Anwerbeversuche des Verfassungsschutzes gegeben.
„Was uns dieses mal aber wirklich abfuckt ist, dass der Verfassungsschutz über Informationen verfügt, welche er nur durch LehrerInnen erhalten haben kann“, so die SDAJ. Schon öfters seien Mitglieder und aktive Schülervertreter zu Gesprächen mit der Schulleitung und ihren LehrerInnen eingeladen worden, bei denen ihnen erklärt wurde, wie schlimm die SDAJ sei und dass sie sich mit ihrer Mitgliedschaft ihre Zukunft verbauen würden. Sie sollten den Kontakt abbrechen und sich wieder auf die Schule konzentrieren.
Dabei hätten SchülerInnen und LehrerInnen dieselben Interessen und müssten gemeinsam für ihre Rechte und für ein anderes und besseres Bildungssystem kämpfen. Viele LehrerInnen stünden auch hinter ihnen: „So haben uns LehrerInnen über E-Mails des Verfassungsschutzes informiert, und auch in der DKP schließen sich in der „Branchengruppe Bildung und Erziehung“ immer mehr LehrerInnen zusammen, um gegen dieses Bildungssystem vorzugehen.“
Während es in anderen Bundesländern teilweise Normalität sei, dass sich SMV und SDAJ gemeinsam für ihre Rechte einsetzen, versuche der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, einen Keil zwischen die SchülerInnen zu treiben, um zu verhindern, dass sie gemeinsam für ihre Interessen aktiv werden. „Währenddessen können Nazis in Baden-Württemberg ungehindert aufmarschieren, und die Polizei prügelt ihnen noch den Weg frei“, so die SDAJ. Nicht zu vergessen seien die Todeslisten, welche von Neonazis über mehrere Jahre im Internet verbreiteten, oder die NSU-Akten welche für 120 Jahre verschlossen blieben. Das zeige, „auf wessen Seite der Verfassungsschutz steht“. Die Behörde gehöre abgeschafft.
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