Von Sahra Barkini – Stuttgart. Unter dem Motto „Ihre Krise nicht auf unserem Rücken – als Klasse kämpfen“ gab es am Samstag, 7. November, auf dem Rotebühlplatz in Stuttgart eine Kundgebung von etwa 100 Menschen. An die Redebeiträge schloss sich eine Spontandemonstration an, die am Wahlkampfbüro des OB-Kandidaten Frank Nopper (CDU) einen Zwischenstopp einlegte.
Während Banken und Großkonzerne während der momentan herrschenden Pandemie und der auch aus ihr resultierenden Wirtschaftskrise mit Milliardenbeträgen gestützt werden, wird die Krise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Dazu sprachen unter anderem eine Angestellte des Krankenhauses Ludwigsburg, Beschäftige der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft, ein Vertreter von „Alles für die Crew“ (Zusammenschluss von Beschäftigten aus der Veranstaltungsbranche) und der Betriebsratsvorsitzende von Bosch Bietigheim, Vincenzo Basile.
Zu Beginn sagte die Moderatorin der Kundgebung, die Krise zeige, wer den Laden am laufen halte und wer sich daran eine goldene Nase verdiene. Auf dem Rücken der ArbeiterInnen werde die Krise ausgetragen, während Arbeitgeber weiterhin Unsummen einsteckten. Sie betonte: „Wir sitzen nicht im selben Boot, nicht mal im selben Gewässer.“
Veranstaltungsbranche hart getroffen
Besonders hart betroffen ist die Veranstaltungsbranche, dazu sagte der Redner: „1,4 Millionen Arbeiterinnen und Arbeitern geht langsam aber sicher die Puste aus, ohne Aussicht auf ein Ende, wir sind voraussichtlich erst in der Halbzeit der Pandemie. Wir sehen, wer in dieser Krise Milliarden scheffelt, welche Konzerne und Wirtschaftszweige unterstützt werden und wer nicht. Und wir sehen, dass das System hat.“ Viele Soloselbstständige würden noch stärker im Regen stehen gelassen, da Soforthilfepakete Fixkosten und die Lebenshaltungskosten nicht deckten. Während die Auftragslage auf nahezu Null sinkt, ließen die Hilfspakete für die Branche auf sich warten. Deshalb müsse weiter Druck von unten gemacht werden, und man müsse sich organisieren und solidarisch zeigen auch mit KollegInnen aus anderen Branchen.
Beschäftigte werden vergessen
Die Moderatorin, die selbst in der Gastronomie beschäftigt ist, gab einen Einblick, was der aktuelle Lockdown für ihre Branche bedeutet. Es würden Milliarden Rettungspakete nach oben verteilt, aber die Beschäftigten dabei vergessen. So rate der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband. Branchenverband des Gastgewerbes) dazu, Beschäftige einfach zu entlassen, in Kurzarbeit oder unbezahlten Urlaub zu schicken, denn das senkt die Kosten für die ArbeitgeberInnen. Das Kurzarbeitergeld reiche kaum zum Leben, ohne die Trinkgelder deckt es oft nur die Miete, so die Moderatorin.
Eine Krankenhausbeschäftigte sprach über die zurückliegenden Tarifverhandlungen. Sie zeigten, dass die Beschäftigten streikbereit seien. Die Streikbereitschaft in der Pflege sei so hoch wie nie. Aber auch die erfolgreichen Verhandlungen änderten nichts an Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen. Es könne nicht sein, dass nicht die Menschen im Gesundheitssystem im Mittelpunkt stehen, sondern Profite. Die Militärausgaben seien auf einen Rekord von 40,5 Milliarden Euro gestiegen, aber für die „systemrelevanten“ Berufsgruppen reiche das Geld nicht aus. Die ArbeitnehmerInnen, die PflegerInnen, die Beschäftigten in Fabriken erwirtschafteten wirtschaftlichen Reichtum und halten das Land auch während der Krise am Laufen.
Bosch behindert Zukunftstarifvertrag
Zwei Angestellte der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft sagten, der öffentliche Dienst sei die Säule dieser Gesellschaft, durch ihn werde das gesellschaftliche Leben am Laufen gehalten. Dennoch werde diesem Bereich kein Wert beigemessen. Auch sie wehrten sich dagegen, dass die Regierung versuche, die Krisenlasten auf den Rücken der Beschäftigten abzuwälzen. Sie kritisierten, dass laut Arbeitgebern und Regierung kein Geld für Beschäftigten da sei, aber Rettungsschirme für die Automobilindustrie möglich sind. Und trotz dieser Hilfen komme es auch in diesen Branchen zu Entlassungen und Kurzarbeit.
Der Bosch-Betriebsratvorsitzende Basile hatte sich kurzfristig entschlossen, die Kundgebung zu unterstützen, und zeigte sich erfreut, dass sowohl an der Kundgebung als auch an den Streiks der vergangenen Wochen viele junge Leute teilnahmen. Er kritisierte seinen Arbeitgeber, der eigentlich als sozial gilt, Vereinbarungen nicht einzuhalten. So seien Verhandlungen über einen Zukunftstarifvertrag abgebrochen worden, und es sollten Gerichte entscheiden. Die ArbeitnehmervertreterInnen fragten mit einer geheimen Abstimmung die Bosch-Belegschaft, ob sie zum Zukunftstarifvertrag stehen. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: 93 Prozent haben dafür gestimmt und 84 Prozent seien streikbereit, sollte es notwendig werden. Streik sei das letzte Mittel, so Basile. Weiter sagte er: „Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, und mich macht es stolz, wenn ich euch sehe. Darauf, dass die Jugend sich dafür einsetzt. Und deshalb liebe Freunde, Glück auf – macht weiter so.“ Für seine Rede erntete er lauten Applaus, und die TeilnehmerInnen skandierten: „Ohne Streik wird sich nichts verändern“.
„Das bewährte Mittel heißt Streik“
Daran anknüpfend sagte die Moderatorin, wenn es notwendig sei, werde gestreikt. Dann stünden alle Bänder still. Seit hunderten Jahren sei Streik ein effektives Kampfmittel für bessere Arbeitsbedingungen und für gesellschaftliche Veränderungen. Das System Kapitalismus sei verwundbar. Mit den Streiks und Aktionen der letzten Wochen sei gezeigt worden, dass die ArbeitnehmervertreterInnen bereit sind zu kämpfen. Zum Abschluss sagte sie: „Wir sind alle Teil der gleichen Klasse, Teil der Klasse, die dieses System am laufen hält“.
Zum Ende der Kundgebung zogen die TeilnehmerInnen in einer Spontandemonstration durch die Innenstadt und legten mit einer Plakataktion am Wahlkampfbüro des OB-Kandidaten Frank Nopper (CDU) einen Zwischenstopp ein. Anschließend schlossen sich die TeilnehmerInnen dann den Protesten gegen die AfD an (siehe OB-Kandidat auf verlorenem Posten„).
Videos
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!